fm notari0Serie: TRANSITO. ELVIRA NOTARI – KINO DER PASSAGE. Filmfestival mit Live-Musik, Vorträgen und Diskussion, 14.-17. Dezember in der PUPILLE -Kino in der Uni, Teil 3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wenn man jetzt auf einmal, noch bevor man die Filme der Notari gesehen hat, die ja erst morgen am Donnerstag mit ‘A SANTANOTTE beginnen, über das Festival nachdenkt, dann ist einem diese Elvira Notari schon fast eine gute Bekannte. Das liegt an den hinreißenden Aufsätzen in der Begleitschrift zum Festival, die die Kinothek Asta Nielsen veröffentlicht hat.

Es sind Übersetzungen aus dem Englischen und Italienischen, die uns die Person Elvira Notari nahebringen. Schon auf der Pressekonferenz wurde von der dominanten Rolle dieser Filmemacherin, Ehefrau, Mutter und Produzentin ihrer selbst gesprochen, die sich darin ausdrückt, daß sie in der Familie DIE GENERALIN genannt wurde. Man kennt solche Familienkonstellationen und auch solche Frauen, die zum Wohle der anderen das Sagen haben. Das muß nicht abträglich gemeint sein, aber soll eben doch klar die allmächtige und unbestrittene Position dieser Person angeben.

Das Bild, in dem sie sich an ihren Mann Nicola, der gut bürgerlich mit Anzug und Weste die Brust männlich herausstreckt, an die sie sich lehnt, dieses Bild gibt erst einmal einen anderen Eindruck. Aber sie lehnt nicht hilflos an der Schulter des Mannes, der im übrigen fast etwas ironisch den Betrachter direkt anschaut. Sie dagegen schaut über uns hinweg in die Zukunft oder hat ihre Filmvisionen vor Augen. Gewandet ist sie mit einem weiten Umhang, dessen Kragen nach oben fast wie eine Rüstung wirkt. Auf dem Kopf eine runde Schachtel mit einem dieser Federwische. Sehr elegant. Geradezu cool.

Sieht man dann ihre Hauptdarstellerinnen im Film, diese blut- und glutvollen Lebenskünstlerinnen, die ein sehnsuchtsvolles Lied auf den Lippen tragen, auch dann, wenn man noch gar nichts hört, sowohl Sirenen, wie auch tragische Frauenfiguren mit schwarz umrandeten Augen, auf den Fotos gewissermaßen Pola-Negri-Verschnitte, denkt man unwillkürlich, sie sei als Frau das Gegenteil ihres weiblichen Filmpersonals. Dabei kommt auch sie aus kleinen Verhältnissen, sie hat sich hochgearbeitet und den Zug der Zeit vor anderen erkannt und mit Energie und Können eine ganz junge Industrie, die mehr Handwerk als sonst was war, mit ihrer ganzen Familie zur ersten Blüte in Italien gebracht.

Sie hatte nicht nur Erfolge in Italien, sondern hat auch vorausdenkend ihre in Italien gegründete Produktionsfirma DORA mit einer Dependance in New York erweitert, weil ein amerikanisches Geschäft aufzuziehen angesichts so vieler italienischen Auswanderer, insbesondere so vieler aus Neapel, konsequent war. Denn auch dort hatte man die neapolitanischen Weisen, die Schmonzetten im Blut, die die Grundstruktur der Filme der Notari sind, die gewissermaßen verfilmte Lieder sind, nämlich Lieder, denen eine Erzählung zugrunde liegt. Wie Moritaten, Bänkelsang, Gassenhauer, eben auch Gesänge, die die Leuten kannten, mit denen sie Gefühle verbanden und die ihnen bei den kolorierten Stummfilmen mit und ohne Orchester als direkter Gesang geboten wurde.

In den Beiträgen von Kim Tomadjoglou wird die Struktur dieses Familienbetriebs geschildert, den Ehemann Nicola als Kameramann wir schon kennen, als Schauspieler kommt ihr Sohn Edoardo dazu, der in den Filmen die Rolle des ‚Gennariello‘ verkörpert, ein typisch süditalienischer Junge der Unterschicht, ein Gassenjunge, der als Rolle bei den Zuschauern besonders beliebt war. Im übrigen hatte die Notari neben ihrer Tätigkeit als Drehbuchschreiberin, Regisseurin, auch Schauspielerin, Produzentin und Verleiherin auch eine Schauspielschule betrieben, denn das Berufsbild war ja noch kaum vorhanden. So suchte sie auch aus ihrem Erfahrungsraum, ihrem Bekanntenkreis diejenigen aus, die ihr für Rollen in ihren Filmen geeignet erschienen. „Edoardos Lehrerin, die schöne und sinnliche Rosè Angione, spielte in vielen von Notaris Filmen die Rolle der femme fatale. In ‘A Santanotte (1922) trat sie als Kellnerin aus der Unterschicht auf.“ Einen guten Blick hatte Elvira Notari für die Besetzung ihrer Filme, wobei auffällt, daß, bedingt durch die Thematik der Filme, die Darsteller eher Typen verkörpern, denn individuelle Gesichter tragen.

Alle Aufsätze sind interessant, aber am meisten erfährt man bei Vittorio Martinelli in ZWEI ODER DREI DINGE, DIE ICH VON ELVIRA WEISS, der sie Ende der 40er Jahre kennengelernt hatte. Er hatte sehr offene Gespräche mit dem Sohn: „Dann habe ich ihn nach seiner Mutter gefragt und er sagte mir, daß sie den Spitznamen „die Marschallin“ trug, seil sie das Kommando hatte.“ Ist es ein Übersetzungsfehler, daß ansonsten immer von Generalin gesprochen wird und hier von Marschallin? Die nämlich spielt im Blick auf den Rosenkavalier doch eine andere Rolle. Aber in der Folge wird dann doch klar, daß es die Rolle der Generalin ist, die er beschreibt, wobei dies Wort auch ihre allumfassende Zuständigkeit ausdrückt.

In diesem Beitrag wird auch von den Erfolgen in den USA berichtet, die „schwindelerregend“ waren, weil „diese Filme den Geschmack von Pizza und den Geruch von Spaghetti“ hätten.

Immer deutlicher wird, wie viel es einem bedeutet, durch dieses Filmfestival eine so außergewöhnliche Frau wie Elvira Notari zumindest ein wenig kennengelernt zu haben. Jetzt bin ich neugierig auf ihre Filme.

Foto: ©

Info:

Festival vom 14. bis 17. Dezember 2017
Neben den Filmen Vorträge, die in englischer Sprache
Veranstaltungsort Pupille – Kino in der Uni, Goethe Universität Frankfurt, Studierendenhaus Campus Bockenheim
Adresse: Mertonstraße 26-28, 60325 Frankfurt am Main
Telefon: 069 79828976

Weiterhin gibt es im Anschluß an das Filmfestival ein internationales wissenschaftliches Symposium ECHOES OF PARTHENOPE. ELVIRA NOTARI‘S CINEMA AND NEAPOLITAN POPULAR CULTURE vom 17. bis 19. Dezember 2017 an der Frankfurter Universität
http://www.kinothek-asta-nielsen.de/Notari/

Es gibt eine wertvolle, von der Kinothek herausgegebene  kleine Schrift, die Sie unbedingt erwerben sollten, weil die Beiträge das, was Sie ahnen, deutliche ausdrücken können:
Hg. Heide Schlüpmann, Fabian Tietke, Transito. Elvira Notari - Kino der Passage, Kinothek Asta Nielsen 2017
ISBN 987-3-00-058492-3

Das Festival wird gefördert durch Kulturfonds Frankfurt RheinMain, HessenFilm und Medien, Frankfurter Stiftung: Maecenia für Frauen in Wissenschaft und Kunst und das Italienische Generalkonsulat in Frankfurt am Main. Partner sind ZDF/ARTE, Pupille – Kino in der Uni und das Institut für Theater-, Film und Medienwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Über die Kinothek Asta Nielsen e.V.
Die Kinothek Asta Nielsen e.V. wurde 1999 in Frankfurt am Main gegründet. Sie widmet sich in besondere der Filmarbeit von Frauen in Geschichte und Gegenwart und deren Sichtbarmachung im Kino sowie der Aufführung von Filmen in ihren Originalformaten. Dieses Jahr wurde der Verein mit dem Binding-Kulturpreis 2017 ausgezeichnet. Seine Mitbegründerinnen Karola Gramann und Heide Schlüpmann erhielten einen der höchstdotierten Kunstpreise Deutschlands. Verliehen wurde der mit 50.000 Euro dotierte Binding-Kulturpreis am 2. September im Frankfurter Römer.
www.kinothek-asta-nielsen.de