fb filmarchiv 452 01Januar bis März 2018 im Zeughauskino in Berlin 

Hanno Lustig

Berlin (Weltexpresso) - Außerhalb Berlins wissen viele gar nicht, wie vielfältig das Programm des Zeughauskinos in Berlin ist. Daß das Kino des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt lebendige Filmkultur betreibt, ist bekannt, aber über die Berliner Reihen, die systematisch Themen zusammenstellt, wollen wir hier in einer Übersicht berichten, die wir detaillieren, wenn die Programme laufen.

Zwischen Revolution und Restauration
2. bis 17. Januar 2018

Die Epoche zwischen Französischer Revolution 1789 und der strengen Wiederherstellung der „guten alten Ordnung“ nach dem Scheitern der demokratischen Revolution in Deutschland 1848/49 bewegte Zeitgenossen wie auch Künstler und Literaten späterer Jahre. Sie schwankten in ihrem Engagement für die demokratische Ordnung, wandten sich aufgrund der Auswüchse des revolutionären Terrors enttäuscht ab oder wurden durch die Zensur der zumeist reaktionären Regime in den europäischen Monarchien in ihrer Entfaltung behindert. Filmschaffende haben die Werke dieser Künstler und deren Biografien immer wieder ins Bild gesetzt – auch um ihre eigene Realität, die Umstände ihrer Arbeit und die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse ihrer Zeit zu reflektieren. Unter dem Titel Zwischen Revolution und Restauration versammelte das Cinefest im vergangenen November Filme zu diesem Thema. Das Zeughauskino präsentiert eine Auswahl des von CineGraph Hamburg und dem Bundesarchiv-Filmarchiv veranstalteten Internationalen Festivals des deutschen Film-Erbes.


Lachende Erben: Komödien im Nationalsozialismus
11. Januar bis 28. Februar 2018

„Die Kunst ist frei. Allerdings wird sie sich an bestimmte Normen gewöhnen müssen“, kündigt der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, vor Filmschaffenden in seiner Kaiserhof-Rede am 28. März 1933 an. Die Auswirkungen seiner Prophezeiung werden schon bald sichtbar und nicht zuletzt eine Ausgrenzung und Vertreibung jüdischer Künstler und Handwerker aus allen Bereichen der Filmindustrie bedeuten. – Normerfüllung und Normunterwanderung, das sind zwei Begriffe, die das Nachdenken über Filmkomödien befruchten können. Die Filmkomödie ist ein Genre, das mit dem Wissen um vorherrschende Regeln und Vorstellungen spielt. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus, als fast die Hälfte aller produzierten Spielfilme Komödien sind. Unsere neue, in Zusammenarbeit mit Stefanie Mathilde Frank kuratierte Ausgabe der Reihe Lachende Erben widmet sich der Komödie im „Dritten Reich“ in ihrer gesamten Breite. Zu sehen sind Produktionen, die mit hohen staatspolitischen Prädikaten ausgezeichnet wurden, wie auch Lustspiele mit kritischem Potenzial oder offensichtlichen Anknüpfungen an das US-amerikanische Kino der Zeit, von Filmen des Übergangs über Ehekomödien und musikalische Lustspiele bis zur Satire und Fliegerkomödie mit Notlandung in Afrika.


Stalingrad-Reflexe
24. Januar bis 7. Februar 2018

Anlässlich des 75. Jahrestags der Schlacht von Stalingrad wendet sich die Veranstaltungsreihe Stalingrad-Reflexe diesem Ereignis und seinen Deutungen zu. Es gilt an eine gewaltige Schlacht mit ihren vielen Opfern zu erinnern, deren Nachwirkung sich bis heute kaum jemand entziehen kann. Wer sich in Deutschland über die Schlacht von Stalingrad äußert, verwendet in der Regel Begriffe wie „Untergang“, „Fanal“ oder „Wendepunkt“. Ebenso ist auch im Russischen der Begriff „Wendepunkt“ schnell in aller Munde, gefolgt von „Sieg“ und „Nach Berlin!“. Schon die Wortwahl weist darauf hin, dass viele unterschiedliche Geschichten entstanden sind, seit die Schlacht an der Wolga endete. Die Retrospektive Stalingrad-Reflexe bietet die Gelegenheit, sowjetische und russische sowie west- und ostdeutsche Filme aus acht Jahrzehnten zu vergleichen. Alle Programme werden von Filmhistorikern eingeführt. Der Eintritt ist frei.

Eine Veranstaltungsreihe in Zusammenarbeit mit dem Verein  „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“, dem Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst, der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, dem Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.



Kinder-Spiele, Kinder-Blicke
Neue Perspektiven im deutschen Film (1945-1989)
bis 31. März 2018

Im deutschen Kino der Jahre 1945 bis 1989 finden sich eine Reihe von Filmen, in denen Kinderfiguren als Mittler der Gegenwart und Vergangenheit auftreten: im Neuen Deutschen Film und im DEFA-Film, der seit den 1950er Jahren eine starke Kinderfilmproduktion vorzuweisen hat, aber auch in Vorläufern der unmittelbaren Nachkriegszeit. Sie spiegeln die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit und die daraus resultierenden Autoritätskonflikte der ‚vaterlosen Generationen’, die vor allem in den 1960er bis 1980er Jahren als Regisseurinnen und Regisseure das deutsche Kino erneuerten. Die in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek präsentierte und von Bettina Henzler kuratierte Reihe Kinder-Spiele, Kinder-Blicke lädt dazu ein, deutsche Nachkriegsgeschichte und ‑realität im Blick filmischer Kinderfiguren wahrzunehmen.



Erich Wolfgang Korngold
Komponieren für die Leinwand
bis 23. März 2018

„Ich sehe auf mein Leben zurück, und ich sehe drei Abschnitte: zuerst das Wunderkind, dann Opernkomponist in Europa, und nun Filmkomponist. Ich glaube, dass ich mich entscheiden muss, wenn ich nicht den Rest meines Lebens als Musiker in Hollywood verbringen will“, schrieb Erich Wolfgang Korngold nach dem Zweiten Weltkrieg in seinem Exil in Hollywood. Der überaus erfolgreiche Komponist musste aufgrund seiner jüdischen Herkunft 1938 Österreich verlassen. Zuflucht fand er über Max Reinhardt beim Studio Warner Bros., mit denen er einen Exklusiv-Vertrag als Filmkomponist schloss. Seine spätromantische, hochexpressive Musiksprache begleitete zahlreiche Produktionen, zunächst Abenteuerfilme wie The Adventures of Robin Hood, später Melodramen. Dabei behauptete er seine künstlerische Autonomie, glaubte daran, dass seine Kompositionen auch jenseits der Leinwand bestehen könnten und hoffte sogar, seine Arbeit für Hollywood führe „möglicherweise zur Schaffung ganz moderner Opern für die Leinwand“. Doch nach über 15 Filmarbeiten verließ Korngold Hollywood, allerdings konnte er in der Musikwelt nicht mehr Fuß fassen. – Anlässlich der Neuproduktion von Korngolds magnus opum, der Oper Das Wunder der Heliane, an der Deutschen Oper präsentieren wir jene Filmarbeiten Korngolds, die seinem Anspruch, Filme wie „Opern ohne Gesang“ zu vertonen, am nächsten kommen.

Die Reihe begleitet das Symposion Oper und Film, das vom 9. bis 11. März 2018 an der Deutschen Oper Berlin in Zusammenarbeit mit dem Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Zentrum für Literatur- und Kulturforschung stattfindet.


Aus dem Fernseharchiv: Die Drehbuchautorin Helga Feddersen

Im Rahmen der Reihe Aus dem Fernseharchiv präsentieren das Zeughauskino und die Deutsche Kinemathek monatlich einen Fernsehspielfilm in der Regel aus den 1960er oder 1970er Jahren – seit Anfang 2018 aus dem Bestand der Sammlung Fernsehen der Deutschen Kinemathek. Im ersten Quartal stehen drei Fernsehfilme nach Drehbüchern von Helga Feddersen auf dem Spielplan: Vier Stunden von Elbe 1 (BRD 1968, Regie: Eberhard Fechner), Gezeiten (BRD 1970, Regie: Eberhard Fechner) und Im Fahrwasser (BRD 1971, Regie: Georg Tressler).


Berlin.Dokument

Unter dem Titel Berlin.Dokument präsentiert das Zeughauskino in chronologischer Folge monatlich ein Programm mit dokumentarischen Aufnahmen von Berlin. Im ersten Quartal 2018 steht die dreiteilige DDR-Fernsehproduktion Unter den Linden auf dem Spielplan, die die Geschichte von Berlins berühmtester Straße nachzeichnet. Flankiert werden die drei Teile dieses bei der DEFA hergestellten Straßenportraits von rein dokumentarischen Kurzfilmen.

Wiederentdeckt

CineGraph Babelsberg präsentiert im ersten Quartal 2018 die folgenden wiederzuentdeckenden deutschen Spielfilme: Der Biberpelz (D 1937, Regie: Jürgen von Alten), 08/15 in der Heimat (BRD 1955, Regie: Paul May) und Engel aus Eisen (BRD 1981, Regie: Thomas Brasch).


Foto: ©zeughauskino.de

Info: 
Ausführliche Angaben zum Filmprogramm finden Sie auf : http://www.dhm.de/zeughauskino/