f mmSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. März 2018, Teil 12

N.N.

Hollywood (Weltexpresso) - Die Geschichte von Jesus Christus hat ganze Generationen von Filmemachern inspiriert, von Pier Paolo Pasolinis Das 1. Evangelium Matthäus (1964) und Martin Scorseses Die letzte Versuchung Christi (1988) bis zu Mel Gibsons Die Passion Christi (2004). Sie wurde auf viele verschiedene Arten erzählt und sorgte für leidenschaftliche Reaktionen in Kunst und Kultur, in Geschichts- und Religionswissenschaft ebenso wie im Film.

Gerade dank ihres thematischen Reichtums, der vielfältige Interpretationen zulässt, war es nicht überraschend, dass die Produzenten Iain Canning und Emile Sherman diese bekannte Geschichte auf neue, originelle Weise aufbereiten und sie aus einer anderen Perspektive erzählen wollten. Es war eine archäolgische Entdeckung, die ihnen dafür den letzten Anstoß lieferte.

„Wie wir alle wissen, wurde die Lebensgeschichte Jesu viele Male von unterschiedlichen Filmemachern aufbereitet“, so Canning. „Als dann in Ägypten und Griechenland Pergamentfragmente eines angeblichen Evangeliums der Maria Magdalena entdeckt wurden, kam uns die Idee, die Geschichte dieser Frau zu erzählen.“

„Jede Generation geht an die Neuversion oder Neuinterpretation einer Geschichte aus dem Blickwinkel der jeweiligen Zeit heran“, so der Produzent weiter. „Wenn du einen Film machst, dann muss er eine aktuelle Relevanz besitzen, sonst wird er kein Publikum erreichen. Nach unserem Empfinden hatten wir den nötigen Freiraum, um das Leben der Maria Magdalena zu erzählen. Das heißt, der weibliche Blick auf Leben und Tod Jesu Christi bot einen neuen Zugang zu der Geschichte und half zugleich, aktuelle Themen zu beleuchten.“

„Du hast immer eine gewisse Verantwortung, wenn du Geschichten aufbereitest, die für die Menschen unglaublich wichtig sind. Aber du musst deinem Drehbuch, deinem Filmemacher und den Schauspielern vertrauen, dass sie dazu etwas Neues und Originelles beisteuern. Auf diese Weise ist es möglich, das Ganze auf die bestmögliche Weise zu erzählen.“

Die renommierte Dramatikerin Helen Edmundson schrieb die erste Fassung des Drehbuchs, in der sie das Grundkonzept entwickelte und alle relevanten Quellentexte verarbeitete, wie Canning erklärt. „Danach arbeitete Philippa Goslett an dem Buch, um ihm einen filmischen Schliff zu verleihen und die Dynamik zwischen den Jüngern und Maria etwas zu verstärken. Auf diese Weise erweckte sie das Ganze vollends zum Leben.“

Goslett fühlte sich von dem Projekt angesprochen, weil sie einen jahrhundertealten Fehler korrigieren wollte: „Ich war immer sehr an der Geschichte von Jesus interessiert, und ich hatte das Gefühl, dass die wahre Identität von Maria Magdalena stets verzerrt wiedergegeben wurde. Hier gab es die Chance, jemand eine Stimme zu verleihen, den man so lange Zeit zum Schweigen gebracht hatte. Ich fand es sehr aufregend, die Geschichte Jesu aus einem weiblichen Blickwinkel zu betrachten und zu sehen, wie sie sich dadurch veränderte, wie die Schlüsselmomente dieser Reise eine unterschiedliche Tonalität bekamen und wie Jesu Botschaft letztlich aus dieser weiblichen Perspektive ganz anders wirkte.“

„Maria Magdalena ist jahrhundertelang ausgegrenzt worden, und wir wollten ihr wieder ihren rechtmäßigen Platz im Zentrum der Geschichte Jesu verschaffen, als einer der wichtigsten Apostel“, so Produzent Emile Sherman. „Die Geschichte, die wir erzählen, berührt den Kern aller Religionen und im Grunde die gesamte Menschheit. Maria erkennt, dass das sogenannte ‚Reich Gottes‘ oder jedwede Utopie, nach der wir streben, in uns beginnen muss. Hier sitzt unser Geist – und er sitzt am selben Fleck wie Liebe und Güte. Marias Botschaft ist so revolutionär wie eh und je, und wir hoffen, dass sie beim Publikum einen starken Nachhall findet.“

Goslett begab sich bei ihren Recherchen auf eine Reise in die biblische Geschichte, die neue Komplikationen mit sich brachte, aber auch die Bedeutung der zentralen Themen des Films unterstrich: „Wir führten eine ganze Reihe von Gesprächen mit Rabbis, Priestern, jüdischen Historikern, Bibelforschern und Archäologen, und jeder von ihnen hatte dazu eine andere Meinung! Das heißt, jeder hatte seine persönlichen Ansichten zur Jesusbewegung und zu ihrer Bedeutung, und das machte es so faszinierend. Aber noch faszinierender war, dass sich alle darin einig waren, dass man Maria Magdalena als Jüngerin und Apostel betrachten sollte.“

„Drehbuch und Produktion wurden von zahlreichen theologischen und historischen Texten beeinflusst“, so Produzentin Liz Watts. „Wir konsultierten eine Reihe von Bibel- und Geschichtsforschern, die wirklich fantastisch waren, aber auch sehr unterschiedliche Standpunkte zur Ideengeschichte und zu den Geschehnissen im ersten Jahrhundert vertraten – von der jüdischen Vorstellung bis zu den christlichen Schriften und ihren Überarbeitungen, vom Markusevangelium bis zum Evangelium der Maria Magdalena.“

„Wir sagen nicht, dass dieser Film in irgendeiner Weise theologisch oder historisch zu sein versucht“, so Watts weiter. „Die Geschichte kann auf verschiedenste Weise interpretiert werden, und wir erzählen in der Tat eine Geschichte, aber uns ist dabei sehr wichtig, dem Glauben der Menschen Respekt entgegenzubringen.“

Goslett erklärt die Bedeutung des Evangeliums der Maria Magdalena, das für die Arbeit der Filmemacher einer der Schlüsseltexte war: „Es zeigt Maria als entscheidende Figur innerhalb der Jesusbewegung, und zwar in Form einer Diskussion zwischen Maria und den männlichen Jüngern, bei der sich herausstellt, dass sie Jesus sehr nahe steht und dass sie einen besonderen Einblick in seine Lehre hat, die sie mit den Aposteln teilen möchte. Die Tatsache, dass sie als Frau über diese außergewöhnlichen Erkenntnisse verfügt, kommt bei einigen der Apostel, insbesondere bei Petrus, nicht gut an, und dadurch entsteht eine faszinierende Dynamik.“

„Marias Verständnis vom Reich Gottes und von Jesu Botschaft findet sich noch heute in christlichen Schlüsselbegriffen von Vergebung, Gnade und Menschlichkeit“, so Liz Watts. „Im Film haben alle Jünger leicht unterschiedliche Ansichten, wie das Reich Gottes auf Erden aussehen soll – oder vielmehr, wie es beginnt. Wie wird Jesus es etablieren und wann? Maria wird im Laufe des Films bewusst, dass Jesu Botschaft eine schlichtere Antwort bietet – dass wir uns von innen heraus ändern müssen, um die Welt um uns herum zu verändern. Sie bleibt auch während der Kreuzigung an seiner Seite, statt die Flucht zu ergreifen (wie die anderen Jünger), und auch darin besteht ein fundamentaler Unterschied. In der Diskussion zwischen Maria und Petrus, die im Film zu sehen ist, wird offenbar, dass für Marias Verständnis von Jesu Lehre auch das Konzept der Vergebung eine zentrale Rolle spielt. Wenn Jesus später den anderen Jüngern erscheint, ist darin – hier sind sich auch die anderen Evangelien einig – eine Botschaft der Vergebung zu sehen.

Für Chiwetel Ejiofor, den Darsteller des Petrus, war diese andere Perspektive enorm wichtig: „Weil das Evangelium der Maria Magdalena sich von den Evangelien des Neuen Testaments so stark unterscheidet, bietet es Einblicke in die Konflikte, mit denen die Jünger konfrontiert sind. Wir erleben die Kontroversen, die durch Maria hervorgerufen werden, und die unterschiedlichen Wahrnehmungen des Neubeginns in Jerusalem nach der Kreuzigung.“

Canning und Sherman behielten aber auch den kommerziellen Aspekt des Films im Auge: „Wir wollten das christliche Publikum nicht verstimmen“, so Canning, „und gleichzeitig gingen wir davon aus, dass ein Film, in dem Gleichberechtigung und Feminismus thematisiert werden, bei einem christlichen Publikum nicht auf Ablehnung stößt. Wir suchten daher nach einem Regisseur, der den Film so würde erzählen können, dass niemand ausgegrenzt wird.“

Die Filmemacher waren sich bewusst, dass ihr Film in der Art und Weise, wie er die Geschichte aufbereitet, auf der ganzen Welt für Kontroversen sorgen könnte. „Wir erzählen die Geschichte nicht chronologisch, sondern verdichten die Zeit, und unser Judas hat eine ganz andere Motivation, als man das von der traditionellen Lesart gewohnt ist“, so Goslett. „Aber das Provokanteste daran ist, dass wir die Geschichte aus einem weiblichen Blickwinkel erzählen.

Für die Regie war Garth Davis die ideale Wahl. Zuletzt hatte er die See-Saw-Produktion Lion – Der lange Weg nach Hause (2016) mit Dev Patel und Nicole Kidman inszeniert, die für sechs Oscars® nominiert wurde und zwei BAFTAs gewann.

„Garth ist ein besonderer Mensch, und dieser Erzählstoff braucht viel Herzblut und Sorgfalt,“ erklärt Canning. „Auch geht er die Geschichte mit einer dynamischen, neuen Sichtweise an. Seine Technik der Schauspielerinszenierung, sein Gespür für das visuelle Potenzial dieses Films – zum Beispiel ließ er die historische Architektur so originalgetreu wie möglich nachbauen – all diese Elemente bieten dem Publikum etwas Neues."

Davis’ Motivation, sich auf den Regiestuhl zu setzen, war vielleicht etwas ungewöhnlich. „Eine der wichtigsten Inspirationsquellen für diesen Film war Malala Yousafzai“, so der Regisseur. „In ihrer Geschichte gab es etwas, das die Geschichte Marias widerspiegelt. Die Taliban schossen ihr ins Gesicht, weil sie die Schule besuchen wollte, dann gewann sie den Friedensnobelpreis, und sie hielt ihre Ansprache, in der sie den Taliban verzieh. Dieser Akt von Vergebung und Liebe wurde für mich zum Herzstück des Films. Als ich das Drehbuch las, wurde mir bewusst, wie sehr sie mich bewegt und wie viel von Marias Geschichte in der ihren steckt. In dieser Spiritualität und Liebe kann ich mich wiederfinden. Mir gefiel auch, dass das Skript so menschlich und relevant war.“

Davis wollte diesen Film aus einer völlig neuen Perspektive angehen: „Ich wollte alles vermeiden, was man schon aus früheren Filmen kennt. Die meisten Bibelfilme werden in der Wüste gedreht und befolgen eine bestimmte Etikette. Ich wollte, dass man sich mit dieser Geschichte identifizieren kann, dass sie sich relevant und aktuell anfühlt, und daher versuchte ich alle Stereotypen zu vermeiden.“

Produzentin Liz Watts erkannte, dass die Entscheidung für Davis gerade im Hinblick auf den brisanten und sensiblen Stoff goldrichtig war: „Garth ist ein großartiger, eindrucksvoller Filmemacher, und er erzählt seine Geschichten mit hoher emotionaler Intelligenz. Zu dieser Story gehören viele komplizierte historische Elemente, aber in ihrem Herzen steckt Spiritualität. Garth hat definitiv das Talent, diese Art von Geschichte aufzubereiten. Er wr brillant in der Bearbeitung des Skripts, und er geht auch hervorragend mit den Schauspielern um. Es ist ein sehr anspruchsvoller Film, der eine neue Geschichte aus einem neuen Blickwinkel erzählt – aber im Rahmen einer sehr bekannten Thematik, die schon viele Male aufbereitet wurde.”

„Diese Story handelt von einer Frau, die ihren Glaubensüberzeugungen folgt“, so Watts weiter, „und dazu gehört auch eine enorme Menge an Geschichte und Theologie, aber letztlich ist sie auch unterhaltsam, weil sie die Geschichte Jesu auf ganz neue Weise präsentiert. Ich wusste nicht viel über Maria Magdalena, und ich war fasziniert. Daher hatte ich das Gefühl, dass das Publikum von dieser Geschichte ähnlich angesprochen sein würde. Es geht darin um eine sehr starke Frau, deren Selbstbild von den Normen der Gesellschaft abweicht.“

Foto:
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Info: 
BESETZUNG

Rolle                                   Schauspieler                        Synchronstimme

Maria Magdalena               Rooney Mara                         Marie Möller
Jesus                                 Joaquin Phoenix                    Tobias Kluckert
Petrus                                Chiwetel Ejiofor                      Falilou Seck
Judas                                 Tahar Rahim                           Mehmet Ateşçi
Daniel                                Denis Ménochet                      Olaf Reichmann
Rachel                               Ariane Labed                          Katharina Rivilis