f floridaSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. März 2018, Teil 13

Corinne Elsesser

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es sind die Schattenseiten des Glamour, die den kalifornischen Regisseur Sean Baker interessieren. Portraitierte er 2015 in "Tangerine L.A." transsexuelle Prostituierte in Los Angeles in einem vollständig mit dem iPhone gedrehten Film, so sind es in seinem neuen Spielfilm THE FLORIDA PROJECT die Kinder armer Familien, die in den billigen Motels vor den Toren von Disneyworld in Florida leben.

Ironisch spielt der Titel auf das "Florida Project" Walt Disneys an, das später als "Disneyworld" in Orlando realisiert wurde. In den Unterkünften entlang des Highway 192 übernachten heute kaum noch Touristen. Seit der Immobilienkrise 2008 sind die Menschen hier nicht mehr auf die Beine gekommen und die Motels wurden zu einer letzten Station vor dem Leben auf der Strasse. Nur wenige Meter von Disneyworld entfernt zeigt sich die Kehrseite des amerikanischen Traums, die von dessen Glanz nur die knallbunten Farben behalten hat.

Diesmal drehte Baker auf 35mm-Format, doch die häufig verwendete Handkamera lässt den Film wie einen Dokumentarfilm anmuten, der die Sicht der Kinder einnimmt und eine Fortsetzung der "Kleinen Strolche" ("The little Rascals") von Hal Roach sein könnte.

Moonee (gespielt von der erst sechsjährigen Brooklynn Kimberly Prince), Scooty (Christopher Rivera) und Jancey (Valeria Cotto) realisieren die prekären Verhältnisse nicht und machen ihre Umgebung zwischen dem "Magic Castle Motel" und dem "Futureland Inn" zu einem grossen Abenteuerspielplatz. Moonees Mutter Halley (Bria Vinaite) wirkt ausgeflippt und überdreht und versucht dennoch, eine gute Mutter zu sein. Ihren Alltag verbringt sie hauptsächlich damit, die tägliche Miete für ihr Motelzimmer aufzubringen. "Das ist im Grunde nicht weniger als die 1,200 Dollar, die ich für mein Appartement in West-Hollywood monatlich bezahle", meint Regisseur Sean Baker, "Nur bleibt diesen Gestrandeten keine andere Wahl als das Motel."

Unauffällig und pragmatisch geht der Hausmeister Bobby seinen Pflichten nach und nimmt die vielen Streiche der Kinder gelassen hin. Baker konnte für diese Rolle Willem Dafoe gewinnen, einen der renommierten US Schauspieler, dessen Können sich gerade darin zeigt, dass er nicht zu spielen scheint. Ohne weiteres könnte er als einer der Laien durchgehen, die der Regisseur vor Ort angetroffen und ermutigt hat, mitzuwirken. Ein überzeugender schauspielerischer Balanceakt, der Dafoe zuletzt eine Oscar-Nominierung als Bester Nebendarsteller einbrachte. Er verleiht dem Ganzen nicht nur einen professionellen Fokus, er hält auch in seiner Funktion als Hausmeister alles zusammen, was leicht auseinanderzudriften droht. Wenn Streit aufkommt, schreitet er ein und versucht, beide Seiten zu beruhigen. Er hat die schwierige Aufgabe, Geld von Menschen einzutreiben, die kaum zahlen können. Und er muss die wenigen Touristen besänftigen, die sich noch hierher verirren.

Einen Spannungsbogen kennt die Filmerzählung nicht. Als Moonees Mutter gegenüber ihrer Freundin Ashley (Mela Murder) aggressiv wird, nur weil diese ihr die kostenlosen Nahrungsmittel aus dem Diner verweigert, drückt sie damit ihre Verzweiflung aus. Moonee entlarvt schnell die Beschwichtigungen der herbeigerufenen Sozialarbeiter und weiss wie immer einen Ausweg, diesmal vor der Einlieferung in ein Heim. Sie rennt davon, rennt aus dem Bild hinaus und aus dem Film, während das Leben weitergeht in einer Endlosschleife im aussichtslosen Alltag.

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© Verleih

Info:
DARSTELLER

Brooklynn Kimberly Prince
Christopher Rivera
Valeria Cotto
Bria Vinaite
Willem Dafoe
Mela Murder