f liebeSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5.Juli 2018, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein Film, eine Komödie aus Frankreich und Belgien? Fast immer gut gemacht und das kann man auch über diese sagen, die zudem aus einer Hand kommt: Franck Dubosc ist der Drehbuchautor, der seinen Skript verfilmt und dann auch noch die Hauptrolle übernommen hat. Die beiden letzten Funkionen erledigt er am besten.

Jocelyn ( Franck Dubosc), nicht mehr jung und gut älter geworden, ist ein erfolgreicher Unternehmer und erfolgreicher Verführer, ein richtiger Frauenschwarm, gutaussehend und höflich, zudem eben reich. Ist er auch sympathisch? Lernt man ihn in seinem Unternehmen kennen, was ja seine Sekretärin täglich tut, dann findet man ihn nicht mehr so attraktiv, denn er ist ein scharfer Hund, der von anderen jegliches Einsatz für sein Unternehmen erwartet, aber im Gegenzug nichts gibt, schon gar keine Bestätigung. Und wenn man mitbekommt, wie er die Frauen rumkriegt, eine nach der anderen, dann findet man den Mann auch nicht mehr sympathisch. Er ist eitler, verlogener, unaufrichtiger, egozentrischer als die Polizei erlaubt.

Und wir sind in diesem Film nun Zeugen, wie aus dem Ekelpaket ein richtiger Mann, ein richtiger Mensch wird. Und als Zeugen erleben wir diese mentale, ethische und praktische Verwandlung des Jocelyn in vielen Szenen, von denen nicht wenige spontanes herzliches Lachen hervorruft. Oft hat das mit einem Rollstuhl zu tun. Rollstuhl? Da war doch was. Ja, natürlich, aber dieser Film hat nicht den Anspruch, an den großen Erfolg und auch großen Film ZIEMLICH BESTE FREUNDE anzuknüpfen, sondern bringt eine ganz eigene Geschichte, die auch trägt.

Sie beginnt mit einem Todesfall. Die Mutter ist gestorben, teilt ihm Bruder Lucien (Laurent Bateau) per Telefon mit und stört ihn dabei beim feudalen Mahl mit seinem Freund Max (Gérard Darmon). Auch die Beerdigung ist ihm keine Herzensangelegenheit, er kommt zu spät und ist leger gekleidet. Daß sein Bruder die mütterliche Wohnung verkaufen will, führt bei ihm nicht zu gefühlvollen Erinnerungen, als er die Wohnung ein letztes Mal sichtet. Nichts wie weg mit dem Ding. Das sieht er allerdings sofort anders, als die Wohnungstür aufgeht und die neue junge und sehr attraktive Nachbarin erscheint. Was die Franzosen einfach draufhaben, ist solche Situationskomik ins Bild zu bringen. Denn als Julie (Caroline Anglade) eintritt, sitzt er gerade im Rollstuhl seiner Mutter, was sie natürlich nicht anders deuten kann, als daß er an den Rollstuhl gefesselt ist.

Und auch jetzt kommt ein hilfreiches Instrument der Komödie zum Einsatz: die Täuschung. Denn blitzschnell sieht Jocelyn in der Miene der Juli Zugewandtheit und Interesse...und bleibt im Rollstuhl sitzen. Denn er kann nicht anders als Frauen zu verführen, egal auf welchem Weg, also auch, wenn es das pure Mitleid ist, das Julie auf einmal ausströmt, sich als Krankenpflegerin zu erkennen gibt, was die Sache doch einfach machen wird für Jocelyn. Allerdings ist er erst einmal auf die Rolle des Gelähmten im Rollstuhl festgelegt, aber die Eroberung klappt, schon lädt sie ihn in ihre Familie ein.

Und jetzt lacht man laut, weil diese Aktion eine neue Täuschung bringt, die den Zuschauer miteinbezieht. Man sieht am Familientisch Florence (Alexandra Lamy) sitzen – und zwar tatsächlich im Rollstuhl! An ihrem Verhalten wird man bald merken, welch aufgeschlossener, begabter und mutiger Mensch sie ist. Sie lebt in der Welt der Musik, insbesondere der Klassik, spielt leidenschaftlich Tennis und macht, was sie will und sie will viel. Jocelyn ist zwar beleidigt, daß er durch Julie so funktionalisiert wurde, aber die Frau im Rollstuhl interessiert ihn schon. Er kann nicht anders. Florence hingegen ist hin und hergerissen. Natürlich gefällt es ihr, daß er sie nicht als Behinderte wahrnimmt, sondern als Frau, denn er läßt seine ganze Verführungsmaschine anlaufen. Aber letztlich landet er nicht bei ihr. Und Zurückweisung ist er nicht gewohnt, das stachelt ihn erst recht an.

Sein Freund Max macht sich Sorgen um ihn und dringt darauf, daß Jocelyn aus der Nummer mit dem Rollstuhl aussteigt. Doch der weiß nicht, wie er das machen soll, zeigt sich doch deutlich, daß sich Florence genau deshalb mit ihm beschäftigt. Sie nimmt ihn zu allen möglichen Unternehmungen mit, er lernt überhaupt erst ein kulturelles Leben durch sie kennen – und schätzen. Und eine junge Frau, die ihre Behinderung nicht daran hindert, das Leben zu genießen, halt einfach intensiv zu leben.

Doch, das ist faszinierend, wie der sich immer als Sieger verstehende Jocelyn nach und nach merkt, welch inhaltsloses Leben er geführt hat, und wie spannend es mit Florence ist. Aber wie soll es weitergehen? Über solche Versuche, wie im Wallfahrtsort Lourdes, wo aus dem Gelähmten ein Gesunden gemacht werden soll, weshalb er mit Max und Florence hinfährt, auf jeden Fall nicht. Auf der Fahrt mit dabei ist seine Sekretärin Marie (Elsa Zylberstein), die bisher unterschlagen wurde, aber eine wichtige Rolle spielt. Denn am Umgang mit ihr konnte man sehen, welch arroganter ausbeutender Chef dieser Jocelyn ist. Und an der Veränderung in seinem Verhalten ihr gegenüber, was sehr feinsinnig in einer Geburtstagsszene ausgespielt wird, kann man dann erkennen, daß der Mann endlich etwas verstanden hat, daß er sich zu ändern anfängt und nicht aufhört – zumindest nicht, bis er Florence von sich überzeugt, obwohl er gehen kann. Und wie das geschieht, schauen Sie bitte selber.

Übrigens spielt Drehbuchautor und Regisseur seine Rolle des männlichen attraktiven Ekels, der sich zu einem echten, liebenswerten Mann mausert, absolut charmant. Er hält die Distanz zum Klamauk wie die zum oberflächlichem Vorspielen eines Behinderten, er vermag in Mimik, Gestik, überhaupt Körpersprache seine jeweilige Geistes- und Gefühlsverfassung sinnlich wiederzugeben. Ihm steht die hinreißende Alexandra Lamy nicht nach. Nur ist das Interesse des Films auf ihn und seine Wandlung gerichtet. Der Untertitel des Film: ER STEHT. AUF SIE! ist mal richtig witzig.

Foto:
© Verleih

Info:
DARSTELLER
Jocelyn                 Franck DUBOSC
Florence                Alexandra LAMY
Marie                     Elsa ZYLBERSTEIN
Max                       Gérard DARMON
Julie                      Caroline ANGLADE
Lucien                   Laurent BATEAU
Jocelyns Vater     Claude BRASSEUR