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Kategorie: Film & Fernsehen
hwk MackieMesser B1 SWR 8154 AlexanderKluge 1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. September 2018, Teil 12

Hannah Wölfel

Berlin (Weltexpresso) - Der sehenswerte „Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm“ kommt jetzt in die Kinos. Auf zwei Ebenen zeigt der Streifen sowohl den Streit um die Verfilmung der „Dreigroschenoper“ als auch den von Brecht geplanten Kinofilm.

Beleidigte Schauspieler, zickige Diven, ein meuterndes Ensemble und furchtsame Produzenten. Doch unverdrossen bestimmte Bertold Brecht 1928: „So wird es gemacht.“ Wider Erwarten wurde die „Dreigroschenoper“ eins der erfolgreichsten Stücke der Theatergeschichte. „Mackie Messer“ oder „Seeräuberjenny“, die Gesangseinlagen zu den Klängen des Komponisten Kurt Weil, erlangten Kultstatus. Bis zum Verbot durch hwk MackieMesser A1 L1110657 StephanPick 1die Nazis 1933, wurde die Bettleroper in 18 Sprachen übersetzt.

Der Tonfilm hatte seinen kommerziellen Durchbruch und nicht nur Brecht wollte einen Film aus seinem Bühnenwerk machen, sondern auch die deutsche Kulturindustrie. Allerdings hatten die Finanziers völlig andere Interessen als der Künstler. Der wollte sein Stück nicht abfilmen, sondern mit cineastischen Mitteln und wesentlich gesellschaftskritischer ins Kino bringen. Um seine Vorstellungen durchzusetzen, strebte Brecht als „soziologisches Experiment“ einen Gerichtsprozess an, den er verlor.

Diese authentische Geschichte liegt dem Streifen des Regisseurs und vorzüglichen Brechtkenners Joachim A. Lang zugrunde. Zugleich zeigt er auch den damals nie gedrehten „Dreigroschenfilm“ im Sinne Brechts als Film im Film: Laszive Tänze auf und unter einer Londoner Brücke, zu denen „erst kommt das Fressen, dann die Moral“ gesungen wird. Bald folgt Macheath (Tobias Moretti) auf der Straße dem „entzückenden Hintern“ Pollys (Hannah Herzsprung), den er - so wörtlich - heiraten will.

„Stopp! Stopp! Stopp!“, schreit es manchmal aus dem Off, dann fährt die Kamera zurück und man sieht Brecht (Lars Eidinger) mit den Geldgebern streiten. Die fordern die Erwartungen des Publikums zu befriedigen, der Streifen dürfe nicht vom Original abweichen. Außerdem könne „Pollys Hintern“ oder die „Zuhälterballade“ der Zensur missfallen. Doch Brecht verteidigt hartnäckig seine Ideen: „Warum keinem Hintern folgen, die Kunst folgt doch der Wirklichkeit!“

Trotz der häufigen Unterbrechungen zeigt der „Dreigroschenfilm“ mit sämtlichen Songs den von Brecht geplanten Streifen: Der Bettlerfabrikant Peachum (Joachim Król) will gnadenlos die längst vollzogene Ehe seiner Tochter mit dem Verbrecher Macheath verhindern. Dazu setzt er auch den mit dem Gangster befreundeten Polizeichef Tiger Brown (Christian Redl) unter Druck. Zur Krönung der Königin will Peachum mit Tausenden von elenden Bettlern die Straßen Londons überschwemmen. Brown knickt ein, lässt Macheath festnehmen, doch bevor der gehängt wird, begnadigt ihn die neue Königin...

Natürlich empfand Brecht das Kino, ebenso wie das Theater, als Ort der Illusionen, die er mit den Mitteln des epischen Theaters zersetzen wollte. In seinem, nun von Lang realisierten „Dreigroschenfilm“ sind Kulissen und Licht, vor allem aber die Figuren bewusst extrem unwirklich; die Frauen ähneln Rainer Werner Fassbinders Schauspielerinnen. In ihrer verfremdeten Künstlichkeit sind alle Akteure großartig - besonders Lars Eidinger: Alles was er sagt, wurde so von Brecht geschrieben - und genauso künstlich literarisch redet er. Die Übergänge nehmen dem „Dreigroschenfilm“ immer wieder den Illusionscharakter - ohne nervend zu belehren der vielschichtige Spielfilm unterhält und irritiert zugleich. Die Themen - etwa Erwartungen des Publikums, Literaturverfilmung, Sexismus, soziale Gerechtigkeit - sind hochaktuell. Und tagelang gehen einem die Songs nicht aus dem Kopf und man bedauert, dass Brecht keine Filme drehen konnte.

Fotos:
© Wild Bunch,
Titel:  Alexander Kluge
Text: Stephan Pick

Info:
Da ARTE und SWR den Film mitfinanzierten, wird er auch bald im TV laufen.
„Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm“, D 2017, 130 Minuten, FSK 6 Jahre
Regie Joachim A. Lang mit Lars Eidinger, Tobias Moretti, Hannah Herzsprung, Joachim Król, Max Raabe u.a. Kinostart am 13.9.2018