Drucken
Kategorie: Film & Fernsehen
f copARP2196 1400Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Januar 2019, Teil 16

N.N.

Paris (Weltexpresso) – WAS HAT SIE AN DIESEM FILM GEREIZT?

Ich wollte schon lange eine Buddy-Komödie machen. Aber ich brauchte erst eine Idee, denn ich gebe meinen Geschichten immer einen realistischen Ansatz. Dann war ich vor einiger Zeit bei Dreharbeiten in Los Angeles und lernte zufällig einen französischen Polizeibeamten kennen. Der erzählte mir, dass die französische Kripo ihre Leute in die Botschaften und Konsulate in USA schickt, um die Bewegung französischer Verbrecher auf amerikanischem Terrain zu verfolgen. Einer seiner Kollegen war z.B. nach Miami entsandt worden, um den Drogenschmuggel zwischen Südamerika, Florida, Frankreich und den Französischen Antillen zu beobachten. Das fand ich ziemlich spannend, es war ein Thema nach meinem Ge- schmack. Ich begann also zu recherchieren. Ich las, was es darüber an Berichterstattung gab, dadurch erfuhr ich, dass die Routen des Drogenhandels inzwischen über Afrika laufen. Dort funktioniert das Geschäft heute so ähnlich wie früher in den lateinamerikanischen Ländern: wer politische Macht hat, profitiert auch gern vom Drogenbusiness.


IST DIESE GESCHICHTE NICHT ZU KOMPLEX FÜR EINEN STREIFENPOLIZISTEN?

Sie ist bloß ungewohnt für Baaba. Er kommt aus Paris, er ist schlau. Aber sein Revier war das Chinesenviertel des Stadtteils Belleville, da konnte er weitgehend machen, was er wollte. Er jagte Taschendiebe auf der Straße, dazu musste er nicht mal eine Uniform tragen. In Miami, im französischen Konsulat, sind die Verhältnisse völlig anders. Das ist eine Behörde, in der ihm von der Kleiderordnung bis zur Diplomatie alles fremd vorkommt. Als Polizist muss er sich außerdem an die amerikanischen Gesetze gewöhnen, die besagen, dass er weniger Rechte hat als seine US-Kollegen: Baaba leidet sehr darunter, dass er keine Waffe tragen darf.


WAS FÜR EIN POLIZIST IST BAABAS NEUER PARTNER RICARDO?

Ich beschloss, Ricardo zu einem Kubaner zu machen, damit ich ihn in eine ähnliche Situation wir Baaba bringen konnte. Der kulturelle Hintergrund von Baaba und Ricardo ist von größter Bedeutung. Er sorgt dafür, dass sie vergleichbare Reaktionen und Gefühle haben, sobald es um die Familie geht. Beide können sich nicht von zuhause abnabeln, sie stecken noch als Erwachsene in einer komplizierten Beziehung zu ihren Müttern. Für so eine Rolle ist Luis Guzmán die ideale Besetzung. Seine Eltern stammen aus Puerto Rico, er selbst ist aus tiefstem Herzen Amerikaner. Und das wiederum war nötig für die professionelle Seite des Cops Ricardo, denn für den sind Recht und Gesetz unantastbar. Diese Strenge führt in meinem Film oft zur Konfrontation zwischen ihm und Baaba – der Franzose benimmt sich für Ricardo ein bisschen zu großzügig. Das konnte Guzmán alles gut nachvollziehen. Er machte zusätzlich noch etliche Vorschläge, die den absurden Kontrast zwischen Ricardo und Baaba besser hervorhoben. Er wußte, womit er Lacher erzielen würde, aber auch, welche Gemeinsamkeiten wichtig waren.


DER FILM IST EIN BUDDY -MOVIE. STIMMT ES, DASS SIE SICH DAFÜR VON LET- HAL WEAPON (RICHARD DONNER 1987) UND VON DIE FILZLAUS (L‘EMMER- DEUR, ÉDOUARD MOLINA- RO 1973) INSPIRIEREN LIESSEN?

Mein BELLEVILLE COP hat etwas von beiden Filmen, insbesondere, wenn man an die Schauspieler denkt. Lino Ventura und Jacques Brel bringen ein sehr französisches Flair in DIE FILZLAUS, genauso wie Mel Gibson und Danny Glover in LETHAL WEAPON einen typisch amerikanischen Auftritt abliefern. Aber Lino Ventura ist Italiener, und Mel Gibson wuchs in Australien auf. Ich wollte also in BELLEVILLE COP einen Kubaner haben, der die Vereinigten Staaten repräsentiert, und einen Schwarzen, der für Frankreich steht. Nur so bringt man die Welt voran. Trotzdem sollte auch das Vergnügen der Zuschauer an den Schauspielern genauso groß sein wie seinerzeit an Brel, Ventura, Gibson oder Glover.


BAABA FÄHRT EINEN RENAULT TWINGO IN MIAMI, EINE AMÜSANTE PATRIOTISCHE GESTE.

Wenn unsere Diplomaten im Ausland sind, müssen sie französische Autos benutzen. Das ist so, damit repräsentieren sie unser Land. Also ist der Twingo in Miami natürlich lustig, entspricht aber der Realität.


IHR FILM BRINGT UNS ZUM LACHEN, ABER ER ZEIGT UNS AUCH BRUTALITÄT.

Wie gesagt, ich habe für diesen Film viel recherchiert. Ich las Berichte von Interpol. Ich sah Fotos von geheimen Start- und Landepisten in Afrika. Daneben lagen kaputte Flugzeuge, denn die Boeings wurden oft nach einem Einsatz schon zerstört. In Afrika wiederholen sich dieselben Muster, die wir aus Zentral- oder Südamerika kennen. Dort wird mittlerweile versucht, den Drogenhandel einzudämmen. In Afrika passiert das nicht, ganz im Gegenteil. Afrika bietet neue Märkte für junge Unternehmer, dort wird das Drogengeschäft von Leuten organisiert, die in den höchsten Kreisen der Macht verkehren. Die traurige Ironie ist: Es gab so einen „Dreieckshandel“ bereits im 18. Jahrhundert, bloß wurden da Sklaven zwischen Europa, Westafrika und Amerika verschoben.
Jetzt erlebt diese Konstellation eine Neuauflage mit Drogen.


SIE DREHEN NICHT ZUM ERSTEN MAL IN DEN USA. WAS GEFÄLLT IHNEN DORT?

Normalerweise ist es ein inhaltlicher Grund, der mich nach Amerika bringt. Ich habe 2014 TWO MEN IN TOWN in den USA gedreht, weil der Film sich mit der Mauer an der mexikanischen Grenze befasste, mit Immigration, auch mit dem Islam in Amerika. Mit diesen Themen habe ich meine persönliche Erfahrung – aber die Erfahrung stammt aus einem anderen Land. Wenn ich solchen Themen in der Fremde nachgehe, wird es für mich spannender: In einer neuen Umgebung führen sie oft ganz woanders hin, als in der Welt, die mir vertraut ist. Ich will auch nicht immer nur in Paris drehen, wo ich geboren bin, das wird zu einförmig. Dieser Film hier beginnt zwar in Paris, aber ich zeige Belleville, also zeige ich Chinesen, Araber, Nordafrikaner. Ich bemühe mich selbst in Frankreich, eine Vielfalt der Kulturen in meine Bilder zu bringen.


WIE KAMEN SIE AUF DIE IDEE, OMAR SY UND LUIS GUZMÁN ZUSAMMENZUBRINGEN?
I
ch wollte für das Buddy-Duo zwei Männer, die völlig unterschiedlich auftreten, an denen man aber trotzdem viele Gemeinsamkeiten findet. Außerdem sind Luis und Omar dazu geschaffen, miteinander zu spielen. Seit TWO MEN IN TOWN war mir klar, dass Luis Guzmán ein großer Komiker sein kann. Omar Sy kannte ich nicht, aber jeder weiß, was er für ein talentierter Witzbold ist. Ich würde ihn gerne mal in einer dramatischen Rolle besetzen, aber mit diesem Projekt hatte ich andere Pläne. Ich wollte den Clash der Kulturen und den Clash von zwei Komödianten. Ich wollte sehen, wie Baaba sich seinen Weg durch das fremde Miami sucht. Ich glaubte daran, dass diese Schauspieler und ich ein paar tolle Ideen umsetzen würden, und genau das ist passiert.


BIYOUNA IST ALS DOMINANTE MUTTER AUCH TREFFEND BESETZT.

Ich wollte unbedingt Biyouna für diese Rolle! Sie ist einfach perfekt als eine dieser Mütter, die ständig im Leben ihrer Kinder mitmischen. Hier spielt sie eine Frau, die mit ihrem erwachsenen Sohn zusammenwohnt und das auch nicht ändern will. Entsprechend schwer hat es Baabas Freundin Lin, diese Konkurrentin aus dem Feld zu schlagen. Baaba wiederum lässt die Mutter nicht nur in sein Privatleben hinein, sondern auch in seinen Beruf: Sie will mit ihm seine Fälle lösen, sie will für ihn ermitteln. Baaba und sie sind also nicht nur ein Paar als Mutter und Sohn, sondern sie sind auch ein Detektiv-Paar. Eigentlich bekommt man mit BELLEVILLE COP also zwei Buddy-Movies, eins mit Omar und Luis, eins mit Omar und Biyouna.


WIE WAR ES, IN MIAMI ZU DREHEN?

Ich habe schon fünf andere Filme in Amerika gedreht, es war nicht alles neu für mich. Ich weiß, wie wichtig es ist, einen langen Vorlauf für die Vorbereitung zu haben. Es gibt sehr viele Regeln und Vorschriften, die abgewickelt werden müssen, vor allem die Gewerkschaft muss eingebunden werden. Aber ich bin mit diesen Bedingungen mittlerweile vertraut, außerdem sind die Amerikaner immer sehr hilfsbereit.


WIE SIND SIE AN DIE INSZENIERUNG HERANGEGANGEN?

Für die Actionszenen habe ich Storyboards gezeichnet. Aber BELLEVILLE COP war meine erste Komödie, da wollte ich mich nicht gleich in eine strukturelle Zwangsjacke stecken. Also habe ich nur wenig festgelegt, ich plante weder das Tempo des Drehs noch die Menge der Einstellungen pro Szene. Ich wollte lieber spontan aus der Situation heraus entscheiden. Ich ließ den Schauspielern viel Freiraum für ihre Rollen. Ich fand es wichtig, dass sie ihre eigene Dynamik entwickeln konnten, dass sie Spaß miteinander hatten, denn das ist es ja, was von der Leinwand aufs Publikum überspringt. Ich wollte, dass die Zuschauer die Freude spüren, die Omar an seiner Reise nach Miami hatte - dass sie bei ihm bleiben, weil sie sein Vergnügen teilen wollen.


ERZÄHLEN SIE NOCH ETWAS ÜBER DIE MUSIK?

Wir haben afrikanische, kubanische und lateinamerikanische Musik verwendet. Für die Auswahl engagierte ich Éric Neveux, mit dem ich schon oft gearbeitet habe. Einige Monate vor dem Dreh haben wir uns überlegt, was für Musik zu dem Film passen könnte, welche musikalischen Genres da harmonieren. Wir haben viel ausprobiert, bis wir mit dem Resultat wirklich zufrieden waren.

Foto:
© Verleih

Info:
Besetzung
Baaba Keita .......................... OMAR SY
Ricardo...................................LUIS GUZMÁN
Zohra......................................BIYOUNA
Lin ...........................................DIEM NGUYEN
Aboulaye ............................... ISSAKA SAWADOGO

Abdruck aus dem Pressehef