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Kategorie: Film & Fernsehen
f weicheier2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. Februar 2019, Teil 4

N.N. 

München (Weltexpresso) – Wie ist der Film GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER entstanden?

Ich kannte das Projekt schon im 20-seitigen Treatment-Stadium. Silvia Wolkan, unsere Drehbuchautorin, und ich haben ja zusammen an der Münchner Filmhochschule studiert und sind uns in einem Stoffentwicklungsseminar bei Hans-Christian Schmid, Bernd Lange und Michael Gutmann begegnet. Ich erinnere mich noch, dass ich Silvias Stoff als erstes gelesen und mich Seite um Seite mehr und mehr in diese Figuren verliebt habe. Es war so extrem, dass ich darüber sogar meinen eigenen Stoff vernachlässigt habe. Stattdessen habe ich nur überlegt, wie komme ich an Silvia heran und wie überzeuge ich sie davon, mir diesen Stoff zu überlassen.


Trotzdem hat es fast acht Jahre bis zur Umsetzung gedauert. Warum?

Das hatte auch damit zu tun, dass ich zunächst mein eigenes Drehbuch vorangetrieben habe. Dieses wurde schließlich „Die Reise mit Vater“, mein Regiedebüt bei einem Langspielfilm. Bereits damals hatte ich mir fest vorgenommen, GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER mit genauso viel Leidenschaft und genauso viel Liebe zu realisieren wie ich mich in „Die Reise mit Vater“ gestürzt hatte.


Tragik und Komik liegen in GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER eng beieinander. Was ist das Faszinierende an dieser Gratwanderung?

Eine gute Tragikomödie, bei der ich sowohl lachen als auch weinen kann, ist für mich tatsächlich die absolute Königsklasse. Komödien empfinde ich oftmals als flach, sie driften ganz schnell in Richtung Klamauk ab. Ich selbst verehre Alexander Payne. Wenn sich zum Beispiel in „About Schmidt“ ein Jack Nicholson in seinem Wohnwagen an eine Vierzigjährige ranmacht, dann ist das tragisch und komisch zugleich. Einer meiner Lieblingsfilme ist „Sideways“, in dem die Protagonisten so unfassbar glorreich scheitern. Gleichzeitig fühlt sich das aber auch sehr authentisch an. Denn wenn wir mal unser eigenes Leben betrachten, dann steckt doch auch dieses voller absurder Momente.


Und was sehen Sie außerdem selbst gerne im Kino?

Am liebsten zahle ich sieben, acht Euro für ein Ticket, um emotional so richtig durchgeschüttelt zu werden. Ich kann bis heute noch den Moment beschreiben, als ich das Kino nach Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ verlassen habe. Damals hatte ich in der ersten Hälfte des Films wegen dieses liebenswerten Chaoten Bauchschmerzen vor Lachen. Und in der zweiten habe ich wirklich durchgeweint wie ich ihm bei dem Versuch zugeschaut habe, seinem Jungen das Leben im KZ erträglich zu machen.


Der von Martin Wuttke gespielte Stefan Gabriel ist ja eine ähnliche Figur, eine Art moderner Don Quijote, der mit eigenwilligen, ja fast absurden Mitteln sein Dasein zu meistern versucht.

Martin Wuttke ist für mich ein intellektueller Mensch mit einer immensen Spielfreude. Aber er muss sich sicher sein, dass er weiß, was er da spielt. Und dieser Stefan ist jemand, der vom Schicksal weiß Gott nicht besonders nett behandelt worden ist. Seine Frau ist offensichtlich bei einem Unfall gestorben, und jetzt steht auch noch seine ältere Tochter kurz davor, ihn auch zu verlassen. Wie soll man damit umgehen? Entweder man knallt durch und verfällt in Depressionen oder man macht es wie Stefan: Er stellt sich dieser Herkules-Aufgabe mit einer irrsinnig großen, fast schon beneidenswerten Naivität.


Es fällt auf, dass Sie in GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER sehr offensiv mit dem Tabu-Thema Tod umgehen, und diesem mit viel Humor die mögliche Schwere nehmen.

Auch hier hat unsere Autorin Silvia Wolkan etwas Großartiges geleistet. Sie hat aus Sabrina, der Figur der älteren Schwester, die ja theoretisch in Selbstmitleid versinken und sich nur als Opfer sehen könnte, genau das Gegenteil gemacht: eine ganz liebeswütige, das Leben bejahende und mit sehr viel Humor und Ironie ihrem eigenen Schicksal trotzen wollende Figur, die man einfach nur bewundern kann.


Und dann frönt Sabrina auch noch einem seltsamen Hobby: Sie zieht sich reihenweise Horrorfilme rein, in denen Menschen niedergemetzelt oder aufgefressen werden.

Ich liebe es, in absurden Situationen noch eine Schippe draufzulegen. Denn häufig sind die Momente nie glatt, nie einfach nur schön oder einfach nur schrecklich, sondern ganz oft irgendwie völlig absurd. Und wenn es einem richtig schlecht geht und man schon am Boden liegt, dann kommt irgendwo eine absurde Szene daher, über die man einfach nur noch lachen könnte.


Sie arbeiten in GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER sehr viel mit Slow Motion, vor allem, wenn es um die Figur der Jessica geht. Was wollten Sie damit bewirken?

Wir wollten aus unserem Film auf keinen Fall ein Sozialdrama machen, sondern das Ziel war es, die Poesie in den Bildern zu finden. Mein Kameramann Christian Stangassinger, mit dem ich bisher alle meine Projekte realisiert habe, und ich hatten bei „Die Reise mit Vater“ etwas sehr naturalistisches vor, während der Kurzfilm „Silent River“ Purismus pur ist. Bei GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER haben wir uns viele Gedanken darüber gemacht, wie man das Innenleben dieses Mädchens in Bilder übersetzen kann, ohne dabei platt zu wirken. Und Slow Motion und auch immer wieder schrägere Einstellungen bzw. fast ver-rückte, im Sinne von nicht ganz geraden Kadrierungen erschienen uns als das rechte Mittel, um dieses ganz besondere Mädchen und sein Seelenleben nach außen für den Zuschauer erkennbar und erspürbar zu machen.


Apropos ganz besonderes Mädchen: Man muss den Hut ziehen vor der schauspielerischen Leistung von Ella Frey in der Rolle der Jessica.

Sie IST tatsächlich der Film: Wie sie sich allem einfach hingibt, wie sie kuckt und sich verlieben kann, wie sie sich demütigen und zusammenschlagen lassen kann, wie sie sich dann wieder zusammenreißt und neuen Lebensmut schöpft und sich nie unterkriegen lässt! Das ist in einer Art und Weise so rührend und emotional zugleich, dass sich selbst eine Koryphäe wie Martin Wuttke am Abschlussabend vor ihr verneigt und ihr gedankt hat, wie sehr sie sich völlig selbstverständlich dem hat hingeben können.


Nach „Die Reise mit Vater“ absolvieren Sie auch in GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER einen Kurzauftritt, dieses Mal als Ärztin. Wie kam es dazu?

Meine Familie, allen voran meine Mutter, hatte für mich immer im Sinn, dass ich Medizin studiere. Deshalb dachte ich mir, wenn ich schon nicht im wahren Leben Ärztin geworden bin, dann widme ich ihr jetzt diese Szene im Film. Ich trage übrigens auch ihren Namen und spreche mit einem latent osteuropäischen Akzent. Denn in der deutschen Provinz haben Mediziner häufig einen ukrainischen, rumänischen oder bulgarischen Hintergrund.


Sie haben an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film studiert. Was hat Ihnen das speziell für GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER gebracht?

Für mich war die HFF ganz eindeutig die Schmiede, in der ich all meine Träume, Leidenschaften und zum Teil noch sehr unbeholfenen Visionen besser formulieren lernen konnte. Sie hat mir beigebracht, diese zu schleifen und mich gelehrt, immer wieder und immer wieder zu hinterfragen, was ich eigentlich erzählen will. Letztendlich hat die HFF mich über die vielen Jahre, in denen ich immer wieder Vorlesungen besucht habe, zu der Regiepersönlichkeit geschliffen, zu der ich geworden bin. Und GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER ist eindeutig nur entstanden, weil ich in einem Stoffentwicklungsseminar Silvia Wolkan getroffen und mich so sehr in diesen Stoff verliebt habe.


Und Wolkans Drehbuch ist ja nicht der einzige HFF-Synergieeffekt bei diesem Projekt.

Richtig. GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER sieht nur deswegen so aus, weil ich Christian Stangassinger relativ früh kennengelernt habe und wir uns gemeinsam an verschiedensten Projekten beteiligen konnten. Und das Projekt hat mich deshalb mit den Produzenten Tobias Walker und Philipp Worm zusammengebracht, weil wir uns über die Filmhochschule kannten. Fazit: An der HFF macht man auf der einen Seite einen der gnadenlosesten, ehrlichsten und auch definitiv schmerzhaftesten Prozesse durch, gleichzeitig ist sie aber auch eine der schönsten, zusammenführendsten und kreativsten Schmieden.


Eine abschließende Frage: Für wen haben Sie GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER realisiert?

Diese Frage wäre vor zehn Jahren um ein Vielfaches leichter zu beantworten gewesen. Damals hat sich das Publikum noch beinahe wie selbstverständlich für schöne, fein erzählte, lustig-tragische Geschichten, die eben nicht ganz klar in irgendeine Schublade gepasst haben, interessiert. Mir ist völlig bewusst, dass der Markt gerade in jüngster Vergangenheit immer härter geworden ist. Aber GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER besitzt ein sehr universelles Thema und erzählt eine Familiengeschichte, mit der sich viele Menschen identifizieren können. Es ist ein Film über Hoffen und Bangen und Lieben und Scheitern. Ein Film, der das Leben in all seinen Facetten feiert.

Foto:
© Verleih

Info:
BESETZUNG
Jessica Gabriel   ELLA FREY
Stefan Gabriel     MARTIN WUTTKE
Sabrina Gabriel   EMILIA BERNSDORF
Dr. Wolfgang Teuter CHRISTIAN FRIEDEL
Melanie Kranz          TINA RULAND
Horst Kranz              STEPHAN GROSSMANN
Renate Gems           SOPHIE ROIS
u.v.a.

Abdruck aus dem Presseheft