Ailos ReiseSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. Februar 2019, Teil 2

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt (Weltexpresso) - Das kleine Rentier Ailo wird etwas zu früh geboren. Deshalb muss seine Mutter die Herde verlassen, die im April in Lappland von den Gipfeln in die Täler zieht. Im Gegensatz zu anderen zu früh geborenen Kälbern, nimmt sie allerdings ihr Junges an und versucht mit ihm zusammen zur Herde zurückzukehren.

Auf der Wanderung zu den Sommerweiden lernt Ailo sowohl die anderen Rentiere der Herde kennen als auch die ersten Feinde, die einem so kleinen Rentier gefährlich werden können.

Später auf den Sommerweiden und auf dem Rückweg im Herbst und Winter zu den höher gelegenen Winterweiden wächst Ailo an der Seite seiner Mutter zu einem gesunden Jährling heran. Er muss allerdings auch lernen, welche Tiere ihm nicht gefährlich werden und vor welchen Tieren er sich in Acht nehmen muss. So trifft er z.B. auf Polarfüchse, Lemminge, Adler, Wölfe, Bären, Eichhörnchen, Hermeline und Vielfraße. Feinde sind vor allem Wölfe, Vielfraße und große Raubvögel.

Als der Herbst einsetzt macht sich die Herde wieder auf den Weg zu den Winterweiden auf den Gipfeln, da dort trotz der Schneestürme und den Temperaturen bis zu minus 40 Grad der Wind den Schnee wegweht und die Rentiere so an die nahrhaften und überlebenswichtigen Flechten kommen können, von denen sie sich im Winter hauptsächlich ernähren. Ailos Mutter ist wieder schwanger und wird im Frühjahr ein neues Kalb zur Welt bringen. Jetzt muss Ailo lernen, allein in der Herde zu Recht zu kommen...


Das Filmteam verfolgt in "Ailos Reise" ein neu geborenes Rentier und seine wild lebende Herde über ein Jahr von den Winterweiden zu den Sommerweiden mehrere hundert Kilometer weiter westlich und wieder zurück im finnischen und norwegischen Teil Lapplands. Der Film nimmt dabei Ailo als ein Beispiel für die Lebensweise und Gefahren, denen ein frei lebendes junges Rentier ausgesetzt ist.

"Ailos Reise" ist dabei keine klassische Dokumentation, denn der französische Regisseur Guillaume Maidatchevsky möchte in dem Film auch eine Geschichte erzählen. Dazu wurden dann die Film-Sequenzen entsprechend zusammen gestellt. Beispielsweise wird Ailo in einer langen Sequenz von drei Wölfen verfolgt (und nicht erwischt). Diese Szenen wurden zwar ineinander geschnitten, aber zu verschiedenen Zeiten gedreht. Dies macht die Naturdokumentation einem jüngeren Publikum, das wohl als Hauptzielgruppe gedacht ist, leichter zugänglich.

Passend dazu ist auch der aus dem Off gesprochene Text von Anke Engelke. Sie erzählt ruhig die spannenden und auch weniger gefährlichen kleinen Geschichten rund um Ailo. Dabei wurde im Film darauf geachtet, dass es eigentlich nur Szenen gibt, in denen ein Tier zwar verfolgt aber nicht vor der Kamera getötet wird (auch Ailos Geburt wurde im Film nicht gezeigt). Allerdings weist die Erzählerin sehr wohl darauf hin, dass die Raubtiere auch leben müssen und dass das Töten von Beutetieren eine Notwendigkeit ist, was zum Leben in der Wildnis dazu gehört.

Neben Ailos Aufwachsen in der Rentierherde zeigt die Dokumentation auch einige der anderen Tiere, die im gleichen Habitat leben. Dabei sind einige der Szenen ausgesprochen witzig, z.B. der hyperaktive Hermelin, das Eichhörnchen, das die Reste seines Kiefernzapfens auf den Polarfuchs herunter regen lässt oder der männliche Polarfuchs, der auf der Suche nach einem Weibchen das Pech hat auf eine Mutter mit Jungen zu stoßen. Auch die Begegnung des kleinen Ailo mit einem noch kleineren Hasen verläuft höchst amüsant.

Bei allen gezeigten Tieren wurde immer darauf hingewiesen, ob sie für Rentiere gefährlich werden können. Ein Polarfuchs ist höchstens für ein neugeborenes Kalb gefährlich, ein Wolfsfamilie und ein Vielfraß sind möglicherweise auch für erwachsene Tiere eine Gefahr. Neben dem Wolfsrudel wurde deshalb auch der Vielfraß, eine mit bis zu einem Meter größte Marderart, ausführlicher behandelt. Im Film wird das Tier auch als "Phantom der Taiga" bezeichnet, der englische Namen ist übrigens Wolverine. Aber auch hier wurde im Film zwar deutlich gemacht, dass der große Marder ein Rentier erwischt hat, aber wie er es getötet hat, wird ausgelassen. Allerdings wurde nichts dazu gesagt, dass der Vielfraß im Sommer ein ganz anderes Jagdverhalten hat als im Winter. Denn dann ist er vor allem ein Aasfresser, der aber auch Vogeleier, Baumtriebe und Beeren nicht verschmäht. Der Marder reißt nur sehr selten junge Rentiere oder Elchkälber und erwachsenen Tiere nur, wenn sie verletzt sind oder - wie im Film - in einem Pferch gehalten werden (diese Rentiere hatten deutlich sichtbare Ohrmarken).

"Ailos Reise" ist trotzdem eine spannende und kindgerecht erzählte Geschichte über das erste Lebensjahr eines wild lebenden Rentiers. Der Film ist optisch beeindruckend. Er lässt auch - wenn auch vor allem im Hintergrund oder aus dem Off - unangenehme Szenen wie das Töten von Tieren nicht aus, gleichzeitig ist er auch immer wieder ausgesprochen lustig. Trotz der teilweise märchenhaften Note werden die Tiere nicht allzu sehr vermenschlicht, sondern die Dokumentation liefert viele sachliche Informationen zur Lebensweise der wild lebenden Rentiere, den anderen Tieren in ihrer Umgebung und über ihre Feinde. Auch die menschlichen Eingriffe in ihren gefährdeten Lebensraum werden nicht ausgelassen, wenn z.B. eine große Abholzmaschine die Rentiere plötzlich aufschreckt.

Ailos Reise“ macht das Leben der Tiere im hohen Norden nicht nur für die Zielgruppe der jüngeren Zuschauer umfassend erlebbar. Da der Film aber auch viele sachliche Informationen zur Lebensweise der wild lebenden Rentiere liefert, wird er sicher auch den Erwachsenen - trotz der manchmal vermenschlichenden Kommentare - Spaß machen. Deshalb ist er für alle Altersklassen unbedingt sehenswert.

Foto: Ailo ist fast 1 Jahr alt © Ascot Elite Entertainment

Info:
Ailos Reise (Frankreich, Finnland, Norwegen 2018)
Originaltitel: Ailo: Une Odyssée En Laponie
Genre: Tierdokumentation, Familienfilm
Filmlänge: 86 Minuten
Regie und Drehbuch: Guillaume Maidatchevsky
Deutsche Sprecherin: Anke Engelke
Verleih: NFP marketing & distribution / Ascot Elite Entertainment
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 14.02.2019