hwk chinw...und wenigstens ein Chinese im Berlinale-Wettbewerb (Tagebuch 8)

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Überraschend scheint schon wieder die Sonne. Meinen Arbeitsplatz wähle ich direkt in einer Sitzecke im Freien vor dem edlen Grand-Hyatt-Hotel. Das Personal ist großzügig, man muss dort nicht unbedingt einen teuren Kaffee trinken. Trotz des laufenden Hotelbetriebs ist das unser Pressezentrum. Hier gibt es kostenlose Journalisten-Tickets für alle Berlinale-Filme, die nicht in Pressevorführungen gezeigt werden. Außerdem finden dort die Pressekonferenzen statt.

Heute war die Konferenz voll mit jungen chinesischen Presseleuten: Im Festspielhaus lief „Di Jiu Tian Chang“, der einzig übrig gebliebene Wettbewerbsfilm aus dem Reich der Mitte. Ein junger chinesischer Regisseur durfte seinen Film nicht zur Berlinale einreichen, der angekündigte Festival-Beitrag von Zhang Yimou war angeblich nicht mit der „Postproduktion“ fertig geworden. Das sind die gängigen Ausreden, wenn im letzten Moment die chinesische Zensur zuschlägt.

Das cineastische Werk also, das wir Presseleute heute früh im Berlinale-Palast sehen konnten (am Vormittag darf die Presse, nachmittags und abends kommen die Premierengäste) war die lange, sehr berührende Familiensaga einer chinesischen Familie über einen Zeitraum von 30 Jahren. Der Streifen begeisterte viele Kolleginnen und Kollegen, die ihn als Gewinner des Goldenen Bären sehen. Natürlich wurde der Regisseur auch über seine Kollegen befragt, aber der hatte von deren Problemen erst im Flugzeug erfahren.

Die Werke chinesischer Filmemacher spielen seit Jahren eine große Rolle auf dem Festival und bekamen schon häufig „bärige“ Auszeichnungen. Sie sind spannend, weil sie alle cineastischen Mittel des Weltkinos nutzen, und zugleich, ungeachtet lokaler Unterschiede, die großen Filmthemen wie Verlust, Liebe, Verrat oder Hoffnung universell und zugleich asiatisch auf die Leinwand bringen.

Apropos Weltkino: Am kommenden Sonntag kann man im neuen hessischen „Tatort“ Ulrich Tukur sehen, der in einer mörderischen Zeitschleife feststeckt: 25 Jahre nach dem Erscheinen des Films „Täglich grüßt das Murmeltier“.

Ein bereits preisgekrönter „Tatort“, den man sehen sollte, wenn man schon nicht zur Berlinale kann.

Foto:
Einige Teammitglieder des chinesischen Films „Di Jiu Tian Chang“ © Hanswerner Kruse