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Kategorie: Film & Fernsehen

Das LICHTER Filmfest Frankfurt International vom 19. bis 24. März 2013, Teil 13

 

Helga Faber und Hans Wiedemann

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zehn Uhr am Freitagabend ist ja nur für manche die gängige Kinozeit. Die waren aber alle gekommen, um im Metropolis in Saal 12 sich die elf Kurzfilme anzuschauen, die zusammen mit den neun Kurzfilmen vom Samstag, ROLLE II, um den Besten Kurzfilm buhlen. Ach, wenn es doch endlich losginge, war allerdings erst einmal die vorrangige Frage.

 

 

Daß es mit Filmverwechslungen losging und mit Mikrophonausfall endete, das allerdings haut hier keinen vom Hocker, denn das Nette an diesem Festival ist, daß es weder perfekt gestylt, noch hektisch abläuft, noch so etwas übertrieben Wichtiges verbreitet, sondern nur eines garantiert: Qualität. Natürlich was die bei den gezeigten elf Filmen durchaus unterschiedlich. Aber, so fragt sich der Zuschauer bald, nach welchen Kriterien beurteile ich Kurzfilme. Letzten Endes nach den gleichen wie für abendfüllende Spielfilme, wie für Langfilme. Kurzfilme – von 1: 15 bis 16:27 Minuten - allerdings müssen noch schneller auf das Wesentliche kommen und eine Existenzberechtigung dadurch nachweisen, daß man sie überhaupt anschauen will und dabei bleibt.



Da hat es, was die Motivationsfrage des Zuschauers angeht, für uns überhaupt keinen Ausfall gegeben. Es ist eher so, daß man staunend feststellt, was es alles auf der Welt gibt und was jungen Filmemachern dazu einfällt. ES WAR EINMAL (Zanete Kern) und NOBODY KNOWS (Eva Münnich) hat uns überfallen, weil SCHWEIN GEHABT (Nikolaus Biegel) angesagt war. Da ging es also gleich zur Sache mit psychedelischer Musik und Werwölfen, wobei doch eben die Schöne mit der elegischen Mundharmonika ein Mensch war, jetzt aber die Werwölfe animiert sind. Kunterbunt durcheinander mischt sich die Technik wie der Sinn und die Schweine sind dann doch dabei, obwohl die erst in der nächsten Runde kommen und hier auch unglaublich groß und tätowiert sind.

Das echte Schwein ist dann erst recht ein unechtes. Es sind sogar gleich zwei am Anfang, die mit sich aufstauender Wut dem Metzger zuschauen, der eines der ihren in einer Zerkleinerungsanlage, ja was denn, ja, genau, kleinmacht. Pfiffig gezeichnet, wie sie da oben wie die Schinken hängen und sich so in Sicherheit brachten. Das Schicksal ist mit ihnen und darum muß der Feind daran glauben. Hat er Ihnen geschmeckt, möchte man die Zuschauer fragen.



Fährt man nun nicht in der gezeigten Reihenfolge fort, sondern daran, welche Filme sich besonders in Erinnerung gehalten haben, sind es sofort drei: MUTTER NATUR (André Kirchner), BEIGE (Sylvie Hohlbaum) und EINMAL OSTSEE UND ZURÜCK (Valentin Oellers). Das ist gleichzeitig etwas unfair. Denn diese drei sind die längsten Filme, haben also sehr viel mehr Aufmerksamkeit erhalten, als die anderen, schon deshalb, weil sie alle drei Geschichten erzählen, die man als Zuschauer zu verstehen versucht und tatsächlich ist es der uneinsichtigste, der ob seiner kruden Handlung besonders in einen eindringt.



Zuerst der verständlichste, eine Hommage an das Alter und alle, die Beige tragen. Das ist wirklich ein Phänomen und bei meiner Mutter war es genauso, daß sie auf einmal auf Beige, aber auch so ein gedecktes Grün und herbstliches Rot verfiel, was sie selbst als „Annemarie Rilke“ bezeichnete. Also, im Alter passiert was und Sylvie Hohlbaum stellt das filmisch sicher als eine Entfärbung des Lebens dar, schließlich ist auch meistens das Haar ergraut oder weiß geworden. Deshalb müsse man dringend einen Lippenstift dazu tragen, meint eine schicke Verkäuferin – und meint die Damen, haha. Rundherum ein gelungener Film. Auch die Ostsee haben wir dann gesehen. Aber wie war das mit dem 'zurück?'. In diesem Roadmovie, der im Jahr 1982 spielt, kommt Martin von einer Weltreise zurück und findet sich zwischen Aufgenommen und Abgeschoben bei seinem Bruder und dessen Freundin Klara ein. Konkurrenz? Die ist bei Brüdern immer, aber nicht jeder ballert mit der Pistole.

Eine Groteske erwartet uns im Wald bei MUTTER NATUR, die hier wie in der Antike personifiziert vor uns als korpulente alte Frau im fahrbaren Rollstuhl mit allem aufgeschnürt, was sie braucht, wie im Eigenheim, erscheint und alles verschlingt, was ihr gerade nicht paßt. „Was“, das sind Menschen, die als Leichen zurückbleiben, denn der Wald verarbeitet alles, selbst Plastik, erst recht Menschenfleisch. Aber so weit kommt es nicht, es bleibt bei den Leichen. Daß der schöne deutsche Wald unheimlich sein kann, ist nicht erst seit Rotkäppchen bekannt. Mit vielen Metaphern verfolgen wir die Verfolgung und finden die Bilder, die dafür gefunden werden, stark. Manches ist pittoresk, und als Bilderfindung sicher ganz neu, dieses Pärchen, wo er auf ihren Schultern sitzt, und im kleinbürgerlichen Glück sozusagen „aufeinanderhocken“. Wirklich stark.

Schnell noch MISGUIDED (Lukas Rinker), wo man als Frau endlich erfährt, wie Männer, hier Knut und Wolle, über Frauen und wie man sich ihnen annähert und diese Annäherung interpretiert, erfährt. War aber wohl doch anders gemeint, meine Herren, besser: meine Jungen. IKI – BIS BALD (Florian Maubach) geht blitzschnell per Trickfilm von hier bis nach Litauen, ehe wir ihm gute Reise gewünscht haben, ist alles schon vorbei. AM ENDE VOR DEM ANFANG (Matthias Winckelmann) läßt uns viel mehr Zeit, dafür geraten wir aber mit der Zeit durcheinander, denn diese surreale Collage erzählt keine lineare Geschichte, sondern fordert von uns Phantasie, mit den ungewöhnlichen Bildern umzugehen.



ECHO (Merlin Flügel) ist wieder ein gezeichneter Film und das hat schon was, wenn Häuser sich auf den Weg machen, sogar schwimmen können und die Wirklichkeit irrelevant wird, weil eine neue sie ersetzt. Bleibt noch GRIE SOSS (Margarete Rabow), deren Zeit Ende April und im Mai hier in Frankfurt als Nationalspeise gekommen ist, die man aber zu allen Zeiten verzehrt, aber nur dann, wenn sie klassisch ist, wie hier: Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpernelle, Sauerampfer und Schnittlauch. Und ja keinen Dill und das weiß Margarete Rabow in ihrer Hommage ganz genau!

 

Foto: K.Sobel

www.lichter-filmfest.de