ChristoSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. April 2019, Teil 5

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - "The Floating Piers" ist ein Kunstprojekt, das der bulgarische Installationskünstler Christo und sein 2009 verstorbene Frau und Arbeitsgefährtin Jeanne-Claude seit vielen Jahren geplant haben. Nachdem es z.B. in Japan und Argentinien nicht genehmigt worden ist, konnte es 2016 auf dem oberitalienischen See Lago d'Iseo in der Region Lombardei realisiert werden.

Die Idee des Projektes war, dass es den Besuchern die Möglichkeit bieten und das Gefühl geben sollte, über Wasser zu laufen.

Es sollte wie auch die anderen Kunstwerke Christos nicht permanent, sondern nur temporär existieren und zwar genau 16 Tage lang vom 18. Juni bis zum 3. Juli 2016. Danach wurden die Plastikteile recycelt. Auch war der Besuch - wie schon bei den anderen Installationen Christos - für die Besucher kostenfrei.

Nachdem Christo seine Pläne im April 2015 den örtlichen Behörden vorgestellt hatte, wurde es mit 500 Mitarbeitern und freiwilligen Helfern realisiert.

Die Installation verband dabei auf dem Lago d'Iseo durch begehbare Stege die Stadt Sulzano mit dem auf der Insel Monte Isola liegenden Dorf Peschiera Maraglio sowie der kleinen gut 500 Meter südlich liegenden Isola di San Paolo, die übrigens im Privatbesitz der Familie des Waffenherstellers Beretta ist.

Neben einer 2,5 Kilometer langen Wegstrecke auf dem Land entstand auf dem Wasser eine Strecke von drei Kilometern. Die Wasserwege waren 16 Meter breit und bestanden aus 220 000 Polyäthylen-Würfeln, die 30 Zentimeter hoch waren und mit Plastikschrauben miteinander verbunden wurden. Die Kanister wurden dann von Tauchern mit insgesamt 200 Ankern am Boden des Sees befestigt. Anschließend wurden die weißen Stege mit 100.000 Quadratmeter dahlien-gelbem Stoff überzogen. Um das Gefühl vom Gehen auf Wasser zu haben, hatten die Stege keine Geländer.

Da sich die Würfel leicht gegeneinander bewegen konnten, hatten die Besucher das Gefühl als würden sie wirklich über Wasser gehen. Es wurde darauf geachtet, dass die Stege barrierefrei und auch für Rollstühle, Kinderwagen etc. zugänglich waren. Gleichzeitig konnten sich 11.000 Menschen auf den Wegen im Wasser aufhalten. Bei der Planung wurde auch mit einkalkuliert, dass es zu schlechtem Wetter, Gewittern und Stürmen kommen könnte.

Letztendlich wurde das Kunstwerk während der 16 Tage von 1,2 Millionen Besuchern frequentiert, obwohl die Macher und auch die beteiligten Gemeinden nur mit 500 000 Besuchern gerechnet hatten. Der enorme Besucherandrang führte dann vor allem an den Wochenenden auch zu chaotischen Zuständen. Deshalb musste die Besucherzahl auf den Pontons nicht nur tagsüber reguliert werden, sondern die Installation wurde zwischen Mitternacht und sechs Uhr früh wegen Reinigungs- und Reparaturarbeiten geschlossen.

Die Kosten des Projektes beliefen sich auf 15 Millionen US-Dollar. Es wurde von Christo selbst finanziert und durch Verkauf von Originalzeichnungen während der Entstehung refinanziert.

In "Christo - Walking on Water" dokumentiert der bulgarische Regisseur Andrey M. Paounov den Entstehungsprozess und die Realisierung von "Floating Pears". Der Regisseur blickt dabei hinter die Kulissen und verfolgt den intensiven und häufig auch chaotischen Entstehungsprozess dieses riesigen Kunstwerkes.

Dabei ist die Kamera bei den letzten Phasen der Erstellung dabei. Zum besseren Verständnis wurden im Film auch jeweils die Tage bis zur Eröffnung des Projektes eingeblendet. Dadurch ist aus einigen Hundert Stunden Filmaufnahmen eine 100minütige Dokumentation mit einem eindrucksvollen und authentischen Porträt von Christo und den kleinen und großen Unwägbarkeiten des Projektes geworden.

Die Kamera folgt Christo nicht nur zu den Besprechungen mit seinen Mitarbeitern oder dem Kampf mit der italienischen Bürokratie, sondern sie ist auch dabei, wenn er Probleme mit dem Computer oder anderen modernen Medien wie Whiteboard oder einem Micro hat. Auch die Streitigkeiten mit dem Projektleiter - seinem Neffen Vladimir Yavachev - werden nicht ausgespart.


Der Zuschauer bekommt in diesem Film nur einen kleinen Einblick in die Kunstszene und es wird überhaupt nicht über die Bedeutung von Christos Kunstwerke diskutiert. Der Film zeigt vor allem wie der Künstler seine spektakuläre Idee in die Wirklichkeit umsetzen konnte.

Der Film stellt wunderbar dar, welche Schwierigkeiten und Hürden während des Aufbaus aufgetreten sind. Denn es gab nicht nur Probleme mit der unbeweglichen italienischen Bürokratie, sondern es traten auch logistische Komplikationen auf, wenn z.B. durch schlechtes Wetter die Hubschrauber nicht auf den Pontons landen kannten, die die gelbe Folie transportieren und dort absetzen sollten.

Besonders eindringlich sind die Szenen nach der Eröffnung der "Floating Pears". Denn da deutlich mehr Besucher als geplant kommen, treten nicht nur logistische Probleme auf. Die Stege sind nur 20 000 Besuchern gleichzeitig ausgelegt, geplant waren 11 000. Gleichzeitig ist der kleine Ort durch anreisende Busse und Züge hoffnungslos überfüllt. Bereits am zweiten Tag liegen deshalb bei Christo und seinen Leuten die Nerven blank. Er versucht den Zustrom zu stoppen, erhält aber keine Unterstützung der örtlichen Behörden. Erst als er droht, die Installation sofort zu schließen, sind die Behörden bereit zu reagieren und der Besucherstrom wird reguliert.

Der Film zeigt auch sehr eindeutig, wie Christos Geschäftsmodell funktioniert, denn er will natürlich die 15 Millionen Dollar, die die Unternehmung gekostet hat, wieder für weitere Installationen hereinholen. Wie gefragt die großen bis winzigen gerahmten Zeichnungen des Projektes sind, zeigt der Film wunderbar an einem Gespräch von Christo mit einem italienischen Kunstsammler, der auf ein größeres Objekt gehofft hat, der sich aber zuletzt nur noch eine kleine Skizze leisten kann, da die Preise für die großen Objekte inzwischen bei über 1 Million Dollar liegen.

Der Film hat ein eindrucksvolles Ende, indem er zeigt, wie Christo seinen verbeulten Rollkoffer packt und sein Hotelzimmer am Iseosee verlässt. Im Nachgang sieht man den Künstler in der Wüste, wie er im Wind den Sand über eine Miniaturpyramide streichen lässt. Das mag dann vielleicht eine der nächsten Aktionen des 83Jährigen sein.

Inzwischen ist bekannt, dass Christo vom 6. bis 19. April 2020 in Paris den Arc de Triomphe verhüllen wird. Parallel dazu wird das Centre Pompidou in Paris eine Dokumentation über die Verhüllung der Pont-Neuf vor 35 Jahren zeigen.

Insgesamt ist "Christo - Walking on Water" eine spannende und unterhaltsame Dokumentation, die nicht nur kunstbegeisterten Kinobesuchern gefallen wird, denn der Film gibt einen interessanten Einblick, wie Christo ein solches Großprojekt handhabt. Der Film ist deshalb unbedingt sehenswert.

Foto: Die Stege und die Isola di San Paolo © Alamode Filmverleih

Info:
Christo - Walking on Water (Italien, USA 2018)
Genre: Dokumentation
Filmlänge: 100 Minuten
Regie: Andrey M. Paounov
Protagonisten: Christo, Vladimir Yavachev u.a.
Verleih: Alamode Filmverleih
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 11.04.2019