f zitterSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. April 2019, Teil 9

Mark Schlichter

Berlin (Weltexpresso) - Erste Begegnung mit Alfons: Als ich vor vielen Jahren meinen damals fünf und sieben Jahre alten Söhnen die Geschichten des liebenswerten Pechvogels Alfons Zitterbacke zum Einschlafen vorgelesen habe, war ich überrascht, dass sie über manchen Unsinn, den der kleine Alfons anstellte, einfach nicht mehr aufhören konnten zu lachen. Ich begriff, dass sie es mochten, weil da jemand war, der offenbar noch mehr Quatsch machte, als sie selber.

Jemand, der dabei aber auch dieselben Probleme hatte wie sie: ein Junge, der manchmal Angst hat, aber mutig sein und z.B. von einem viel zu hohen Sprungturm springen muss, wenn alle anderen Kinder zuschauen, die ihn dann nach einem bösen Bauchklatscher auch noch gemein auslachen. Jemand, der sich gut benehmen soll und dann aber fröhlich mit anderen Kindern „betrunken sein“ spielt und dadurch die Erwachsenen schockiert und verärgert. Ein kleiner Junge, der groß und stark sein will, weil ihn sein Vater immer wieder damit ärgert, dass er ja gar keine Muskeln habe. Und Alfons dann sechzig Eier isst, um schnell Muskeln zu bekommen. In vielen Geschichten richtet Alfons ein heilloses Chaos an, weil er etwas besonders gut machen möchte und in seinem Bemühen übertreibt. Fast immer wird er erwischt und ausgeschimpft, auch wenn er unschuldig ist. Dann wird Alfons kurz zu einem wütenden oder traurigen Pechvogel, mit dem Kinder Mitleid haben. Ein kleiner Junge, den sie auch mögen, weil er nach einer Niederlage Sekunden später wieder aufsteht und den nächsten tollen Plan verfolgt.

Je mehr ich mich mit der Figur des Alfons Zitterbacke auseinandersetzte, umso mehr erkannte ich die Ähnlichkeiten zwischen ihm und meinen Jungs. Und dann mit mir selber. Da spielte es keine Rolle, ob die Zuhörer oder Leser oder der Alfons im Osten oder Westen aufwuchsen. Es ging um Alfons’ Charakter, um eine Figur, die sich in einer für ihn starren und verständnislosen Welt durchsetzen will und damit immer wieder aneckt. Damit hat Alfons mich selber berührt und zum Lachen gebracht. Der Autor Gerhard Holtz-Baumert hat eine Figur erschaffen, in der sich viele Kinder wiedererkennen. In ganz Deutschland gibt es keine andere Kinderbuch-Figur, die durch so wilde Phantasie auffällt wie Alfons. Manche der kleinen Geschichten vergisst man, aber den kleinen Alfons vergisst man nie.

Für mich war es von Anfang an klar, dass ich „Alfons Zitterbacke“ nicht historisch, sondern im Hier und Heute erzählen möchte. Die Filme, die den Jungen mit dem für ihn so ärgerlichen Namen in der DDR zeigen, gibt es schon und eine historisierende Neuverfilmung ist für junge Zuschauer von heute meines Erachtens weniger interessant. Alfons muss jemand sein, dessen Probleme und Wünsche die Kinder von heute verstehen und sich damit identifizieren können.

Ich habe alle drei Bücher von Gerhard Holtz-Baumert immer wieder gelesen und überlegt, was mir wirklich als lustig und im Hier und Heute erzählenswert im Gedächtnis blieb bzw. was man ohne Krampf oder großes Verbiegen gut in die heutige Zeit transportieren kann.

Es gibt zeitlose Geschichten, die damals so gut wie heute und vermutlich auch noch in ein paar hundert Jahren funktionieren. Alfons manchmal zu strenger Vater wünscht sich einen artigen Sohn, der sportlichen und gut in der Schule ist. Alles Eigenschaften, die der Vater damals selber auch gar nicht erfüllen konnte. An diesem Punkt haben wir auch eine Idee von Gerhard Holtz-Baumert aus dem dritten Kinderbuch übernommen: der Vater unseres Alfons´ war damals der kleine Alfons aus den ersten zwei Büchern. Der war also bei den jungen Pionieren, hat damals auch sehr, sehr viel Blödsinn gemacht und hatte große Angst vom Sprungturm zu springen. Und das bekommt man auch Stück für Stück heraus. Aber natürlich gibt der Vater das nicht zu und mag es gar nicht, dass nun sein Sohn ebenso andauernd Mist baut und ihn so an sein eigenes chaotisches Verhalten erinnert.

So oder so: unser 11jähriger Alfons möchte natürlich, wie damals sein Vater auch und wie es jedes Kind wünscht, dass seine Eltern stolz auf ihn sind und dass seine Lehrer und Mitschüler ihn auch toll finden. Und da Alfons sehr viel Fantasie hat, klaffen seine Wünsche bzw. Träume und die Realität an ein paar Punkten eben manchmal extrem auseinander.

Das Kämpferische der Alfons-Figur, die seinen Erfolg in der DDR ausmachte, macht uns heute noch genauso Spaß wie damals. Gerade weil wir heute mehr denn je in einer Leistungsgesellschaft leben, die Kindern sehr viel abverlangt. Umso mehr brauchen wir für sie Filme, die Spaß machen und gleichzeitig Mut, Erfindergeist und positive Werte vermitteln, ohne zu pädagogisch zu sein.

„Alfons Zitterbacke“ ist ein sehr bewegter und lustiger, aber auch ein bewegender und warmherziger Film für die ganze Familie geworden, der eine starke Freundschafts- und Vater-Sohn-Geschichte erzählt und mit lustigen Slapstickmomenten, aber auch mit ruhigen und emotionalen Szenen arbeitet.