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Kategorie: Film & Fernsehen
goeast ungarngoEast bis 16. April 2019 in Wiesbaden, aber auch im Filmmuseum Frankfurt,  Teil 7

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Den Enddreißiger Peter Horvath (Csaba Polgár) aus Budapest muß seine alleinerziehende Mutter mit so viel Selbstbewußtsein gefüttert haben, daß er auf der Suche nach seinem verschollenen Vater, als er diesen in den USA als berühmten Forscher entdeckt, sich auf dessen Party einschleicht, ihn anspricht, sich daraufhin von dessen Wachpersonal hinauswerfen läßt, nicht aufgibt, bis er über seinen Halbbruder den Vater in dessen Haus stellt und sich dieser endlich zu erkennen gibt und sich zum Sohn aus Ungarn bekennt.

Aber keine Sorge, dem Film haftet nichts Rührseliges an, sondern ist ein ausgesprochen skurriles, intellektuelles und raffiniertes filmisches Vergnügen, wozu eben auch die vielen Einsprengsel gehören, die uns in andere Welten, eben auch in den Weltraum führen. Mit diesem fängt es an und gleich darauf sitzen besagter Peter und seine Freundin Dora (Diána Kiss) in einem Flugzeug nach New York, wohin Dora beruflich soll. Aber Peter hat etwas ganz anderes vor, was er mit seinem Bruder Zsolt (Adam Fekete) auf Skype dauernd bespricht, der, äußerlich behindert, aber das Gehirn für beide auf der Suche nach dem Vater darstellt und Peter mit Energie und Informationen füttert.

In den Siebziger Jahren war der Vater, ein Wissenschaftler, von einer Konferenz in Schweden nicht nach Ungarn zurückgekommen, Peter war drei,  Zsolt gerade 6 Monate und dann entdeckt dieser in einer Publikation das Gesicht des Vaters, allerdings in makabrem Zusammenhang. Er hat an einem geheimen Forschungsprojekt der USA teilgenommen, das der Weltraumforschung diente, aber in einem Unglück endete, was drei Menschen das Leben kostete. Peter haut also aus New York alleine ab und fährt nach Colorado, wo sich das Forschungsinstitut befand. Wie in einer Schnitzeljagd sucht nun Peter nach dem Vater, schaut endlos Filme und alte Zeitungen durch und findet das Bild des Vaters mit einem anderen Namen: aus Hovarth wurde Hogarth (Eric Peterson).

Wie er den Vater mit sich selbst konfrontiert, haben wir oben geschildert und auch den Besuch bei der neuen Familie des Vaters, die ihn gut aufnimmt. Der Vater erklärt, daß er nicht in das kommunistische Ungarn zurückwollte und eine sehr gute Position in den USA erhielt, nämlich an einer geheimen wichtigen Forschung teilzunehmen, die Stimmen von Aliens analysieren und deuten sollte. Doch daß dabei Gammastrahlen eine Rolle spielten und Menschen als Versuchskaninchen dienten, das findet in Ungarn Zsolt heraus , der den Bruder weitertreibt, den Vater anzuklagen.

Endlich gibt der Vater seine Vertuschungen auf. Dahinter steckt ein übersinnliches Experiment. Denn das Forschungsprojekt sollte ermöglichen, auf Stimmen aus dem Weltraum zu reagieren, die Hogarth „Stimme Gottes“ nennt. Die Geschichte vom sprechenden Weltraum soll einem Werk von Stanisław  Lem folgen, dem phantastischen Polen, der mit seinem Weltraumpersonal, den Aliens, die uns auf der Erde besuchen, unsere Annahmen gehörig aufmischte und die Technikhörigkeit mit subtilem Witz unterwanderte. Doch, das paßt gut, dieser Film, denn sein Hauptereignis ist nicht die Geschichte, sondern die Art und Weise, wie der ungarische Kultregisseur György Pálfi diese erzählt.

Wir sind original bei den amerikanischen Nachrichten dabei, die damals vom Forschungsunglück mit Todesfällen berichteten. Aber diese realistische, wenngleich Fernsehwirklichkeit, erhält eine andere Dimension, wenn auf einmal okkulte Dinge passieren, wir tatsächlich Weltraum imaginieren und eine Atmosphäre von Unheimlichkeit und Zwischenwelten entsteht, die zum Widerspruch mit dem so wirklichkeitsnah auftretenden Peter führen.

Man kann die vielen Einfälle und auch graphischen Schmuckstücke schwer mit Worten wiedergeben, der Film tobt sich in Visualisierungen geradezu aus, was seine Qualität noch steigert. Ein richtiges Vergnügen.

Schade, daß das angekündigte Gespräch mit Regisseur György Pálfi und der Drehbuchautorin nicht stattfand. Gerade bei diesem Film hätte man gerne die Motivation des Regisseurs gehört und welche Vorbilder er bei seinen Collagen auf der Leinwand nutzte.

Foto:
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Info:
https://www.filmfestival-goeast.de/de/