Bildschirmfoto 2019 04 17 um 14.02.49goEast bis 16. April 2019 in Wiesbaden, aber auch im Filmmuseum Frankfurt,  Teil 12

Redaktion

Wiesbaden (Weltexpresso) - Der Abend der Gewinner rundet das goEast 2019, das Festival des mittel- und osteuropäischen Films im schönen roten Caligarikino in Wiesbaden immer wohlfeil ab. Und dieser Abend war in besonderem Maße glückhaft: Weltexpresso hatte über die Siegerfilme sehr positiv berichtet (Link unten), ist also mit den Wahlentscheidungen sehr zufrieden, und in ihrem zweiten Jahr als Festivalchefin führte Heleen Gerritsen so angenehm durch den Abend, wie es selten ist: inhaltsreich, unaufgeregt, zugewandt, souverän.

Wir werden den Abend auch zusätzlich im Ablauf noch einmal kommentieren und auf unsere Wertungen eingehen. Jetzt erst einmal die Angaben vom Veranstalter selbst, der die Juryentscheidungen auch inhaltlich begründet, was wir dankbar weitergeben, um so mehr, als wir uns auf die Filmbesprechungen des Wettbewerbs konzentrierten, aber die anderen Sparten ebenfalls wichtig sind.

ACID (KISLOTA, Russland 2018, Regie: Alexander Gorchilin; Produktion: Sabina Eremeeva) ist der Gewinner des Hauptpreises der 19. Ausgabe von goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films in Wiesbaden – der mit 10.000 Euro dotierten Goldenen Lilie. Die fünfköpfige internationale Jury unter dem Vorsitz von Teona Strugar Mitevska begründete ihre Entscheidung damit, dass der meisterhafte Debütfilm die Energie und die Verzweiflung der Millennial-Generation spürbar mache. „Die Geschichte ist brillant geschrieben und konstruiert. Sie überzeugt von Anfang bis Ende in der Art, wie sie den Charakteren durch das urbane zeitgenössische Setting folgt“, betonte die Jury.


Die Preisverleihung in der Caligari FilmBühne bildete den krönenden Abschluss von goEast. Nach einer Woche voller Kino, Virtual Reality, zahlreichen Diskussionen, Vorträgen und Ausstellungen, bei der 109 Filme gezeigt wurden und mehr als 200 Filmschaffende aus der internationalen Filmbranche zu Gast waren, wurden die Sieger des Wettbewerbs gekürt und Preise im Gesamtwert von 36.000 Euro verliehen.


Adilkhan Yerzhanov gewann mit THE GENTLE INDIFFERENCE OF THE WORLD (LAZKOVOE BEZRAZLICHIE MIRA; Kasachstan, Frankreich 2018) den Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden für die Beste Regie, der mit 7.500 Euro dotiert ist. „Der Film, der in einer Welt voller Absurdität und Gleichgültigkeit spielt, ist ein visuell beeindruckendes und bewegendes Drama über Liebe, die Komplexität der menschlichen Bedingungen und Beziehungen, gewürzt mit einem staubtrockenden Humor. Das ist modernes und klassisches Kino in einem, was die Kraft des Regisseurs als Auteur unterstreicht“, so die Jury. „Auteur“ ist eine Bezeichnung in der Filmtheorie, die den Regisseur als den allumfassenden Autor seiner Verfilmung kennzeichnet. Der Regisseur zeige sein künstlerisches Talent für Details: Einstellungen voller poetischer Schönheit, minimalistische, gleichzeitig stilisierte Innenräume, ruhige aber ausdrucksstarke Gesichter, reiche und farbenfrohe Landschaften, lobte die Jury.


Der Film HOME GAMES (DOMASHNI IGRI, Ukraine, Frankreich, Polen 2018, Regie: Alisa Kovalenko) wurde mit dem Preis des Auswärtigen Amtes für Kulturelle Vielfalt und einem Preisgeld von 4.000 Euro ausgezeichnet. Der Film über eine junge Ukrainerin, die mit Beharrlichkeit und Überzeugung den Traum einer professionellen Fußball-Karriere inmitten ihrer sozial prekären Familiensituation verfolgt, mache Hoffnung, betonte die Jury. „Dieser Film thematisiert die Idee neuer familiärer Strukturen in vielfacher Hinsicht und in verschiedenen Formen.“


Mit einer lobenden Erwähnung bedachte die Jury COLD NOVEMBER (NËNTOR, FTOHTË, Kosovo, Albanien, Nordmazedonien 2018, Regie: Ismet Sijarina) dafür, dass der Film „auf mutige und ehrliche Weise die Geschichte eines nationalen Traumas durch die Augen einer ganz gewöhnlichen Person“ zeige. Der Film thematisiert den Krieg in Jugoslawien 1992 in Prishtina und erzählt vom (Über-)Leben in bösen Zeiten.


Festivalleiterin Heleen Gerritsen freute sich über einen erfolgreichen Jahrgang von goEast: „goEast 2019 wurde erneut von einer unglaublichen Genrevielfalt und von echtem Austausch geprägt: Bei den Filmgesprächen, im Kino, aber auch bei den Parties und bei der interdisziplinären Veranstaltungsreihe ,Paneuropäisches Picknick‘ trafen Filmschaffende und Künstler*innen aus Mittel- und Osteuropa und das Publikum aus Wiesbaden und Umgebung aufeinander. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, das Festival verstärkt in die Stadt hineinzutragen.“


Der Preis der Internationalen Filmkritik FIPRESCI in der Kategorie Spielfilm ging an THE GENTLE INDIFFERENCE OF THE WORLD (LAZKOVOE BEZRAZLICHIE MIRA; Kasachstan, Frankreich 2018, Regie: Adilkhan Yerzhanov) „für ein farbenfrohes Märchen, mit kamera-geleitetem Humor“, wie es in der Jurybegründung hieß. Der Film erzählt die bittersüße Geschichte einer kasachischen Familie als Mafia-Tragikomödie à la Camus.


In der Kategorie Dokumentarfilm gewann STRIP AND WAR (Belarus, Polen 2019, Regie: Andrei Kutsila) den Preis der FIPRESCI. Die Jury zeichnete den Dokumentarfilm über einen Kriegsveteranen und dessen strippenden Enkelsohn aus, der bei goEast seine Weltpremiere feierte, und zwar „für die gelassene Darstellung einer möglichen Koexistenz verschiedener Werte und Generationen“.


Das Künstler-Duo Alexey Furman and Sergiy Polezhaka wurde für AFTERMATH VR: EUROMAIDAN mit dem von der BHF Bank Stiftung für Virtual-Reality-Werke ausgelobten Open Frame Award ausgezeichnet, der mit einem Preisgeld von 5.000 Euro dotiert ist. In dem VR-Projekt schlüpft der Betrachter in die Rolle eines Demonstranten während der Proteste auf dem Maidanplatz in Kiew. Durch die Kombination aus kraftvollem immersivem Storytelling und dem interaktiven Poztenzial von VR mache das Werk den Betrachter zu einem aktiv Handelnden, der in das Geschehen eingreifen könne, erklärte die Jury. „Die VR-Erfahrung hinterlässt einen bleibenden Eindruck und konserviert Erinnerungen mit diesem einzigartigen journalistischen Format, das große gesellschaftliche Relevanz besitzt.“

FORTSETZUNG FOLGT

Foto:
links Festivalleiterin Heleen Gerritsen beim Aufruf für alle Gewinner  und Jurys auf die Bühne zu kommen
© Redaktion

Info:
Besprechung des Siegerfilms ACID
https://weltexpresso.de/index.php/kino/15821-acid

Beste Regie und bester Darsteller in DIE ZÄRTLICHE GLEICHGÜLTIGKEIT DER WELT
https://weltexpresso.de/index.php/kino/15844-die-zaertliche-gleichgueltigkeit-der-welt

goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films wird vom DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum veranstaltet und von zahlreichen Partnern unterstützt. Hauptförderer sind die Landeshauptstadt Wiesbaden, das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, der Kulturfonds Frankfurt RheinMain, ŠKODA AUTO Deutschland, Renovabis, die BHF BANK Stiftung, die Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst und Kulturpflege, das Auswärtige Amt und der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds. Medienpartner sind u.a. 3sat, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Deutschlandfunk Kultur.