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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2019 04 19 um 22.17.47Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. April 2019, Teil 9

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main  (Weltexpresso) – Wenn wir mit Ayka (Samal Yeslyamova) durch Moskau hetzen, dann ihr in ihren Verschlag folgen – tatsächlich in einem großen Haus, vollgestopft mit lauter Kirgisen, mehr Männer als Frauen, lauter Abgrenzungen in den Zimmern durch Decken etc., um wenigstens die Matratze und vielleicht ein kleines Tischchen als privates Refugium , die Polizei dort aufkreuzt, woraufhin sie schnell verschwindet, dann wissen wir, sie lebt heimlich, also ohne Aufenthaltserlaubnis in Moskau wie all die anderen Kirgisen, von denen einige entdeckt, abgeführt und nach Kirgisien zurückgeschickt werden.

Doch, dort gibt es keine Arbeit, deshalb kein Essen, kein Dach über dem Kopf, das man bezahlen kann. Deshalb zieht die russische Hauptstadt all die an, die bereit sind, für viel Arbeit, oft dreckige Arbeit und wenig Geld doch immerhin eine Daseinsberechtigung zu fühlen und sogar bei strenger Lebensführung noch Geld nach Hause schicken zu können, wo die Verwandten darauf hoffen, daß aus dem reichen Moskau für sie etwas übrige bleibt.

Ayka jedoch hat ein ganz besonderes Problem. Sie war schwanger, bekommt in der Klinik ihr Kind, flieht alleine, läßt ihr Baby dort in der Hoffnung, daß es nun ernährt wird und ein besseres Leben hat, als es bei ihr hätte. Ayka ist bereit, jede Arbeit anzunehmen – und sie hat Glück! Ausgerechnet in einer großen, sehr frequentierten Tierarztpraxis – wenn Menschen genug Geld haben, gehen sie mit ihren Tieren auch zum Tierarzt – wo ständig geputzt werden muß, läßt sie diejenige, die für das Reinigen verantwortlich ist, in ihrem Putzabstellraum vorüber unterkommen. Kein Wunder, denn so hat Chinara (Zhipargul Abdilaeva ) jemanden, der sich um ihr kleines Kind kümmert. Das ist krank und muß beaufsichtigt werden, was Ayka tut und zwischendurch noch beim Putzen hilft.

Eine kleine, eigenartige, aber beide befriedigende Idylle. Nur wird das Kleinkind immer kränker, weshalb Chinara nun Ayka bittet, ob sie einige Tage ihren Job, also das Putzen in der Tierarztpraxis alleine erledigen kann. Das macht Ayka gerne, gibt das doch für die mehr Geld, das sie ja sammelt, zum einen für die Familie, aber auch für sich selbst, damit sie doch ihr Kind holen könnte, an das sie viel denkt. Doch bis es so weit sein könnte, wird noch viel Zeit vergehen, denn sie muß erst ihre Schulden abzahlen, die sie einging, als Schlepper sie nach Moskau brachten, in dieser Absteige unterbrachten, die ja Geld kostet, obwohl sie dort friert und immer schnell abhaut, wenn die Gefahr der Entdeckung droht.

Mit Ayka erleben wir ihr gehetztes, gnadenloses Leben, in dem sie sich einrichtet und kleine Schritte wie in der Tierarztpraxis geht. Doch dann...aber da haben wir schon viel Zutrauen zu Ayka gefaßt, die Lebenssituation durchsteht, die man nicht mal aus Kriegszeiten kennt, so hart ist ihr Leben und so gefährdet, abgeschoben zu werden. Eine außerordentlich direkte Darstellung, die Samal Yeslyamova gelingt, schonungslos und voller Kraft in der Verkörperung dieser jungen Frau, die sich nicht unterkriegen läßt, und die die Widerstände wohl erst richtig aufmüpfig machen, sich das alles nicht gefallen zu lassen, eine Darstellung, die in Cannes zum Preis für die bester Schauspielerin führte.

Das nun wieder ist auch für deutsche Zuschauer attraktiv. Wäre gut, wenn diese hier und da ein Kino finden, wo dieser eindrucksvolle Film gezeigt wird.

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