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Kategorie: Film & Fernsehen

SvenTaddickenBothor2016 verschoben 1Serie "DAS SCHÖNSTE PAAR" von Sven Taddicken mit Luise Heyer, Maximilian Brückner, Leonard Kunz, Jasna Fritzi Bauer, Teil 5/8

Elke Eich

Berlin (Weltexpresso) - Sven Taddicken, 1974 in Hamburg geboren und in Oldenburg aufgewachsen, ist das, was man gerne einen Schauspieler-Regisseur nennt. Einer, auf den sich die Darsteller am Set immer sehr freuen, weil spürbar ist, dass mit Taddicken ein Austausch auf Augenhöhe möglich ist.

Nach „Mein Bruder, der Vampir“, „Emmas Glück“, „12 Meter ohne Kopf“ und „Gleißendes Glück“ bringt der hochtalentierte Absolvent der baden-württembergischen Filmakademie und ehemalige Stipendiat der Villa Aurora in Los Angeles mit „Das schönste Paar“ seinen 5. Spielfilm ins Kino.

Banales gehört ebenso wenig zum Repertoire des Filmemachers, der mit seiner Familie in Berlin lebt, wie trockene Stoffe, denen der Humor völlig abgeht. In seinem Debüt-Spielfilm lässt er seinen geistig behinderten Protagonisten und Vampirkostüm-Fan Josch (Roman Knižka) sexuelle Fantasien rund ums „Bumsvögeln“ mit der Freundin des Bruders (Hinnerk Schönemann) ausgiebig artikulieren und inszeniert sogar noch eine private Masturbations-Schulung für ihn. Eine unvergessliche Liebesfilm-Szene kreiert er für die Schweine-Bäuerin Emma (Jördis Triebel), die ihren todgeweihten Geliebten (Jürgen Vogel) auf sehr spezielle Weise von seinem Leiden erlöst.

Beim Dreh zur Störtebeker-Piratenkomödie lässt Taddicken es mit seinen Schauspieler-Kumpels rund um Roland Zehrfeld und Hinnerk Schönemann mal so richtig männerhumorig krachen. Und in „Gleißendes Glück“ zeigt er eine aufgrund ihrer häuslichen Verhältnisse seelisch tief verletze Frau (Martina Gedeck), die einen Bestsellerautor (Ulrich Tukur) mit ihrer verlässlichen Zuneigung von seiner Pornosucht abbringt.


02 DSPMit „Das Schönste Paar“ widmet sich Sven Taddicken einem besonders harten Thema. Liv und Malte, ein junges Lehrer-Paar, wird im Urlaub auf Mallorca nach einem unbeschwerten Tag am Strand von drei 18-jährigen deutschen Männern bis in ihr Ferienhaus verfolgt und dort ausgeraubt. Die Situation entgleist zunehmend und gipfelt nach massiven Demütigungen des Paares schließlich in der Vergewaltigung der Frau durch den Anführer der drei Verfolger. Zwei Jahre nach der Tat sind Liv und Malte wieder in ihrem Leben - beruflich wie privat - gefestigt. Doch da entdeckt Malta eines Abends den Vergewaltiger in weiblicher Begleitung in einem Imbiss und folgt den beiden...

 

DAS INTERVIEW MIT SVEN TADDICKEN 

Herr Taddicken, ich finde, es menschelt immer angenehm in Ihren Filmen, deren Sujets nie banal sind. Jetzt haben Sie ein besonders heftiges Thema aufgegriffen. Was, würden Sie sagen, ist der rote Faden bei ihrer Arbeit?

In meinen Filmen geht es meistens um Beziehungsgeschichten, und zwar häufig um solche mit Schieflage. Bei „Das schönste Paar“ wollte ich erzählen, wie sich ein Paar den Folgen einer Vergewaltigung stellt. Jeder auf seine Weise. Liv, die direkt betroffen ist, geht sehr offensiv damit um, weil sie sich wieder nach einer gesunden Beziehung und einer gesunden Intimität sehnt. Das fand ich stark und berührend.

Was den Mann, also Malte, antreibt, ist so eine Art archaische Grundangst. Unbewusst stellt er sich auch die Frage: Habe ich die Liebe meiner Freundin eigentlich noch verdient, obwohl ich sie nicht beschützen konnte? Dem wollte ich auch einen Raum geben und habe deswegen häufig auch ihn, bzw. seine Sicht als Perspektive gewählt. 06 DSPSpäter wird Liv ihn genau damit konfrontieren und ihn zur Rede stellen, was er eigentlich für ein Problem hat. Sie sagt auch: „Ich wünschte, Du hättest mir nie von der erneuten Begegnung mit ihm (Anmerkung: dem Vergewaltiger) erzählt!

Bei Malte gibt es, wie gesagt, diese Unsicherheit, ob er Livs Liebe noch verdient. Diese Unsicherheit gibt es wohl auch in meinem Film „Mein Bruder, der Vampir“ beim geistig behinderten Josch und in „Emmas Glück“, weil da die beiden Hauptfiguren kauzige und verlorene Charaktere sind. Und in „Gleißendes Glück“ spielt Ulli Tukur diesen Bestseller-Autor, der in einer Obsession heimlich eine "Pornografie-Sucht"-Sammlung mit sich durch sein Leben „schleppt“. Für ihn stellt sich die Frage: „Habe ich eine ehrliche Beziehung verdient, obwohl ich so ein Kauz bin und mich in so etwas reingeritten habe?“

 

Als Autor und Regisseur suchen Sie natürlich besondere und inspirierende Stoffe. Übliche Alltagsbeziehungen im durchgängig harmonischen Format sind da wohl kaum eine Option. Haben sie eine Idee, woher ihr spezielles Interesse an Beziehungen in „Schieflagen“ kommt, die außerhalb der gängigen Normen liegen.

Darüber müsste ich nachdenken. (lacht) Rein filmisch betrachtet, ermöglicht mir so eine extreme Geschichte natürlich, ganz viele Dinge und Themen zu reflektieren.

Bei „Das schönste Paar“ gibt es diese Grundprämisse des sexuellen Übergriffs auf sie, den er nicht verhindern konnte. Darauf aufbauend wird die Geschichte des Paares erzählt, zu der ich ganz viele Szenen schaffen konnte, in denen ein möglicher Umgang mit der Vergewaltigung durchdekliniert wird: 04 DSPSei es Vergebung, was sie in der Therapie versucht. Sei es dann später ihre Fantasie, wie es denn mit einem neuen Mann wäre. Das würde bedeuten, das Leben noch einmal neu aufzuziehen, ohne dass dieser Schatten immer präsent wäre. Das passiert aber nur theoretisch in einer kurzen Szene mit einem Tontechniker, dem sie zufällig in der Schule begegnet und der ihr als Projektionsfläche dient.

Auf seiner Seite geht es um Rache an dem Vergewaltiger. Und es geht um die Frage: Wie mache ich das? Räche 55 MaximilianBruecknerLeonardKunzSvenTaddicken c OneTwoFilmsich mich so hinten rum, in dem ich seiner Freundin alles erzähle? Ist es eine Befriedigung für ihn, wenn er auf dem Vergewaltiger sitzt und ihn würgt?

Was sagt eigentlich der Staat zu dem Ganzen? Liv und Malte informieren sich ja gemeinsam bei einem Anwalt: Was wäre der offizielle Weg des Umgangs damit, dass der Vergewaltiger aus dem Urlaub an ihrem Wohnort entdeckt wurde?

Es ist also eine extreme Geschichte, die viele Möglichkeiten bietet, das zu reflektieren. Klar gibt es auch wunderschöne Filme, die viel ruhiger sind und interessante Alltagsgeschichten erzählen. Ich kann jetzt aber gar nicht mal genau sagen, warum ich der lauten Prämisse (lacht) vertraue oder mich da hingezogen fühle.
 

FORTSETZUNG Serie: "Das schönste Paar" 6/8 - 8/8
Interview mit Regisseur Sven Taddicken
https://weltexpresso.de/index.php/kino?view=form&layout=edit&a_id=15984&catid=79&return=aHR0cHM6Ly93ZWx0ZXhwcmVzc28uZGUv


FOTOS

1) Sven Taddicken
© Mathias Bothor2016

2) + 3)  Luise Heyer und Maximilian Brückner
© One Two Films

4) Luise Heyer
© One Two Films

5) Making Of: Maximilian Brückner, Leonard Kunz, Sven Taddicken
© One Two Films

 

INFO:

"DAS SCHÖNSTE PAAR"
90 minuten
FSK-Freigabe ab 16 Jahren
Kinostart: 02. Mai 2019
Regie & Drehbuch
Sven Taddicken

Darsteller
Luise Heyer (Liv), Maximilian Brückner (Malte),
Leonard Kunz (Sascha), Jasna Fritzi Bauer (Jenny),
Florian Bartholomäi (Henning), Inga Birkenfeld (Maren),
Oskar Bökelmann (Janko), Matthias Lier (Boris), Aurel Manthei (Ben),
Julius Nitschkoff (Karl), Susanne Sachsse (Therapeutin), Hannah Schiller (Lydia),
Jakob Schmidt (Hendrik), Vivien Sczesny (Clara), Mirko Kraft (Julius),
Ronald Kukulies (Anwalt), Varia Linnéa Sjöström (Franzi)

Musik
Éric Neveux
Kamera
Daniela Knapp
Schnitt
Andreas Wodraschke
Casting
Simone Bär
Produktion
One Two Films GmbH,
Arsam International, WDR - Westdeutscher Rundfunk, Arte
Verleih
Koryphäen Film

 

Sven Taddicken VITA

1974  geboren in Hamburg / aufgewachsen in Oldenburg
seit 1989 Filme
1995-96  Musik- und Kommunikationswissenschaften an der Humboldt Universität Berlin
1996-02  Filmakademie Baden-Württemberg: Regie/szenischer Film
2000  Caligari-Stipendium der Filmakademie
2004  Stipendium der Akademie der Künste Berlin (‚Junge Akademie‘)
2007  Stipendium der Villa Aurora/Los Angeles
2007  UCLA Los Angeles: The Business of the Film Industry + Acting for the Camera
2013  Mentor für den Spielfilm „Veve“ für OneFineDayFilms in Nairobi
seit
2014  Dozent an der MET Film School Berlin
lebt in Berlin