fLaszlo Nemes R Laokoon Filmgroup photo by Ildi HermannSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Juni 2019, Teil 5

László Nemes, Regisseur

Budapest (Weltexpresso) - „Noch bevor ich mit meinem ersten Spielfilm SON OF SAUL begann, hatte ich die Idee, einen Film über eine Frau zu drehen, die allein und verloren in ihrer Welt ist. Einer Welt, die sie vergeblich zu verstehen versucht. Von bestimmter Literatur und der filmischen Tradition Mitteleuropas beeinflusst, zog es mich zu einer Protagonistin, die teilweise von einem Geheimnis umgeben ist und deren Handlungen die Zuschauer immer wieder bewerten und neu beurteilen müssen. Bis sie an einem Punkt im Film sogar eine Figur von unbekannter Dimension wird, so wie eine eigenwillige Johanna von Orléans Mitteleuropas.

Im Gegensatz zu SON OF SAUL, der sehr akribisch und fast dokumentarisch aufgebaut ist, erinnert SUNSET an ein Märchen, ein Mysterium in sich. Es lädt den Zuschauer ein, zusammen mit der Protagonistin einen Weg durch einen Irrgarten aus Fassaden und Ebenen zu finden. Von Anfang an habe ich mir vorgestellt, dass der Film den Zuschauer in ein persönliches Labyrinth stürzt, während er Iris auf der Suche nach ihrem Bruder begleitet und mit ihr herauszufinden versucht, was sich in der Welt verbirgt, die sie erkennen will. Hinter jedem Hinweis, den sie zu entdecken scheint, gibt es widersprüchliche Informationen.

Unter jeder Schicht kommt eine neue zum Vorschein, und die Hauptfigur mag sich selbst nicht einmal darüber im Klaren sein, welch ein tiefgehender Prozess sich in ihr vollzieht. Iris ist ein Charakter, der zwischen Licht und Dunkelheit gefangen ist, zwischen Schönheit und Gefahr, unfähig mit den Grauzonen zurechtzukommen. In diesem Sinne ist SUNSET auch die Geschichte eines Mädchens, des Aufblühens einer seltsamen Blume.

Bei SUNSET war es von Anfang an meine Absicht, ganz nah bei der Hauptfigur Iris zu bleiben. Das erlaubte einen besonders intimen Ansatz in einem ungewöhnlichen Historienfilm, der bewusst mit den vorhersehbaren Regeln einer Postkartenidylle bricht. Der Vorstellung, die wir von der Vergangenheit besitzen. Ich hoffe, den Zuschauer damit in eine unbekannte Welt entführen zu können, in der die Menschen verschiedene Sprachen sprechen – Geräusche sind ein Eckpfeiler dieser Strategie – und ihn so zu zwingen, sein Schutzschild aufzugeben. Ich glaube, das ist notwendig. Das Publikum auf eine andere Art und Weise zu erreichen, ist mein großes Ziel, gefolgt von meinem Wunsch, beim Publikum Gefühle und Gedanken zu wecken.

FORTSETZUNG FOLGT

Foto:
László Nemes
© Laokoon Filmgroup, Ildi Hermann

Info:
Regie: László Nemes
Mit: Juli Jakab, Susanne Wuest, Vlad Ivanov, Evelin Dobos, Levente Molnár
Originaltitel: Napszállta
Land: Ungarn / Frankreich
Jahr: 2018
Genre: Drama
Laufzeit: 142 Min.
Sprachfassung: DtF / OmU
Format: DCP / Blu-ray
Kinostart: 13.06.2019
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Pressebetreuung: ana radica! Presse Organisation
Produktionsbudget: 8.900.000 €

LÁSZLÓ NEMES (REGISSEUR)

László Nemes wurde am 18.02.1977 in Budapest geboren. Sein Vater war der ungarische Filmregisseur András Jelis. Aufgewachsen ist Nemes überwiegend in Paris, wo er Geschichte und Politikwissenschaften studierte.

Ab 2005 begann Nemes bei verschiedenen Filmproduktionen mitzuwirken und entschied sich schließlich 2006, Regie in New York zu studieren. Nach einem Jahr brach er das Studium wieder ab. Danach arbeitete László Nemes als Regieassistent bei Béla Tarr und realisierte mit dem Regisseur den Film DER MANN AUS LONDON, in dem Tilda Swinton die Hauptrolle spielte.

Bald realisierte Nemes auch Kurzfilme. Sein Erstling TÜRELEM wurde 2007 im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele in Venedig gezeigt und 2008 in der Kategorie „Bester Kurzfilm“ für den Europäischen Filmpreis nominiert. 2008 und 2010 veröffentlichte er die Kurzfilme THE COUNTERPART und THE GENTLEMAN TAKES HIS LEAVE. Seine drei Kurzfilme gewannen zusammen mehr als 30 Preise und liefen auf über 100 Filmfestivals.

2015 wagte sich László Nemes an sein Spielfilmdebüt. Mit SON OF SAUL, für den Nemes auch das Drehbuch schrieb, begeisterte er Kritiker weltweit. Der Film zeigt 36 Stunden im Leben eines jüdischen KZ-Häftlings (gespielt vom ungarischen Dichter Géza Röhrig) im Vernichtungslager in Auschwitz. Der Film lief nicht nur im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Cannes und gewann dort den Großen Preis der Jury sowie den FIPRESCI-Preis. SON OF SAUL wurde auch mit einem Golden Globe® ausgezeichnet und gewann schließlich einen Oscar® in der Kategorie „Bester
fremdsprachiger Film“.

Abdruck aus dem Presseheft