Bildschirmfoto 2019 07 08 um 23.25.18Nachtrag: Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. Juni 2019,   Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wir haben wohl auch geträumt, denn die Vorführung des Films im Filmmuseum vor dem allgemeinen Start am 27. Juni, war schon am 5. Juni, die Pressevorführung noch sehr viel früher und wenn man freiwillig einen Film sogar sehr gerne ein zweites Mal sehen möchte, dann, ja dann hat der Film etwas zu bieten. Und genau das ist bei WENN FLIEGEN TRÄUMEN der Fall.

Und jetzt gibt es für WELTEXPRESSO einen guten Grund, gerade heute das alles nachzuholen, denn morgen, Sonntagnachmittag, wird der Film in Frankfurt im ORFEO gezeigt – und nicht nur das, auch die Regisseurin Katharine Wackernagel und Produzent und Drehbuchautor Jonas Grosch kommen, die schon im Filmmuseum das Publikum enthusiasmierten.

Einladung vom ORFEO in Frankfurt für Sonntag, 7. Juli um 16.30 Uhr:

Premiere mit Katharina Wackernagel & Jonas Grosch
WENN FLIEGEN TRÄUMEN
von Katharina Wackernagel, D 2018, 81 Minuten
mit Thelma Buabeng, Nina Weniger, Niels Bormann, Johannes Klaussner, Tina Amon Amonsen

Eine einsame Psychotherapeutin und ihre suizidgefährdete Halbschwester auf dem Weg nach Norwegen, in einem roten Feuerwehrauto. Begleitet von einem Spanier, der nach Finnland will. Verfolgt von einem Haufen gestrandeter Persönlichkeiten. Umnebelt von Wodka und Tabletten. Und irgendwo dazwischen ein paar Fliegen, die plötzlich anfangen zu träumen...

„Wenn Fliegen träumen“ ist ein höllisch unterhaltsamer, schwarzhumoriger Film über Einsamkeit, Vergangenheitsbewältigung und die Vielfalt des Lebens. (https://www.facebook.com/wennfliegentraeumen/)


Bildschirmfoto 2019 07 08 um 22.41.06Katharina Wackernagel ist uns erst einmal als vielseitige Schauspielerin bekannt. Leider mehr aus dem Fernsehen. Das soll heißen, daß sie, wie beispielsweise auch ihr ebenfalls imposanter Kollege, Matthias Brandt, in Deutschland wohl nicht die Filmrollen vorfindet, die sie zur Darstellung reizen. In ihren Rollen spielt sie oft Frauencharaktere, die das Anecken nicht scheuen und ihren Weg gehen. Daher kommt es wohl auch, daß man ihr diese Eigenschaften auch selbst – unterstellt sagen die einen, zutraut die anderen. Letzteres ist sicher nicht falsch. Aber diesmal geht es überhaupt nicht um Darstellerei, sondern nach Frankfurt ins Filmmuseum ist sie als Regisseurin gekommen, denn sie hat das zweite Mal Regie geführt.

Und auch Urs Spörri, der die Reihe ‚Was tut sich – im deutschen Film?‘ für das Deutsche Filmmuseum betreut, in dessen Rahmen am 4. Juni der Film mit anschließender Diskussion läuft, hat Regie geführt. Es gibt nämlich in dieser Reihe immer einen Vorfilm, was eh schon gut ist, denn die Kurzfilme sind sonst wenig zu sehen. Ausgewählt hat er den zehnminütigen THINK POSITIV, wo Katharina Wackernagel 1999 das erste Mal Regie führte. Eine Schwarz-Weiß-Orgie, urkomisch, intelligent und originell gemacht. Auch diesem Film hat Jonas Grosch das Drehbuch geschrieben und daß sie so zusammenarbeiten und gemeinsam die Filme vertreten, muß einen nicht wundern: sie sind Geschwister. Mit Arbeitsteilung, wie man sieht. Köstlich die anschließenden Ausführungen über das damalige Drehen, wo sie ohne Drehgenehmigung die Kamera in einer Einkaufstasche versteckt hielten und auf den Tisch gerichtet hielten, wo sich zwei - der eine ein Schwarzseher, der andere ein Positivist – bei Kaffee und Kuchen über das Leben und Überlebensstrategien unterhalten.

Die Idee zu den träumenden Fliegen hatte der Bruder, der schon im Jahr 2005 das Drehbuch schrieb. Wir hörten von diesem Film das erste Mal, als er auf den Hofer Filmtagen 2018 gleich zweimal erfolgreich gezeigt wurde, mitsamt Publikumsgesprächen. Beide glauben, daß dieser Film diskutiert werden sollte. Das ist ja grundsätzlich erst einmal richtig, gilt eigentlich für fast jeden Film, aber gerade dieser Film erklärt sich derart aus sich selbst, daß man vor einem Zerreden richtig Angst bekommt. Und auch vorm Zerschreiben.

Bildschirmfoto 2019 07 08 um 22.39.44Für uns ist das Besondere an diesem Film, daß er surreale Lebenssituationen auf leichte Art erzählt, die nichts Oberflächliches haben, sondern durch Skurrilität abheben lassen, was ja bei einer so langen Reise von Berlin bis weit ins Nordnorwegische günstig ist. Denn der Weg ist weit, den das rote Feuerwehrauto zurücklegen muß. Jedes vernünftige Roadmovie, wie dieses, braucht ein Schiff, ein Fahrrad, ein Flugzeug, einen Traktor, ein Auto oder eben wie hier: ein rotes Feuerwehrauto. Daß nachher die Regisseurin als durchgeknallte Anästhesistin mit dem Motorrad und einem ungewöhnlichen Sozius hinterherrast, zeigt nur, wie wichtig Fortbewegungsmittel sind.

Aber warum überhaupt die Reise von Berlin nach Norwegen? Wo sich deutsche Filme übrigens gerne herumtreiben. Denn da gab es auf der Berlinale 2012 GNADE, wo Birgit Minichmayr und Jürgen Vogel ihre Ehe in Nordnorwegen retten wollen, aber auch  KLEINE ZIEGE, STURER BOCK aus 2015 mit Wotan Wilke Möhring, NORD, das war 2009 u.a.

Norwegen, das neue Sehnsuchtsland für Deutsche, die einst mit Goethe in Italien das Land, „wo die Zitronen blühn, im dunkeln Laub die Goldorangen glühn“ suchten. Das hat was. Aber die beiden Schwestern - Halbschwestern, die eine (Nina Weniger) wollte sich gerade umbringen, die andere (Thelma Buabeng) betreut solche Leute als Psychotherapeutin, beide kennen sich kaum - müssen diese Fahrt unternehmen, denn der gemeinsame Vater ist gestorben, das Erbe: ein rotes Feuerwehrauto in Berlin und ein Haus in Norwegen müssen abgewickelt werden, der Testamentsvollstrecker ist schon zur Stelle: also schnell mit dem roten Auto ins Haus im Norden. Das muß als Motivation genügen, denn hier bei diesem Film geht es um die Mittel und weniger um den Zweck.

Nicht mit Schirm, Charme und Melone, sondern mit Skurrilität, vielen Traumsequenzen, einem hinterfotzigen Humor, einer traumwandlerischen Filmmusik und tollen filmischen Ideen wie Traumbildern sowie absolut schrägen Typen, die die Schwestern entweder unterwegs auflesen, oder die, wie die Patientengruppe und die Anästhesistin dem Feuerwehrauto folgen, spielt der Film gekonnt, so daß bei WENN FLIEGEN TRÄUMEN, diejenigen Zuschauer, die sich darauf einlassen, schnell wie im Traum fliegen...

Fotos:
von links nach rechts: FABIAN SPUCK (KAMERA), JONAS GROSCH (BUCH&REGIE), NINA WENIGER (HANNAH), JOHANNES KLAUSSNER (CARLOS),
THELMA BUABENG (NAJA), KATHARINA WACKERNAGEL (REGIE & ANÄSTHESISTIN)
© Verleih

Info:
morgen im Orfeo in Frankfurt um 16.30 Vorstellung mit Publikumsgespräch