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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2019 09 08 um 20.19.26Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. September 2019, Teil 9

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT beruht auf einer wahren Geschichte. Wie bist du dieser Geschichte begegnet?

Ende der 80er Jahre erfuhr ich durch einen Zufall von der Schauspielerin Swetlana Schönfeld (im Film spielt sie die Mutter von Antonia), dass sie in einem sowjetischen Arbeitslager geboren wurde. Ich hörte zum ersten Mal von einem solchen Schicksal und war fassungslos. Doch ich konnte das Thema nicht weiter verfolgen, denn es gab keinerlei Literatur dazu und die Betroffenen hielten sich an ihr Schweigegelübde.


Antonia Berger ist in erster Linie ein politischer Mensch mit starken Überzeugungen. Menschen wie sie scheint es heute nicht mehr viele zu geben. Ist sie eine aussterbende Art?

„Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“, sagt Brecht. Dass wir hierzulande für unsere Überzeugungen nicht unser Leben riskieren müssen, ist nicht das schlechteste Merkmal einer Demokratie.


Wie empfindest du allgemein die Darstellung der DDR-Vergangenheit in der deutschen Öffentlichkeit und welche Rolle kann in diesem Feld ein Film wie UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT spielen?

Die Reduzierung der DDR auf Mauer, Stasi und Doping ist nicht nur unsäglich, sondern schlichtweg falsch. Daher rühren viele Verwerfungen und Spannungen zwischen Ost- und Westdeutschen und als trotzige Reaktion manchmal eine Verklärung der DDR. Dabei wurden die Anfänge der DDR auch von Menschen im Westen mit Sympathie begleitet, eine Alternative zum Kapitalismus schien nach dem verheerenden 2. Weltkrieg notwendig und sinnvoll. Dass es ein Sozialismus sowjetischer Prägung wurde, gehört zur Tragik der Geschichte. Vielleicht weitet unser Film den Blick auf diese schwierige Zeit.


Warum sollten sich gerade junge Menschen UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT anschauen?

Jede gesellschaftliche Vision ist zu hinterfragen, jede politische Entscheidung. Nichts ist alternativlos. Demokratie ist ein hohes Gut – aber sie muss kritisch begleitet werden. Auch durch junge Menschen. Und sie sollten wissen, warum der Versuch einer gerechten Gesellschaft so furchtbar gescheitert ist.


Filmen mit politisch motivierten Protagonistinnen wird oft vorgeworfen, schablonen- oder thesenhaft zu wirken. Mit Antonia Berger gibt es in deinem Film eine unglaublich starke und lebendige Frauen gur. Wie ist das gelungen?

Ich habe an keinem anderen Film so lange und intensiv gearbeitet. Als es nach dem Fall der Mauer möglich wurde, habe ich unzählige Bücher, Zeitzeugenberichte und Dokumente gelesen und mich mit Betroffenen unterhalten. Das Problem bestand darin, aus der Fülle des Materials eine überschaubare Geschichte und eine starke Hauptfigur zu formen.


Heute über Kommunismus zu sprechen gleicht ein wenig der Berührung eines Tabus. Könnte ein Film wie UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT das ändern?

Man sollte nie die Wirkung eines Films überschätzen. Wenn unser Film Nachdenklichkeit über die Gründe des Scheiterns einer großen, sinnvollen politischen Idee auslöst, bin ich zufrieden.

In kaum einem Film über die DDR-Vergangenheit gab es bisher eine positiv besetzte Figur, die sich für das Bleiben entschieden hat. Warum wolltest du diese Geschichte erzählen?

Weil es zu Wahrheit gehört. Viele Menschen sind an der DDR verzweifelt – und hatten trotzdem nicht ihre Abschaff ung im Sinn, sondern ihre Veänderung. Ich bin auch nicht morgens mit dem Gedanken aufgewacht: wie komme ich in den Westen?


Antonia Berger ist vor allem eine politische Figur. Kann man entsprechend auch sagen, dass UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT ein politischer Film ist?

Unser Film ist zutiefst politisch und erzählt, wie sehr Politik das Leben von Menschen prägen kann.


Mit Antonia Berger stellst du eine Frau ins Zentrum, die den Konflikt zwischen politischen Überzeugungen und privaten Bedürfnissen für das Publikum sehr dramatisch erlebbar macht. Warum hast du dich für diese Form eines Dramas entschieden?

Weil Antonias Leben dramatisch ist. Wider besseres Wissen schweigt sie und verliert dadurch die Liebe ihres Lebens.


Welche Reaktionen beim Publikum würdest du dir wünschen?

Respekt vor der Hauptfigur – auch wenn sie scheitert. Mitgefühl – auch wenn sie irrt. Und Verständnis für eine schwierige politische Situation.



DER REGISSEUR

Bernd Böhlich, 1957 in Löbau geboren, arbeitete nach dem Abitur als Regieassistent beim Deutschen Fernsehfunk in Berlin. Seit dem Abschluss seines Regiestudiums an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg ist er als Autor und Regisseur tätig. Bereits sein Abschlussfi lm an der Filmhochschule, FRONTURLAUB, lief auf zahlreichen internationalen Festivals. Anfang der 1990er Jahre wurde Bernd Böhlich für zwei seiner Fernsehfi lme mit dem renommierten Grimme-Preis ausgezeichnet. 2007 feierte er mit seinem Kinofi lmdebüt DU BIST NICHT ALLEIN mit Axel Prahl und Katharina Thalbach in den Hauptrollen einen Riesenerfolg, an den er 2008 mit DER MOND UND ANDERE LIEBHABER anknüpfen konnte. 2012 inszenierte er die Komödie BIS ZUM HORIZONT, DANN LINKS! über eine abenteuerliche Reise, die alles verändert. Der Film begeisterte deutlich mehr als 200.000 Kinozuschauer. Bekannt wurde Bernd Böhlich auch für die KRAUSE-Fernsehfi lme mit Horst Krause in seiner Paraderolle als gleichnamiger Polizeihauptmeister im brandenburgischen Dorf Schönhorst. Mit UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT kehrt Bernd Böhlich auf die Kinoleinwand zurück.

Filmographie (Auswahl)
2019 UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT
2016 KRAUSES GLÜCK (TV)
2012 BIS ZUM HORIZONT, DANN LINKS!
2008 DER MOND UND ANDERE LIEBHABER
2007 DU BIST NICHT ALLEIN
2007 KRAUSES FEST (TV)


Foto:
© Verleih

Info:
Besetzung

Antonia Berger .         Alexandra Maria Lara
Konrad Zeidler .         Robert Stadlober
Leo Silberstein .         Stefan Kurt
Susanne Schumann .  Barbara Schnitzler
Irma Seibert .               Karoline Eichhorn
Lydia Berger .              Carlotta von Falkenhayn
Gerhard Berger .         Stefan Lochau
Hanna Sydow .           Jenny Langner
Wilhelm Pieck .            Peer Jäger
Arthur Pieck .              Alexander Khuon
Küppers .                    Branko Samarovski
Waltraut Kessler .        Swetlana Schönfeld
Waltrauts Mann .         Jochen Nickel
Friedrich Zeidler .        Hark Bohm
Vernehmer .                Peter Kurth
Alois Hoecker .           Jürgen Tarrach
Werner Schuck .         Bernd Stegemann

Hinter der Kamera
Buch & Regie .    Bernd Böhlich
Kamera .             Thomas Plenert
Szenenbild .        Eduard Krajewski