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Kategorie: Film & Fernsehen
f mara1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. September 2019, Teil  13

Redaktion

(Weltexpresso) – DIEGO MARADONA ist der dritte Teil einer Trilogie von ebenso innovativen wie intensiven Film- dokumentationen, für die sich das Oscar®-preisge- krönte Team von SENNA (2010) und AMY: THE GIRL BEHIND THE NAME (2015) verantwortlich zeichnet: Regisseur Asif Kapadia, Produzent James Gay-Rees, Cutter Chris King und Komponist Antonio Pinto.

Wieder einmal präsentieren sie eine überlebens- große Legende, die mit ihrem Talent ein Millionen- publikum auf der ganzen Welt prägte und inspi- rierte und deren Leben sich vor dem Hintergrund von Kontroversen und Tragödien entfaltete.

Jeder kennt Maradona, einen der größten Fuß- baller aller Zeiten, der Transferrekorde brach, mit dem SSC Neapel einen leistungsschwachen italie- nischen Fußballclub praktisch zur Meisterschaft schleppte und 1986 seinem Heimatland Argenti- nien eigenhändig zur Weltmeisterschaft verhalf.

Doch sein Leben spielte sich auch im Schatten von familiären Streitigkeiten, Kokainsucht und Beziehungen zu zwielichtigen Kriminellen ab. Er war Liebling der Medien und zugleich ein gezeichneter Mann. Und so war er das perfekte Objekt für den analytischen Blick von Asif Kapadia.

Wie schon bei SENNA und AMY: THE GIRL BEHIND THE NAME versuchte der Regisseur die mensch- liche Seite eines kreativen Genies zu zeigen und seinen Protagonisten auch einem neuen Publikum zu vermitteln — nicht nur den Fans, sondern auch den Fußballuninteressierten. DIEGO MARADONA erzählt die Geschichte eines Mannes, dessen Bedeutung weit über das Fußballfeld hinausreicht.

Es ist die Geschichte eines armen, ungebildeten Jungen aus den Slums, dessen atemberaubendes Talent ihn zum Superstar machte und ihm un- erhörten Wohlstand, weltweiten Ruhm und einen gottähnlichen Status einbrachte. Doch besaß er nicht die Werkzeuge, um mit seiner eigenen Berühmtheit klarzukommen. Auf jeden Triumph folgte ein Desaster — wenngleich er am Ende sieg- reich blieb, denn er war — in den Worten Kapadias „derart gerissen und bauernschlau. Egal, wie häufig er hinfiel, er stand immer wieder auf und machte weiter.“

„Wie konnte jemand mit dieser Herkunft das alles durchstehen und nicht davon geprägt werden?“, so der Regisseur weiter. Obwohl Maradona eine ganze Reihe von Niederlagen erlebte, schlug er immer zurück. „Er ist ein wahrer Kämpfer“, so Kapadia. „Und diese Geschichte wollte ich unbedingt erzählen.“

Es war während der Londoner Olympiade 2012, kurz nach dem Start von SENNA, als ihn Produzent Paul Martin wegen eines Maradona-Films kontaktierte. Martin hatte eine Sammlung von ungeschminkt freimütigen Aufnahmen erworben, die kaum jemand zuvor gesehen hatte, und für ihn war Kapadia der ideale Kandidat, um dieses Material herum, eine Spielfilmdokumentation zu kreieren.

„Paul und ich unterhielten uns eine Zeitlang darüber, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich gerade einen Sportfilm gedreht, und es drängte mich nicht, den nächsten zu machen, obwohl für mich Maradona immer eine faszinierende Figur war“, erinnert sich Kapadia. „Warum sollte ich mich mit einem argentinischen Fußballspieler beschäftigen, nachdem ich mich gerade einem brasilianischen Rennfahrer gewidmet hatte? Das Timing passte nicht. Ich wollte etwas Anderes machen und deshalb drehte ich AMY: THE GIRL BEHIND THE NAME.“

Zwischenzeitlich produzierte Martin, der selbst in der Fußballszene Erfahrungen gesammelt hatte, RONALDO (2015), bei dem Kapadia und Gay-Rees als ausführende Produzenten fungierten. Martin und Gay-Rees wiederum produzierten die Steven Gerrard-Doku MAKE US DREAM (2018).

Martin freilich gab den Plan, mit Gay-Rees und Kapadia eine Maradona-Dokumentation zu realisieren, nicht auf. „Paul hatte diesen Prozess vor langer Zeit angestoßen“, so Gay-Rees. „Als ich mich mit ihm während des Schnitts von AMY: THE GIRL BEHIND THE NAME unterhielt, hatten wir keine Zeit, das Ganze weiterzuverfolgen. Dann arbeiteten wir bei anderen Projekten zusammen und zuletzt bekam er Zugriff auf diese erstaunliche Menge von Maradona-Material.“

Als Martin vor seiner Filmlaufbahn als Fußballjour- nalist arbeitete, hatte er schon von diesen „beinah mythischen“ Aufnahmen gehört. Diese waren von zwei Kameraleuten, dem Argentinier Juan Laburu und dem Italiener Luigi ,Gino‘ Martucci gedreht worden. Auftraggeber war der mittlerweile verstor- bene Jorge Cyterszpiler, Maradonas lebenslanger Freund, der als sein erster Agent fungiert und den Wechsel zu Boca Juniors sowie die Rekordtransfers zu Barcelona und dann zum SSC Neapel eingefädelt hatte.

„Jorge stammte aus einer Mittelschichtfamilie aus Buenos Aires und hatte sich mit Diego angefreundet, als der noch ganz klein war“, erklärt Kapadia. „Jorge half ihm, Profifußballer zu werden, und verschaffte ihm Werbedeals mit Puma und Coca-Cola. Er war hierin ein richtiger Pionier.“

Anfang der Achtziger heuerte Cyterszpiler — neben seinen vielen anderen Projekten — zwei Kameraleute an, die Maradonas Leben dokumentieren sollten. „Sie filmten erst auf U-matic, einem alten Videoformat, das damals populär war. So entstanden Hunderte von Stunden an Material von 1981/1982 bis hin zu seiner Karriere in Neapel 1986, 1987.“

Maradona trennte sich dann von Cyterszpiler als Agenten und heuerte Guillermo Coppola an, womit auch die Aufnahmen ein Ende fanden. „Es gab so viel wunderbares Material“, so Produzent Paul Martin weiter. „Cyterszpiler hatte immer den Plan für einen großen Film. Juan hatte angefangen, mit Diego in Buenos Aires zu drehen, dann machte er in Barcelona und Neapel weiter, bevor Gino das Ganze übernahm. Aber während dessen hatten sie Diego über ganz lange Zeit hinweg gefilmt. In weiser Voraussicht fingen sie ihn auf dem Höhepunkt seiner Fußballkunst ein.“

Cyterszpiler hatte bereits 1981 die Vision für diesen Film, aber es dauerte fast 40 Jahre, bis dieses außergewöhnliche Kinoprojekt zum Leben erweckt wurde. „In vielfacher Hinsicht haben wir den Job übernommen, den Jorge gestartet hatte“, so Kapadia.

Es war ein Schlüsselmoment auf dieser Odyssee, als sich Martin und James Gay-Rees endlich mit den Kameramännern zusammensetzten und das Material sichteten. Sofort versuchten sie Zugang zum ganzen Archiv zu bekommen. „Es gab viele rechtliche Fragen hinsichtlich der Eigentümerschaft, die wir mit Maradonas Anwalt klären mussten“, so Martin. „Aber letztlich erreichten wir unser Ziel.“

Doch der Erwerb dieses Materials war nur der erste Schritt auf einem langen und komplizierten Weg. Gay-Rees erinnert sich: „Juan und Ginos Aufnahmen waren völlig ungeordnet. Sie hatten Duplikate. Teilweise waren Sachen entzweigeschnitten. Es gab verschiedene Versionen der gleichen Motive. Alles war ein bisschen amateurhaft. Aber das Entscheidende war: Es war total ungefiltert.“ Und das war der Wendepunkt. „Für uns waren diese intimen Aufnahmen wie ein Insiderblick in sein Privatarchiv. Das war die absolute Essenz seiner magischen Zeit in Neapel.“

Für Cutter Chris King war das Material aus Neapel einzigartig: „Es gibt viele Schwarzweiß-Aufnahmen aus seiner Kindheit in Argentinien, die man in unserer Vortitel-Sequenz sehen kann. Da merkt man, dass er noch schüchtern und introvertiert und die Kamera nicht gewohnt ist.“

„Darauf folgten die Weltmeisterschaft 1978, für die er nicht ausgewählt wurde, und dann die frühen Spiele. Das war alles interessant, aber plötzlich finden wir uns in Neapel wieder, und es ist so, als würden wir im gleichen Zimmer mit ihm sein. Im gleichen Auto. Du reist mit ihm herum, bist Teil seines Lebens. Das war auf einmal viel faszinierender — wenn man sieht, wie er ankommt, aus dem Flugzeug steigt, seine medizinische Untersuchung absolviert und das Blut abgenommen bekommt. Das sind unglaubliche Aufnahmen.“

„Ich wusste sofort, dass wir den Film mit Zwischenschnitten zu seiner Ankunft in Neapel anfangen mussten“, so King. „Dann gab es auch noch die brennende Frage, warum so ein Riesenspieler zu so einem mauen Club wie Neapel kommt. Das alles kann der Film beantworten.“

Fortsetzung folgt

Foto:
Diego Maradona
© Meazza Sambucetti/​AP/​Shutterstock/DCM

Info:
Hauptfigur: DIEGO ARMANDO MARADONA
mit Interviews von 
SALVATORE BIAZZO • CARLOS BILARDO GUILLERMO BLANCO • JAVIER BLANCO BELVISI CLAUDIO BOTTI JIMMY BURNS• ARNALDO CAPEZZUTO • SALVATORE CARMANDO ANDREA CARNEVALE MIMMO CARRATELLI GABRIELA COCIFFI • GUILLERMO COPPOLA OSVALDO DALLA BUONA ARNALDO DELEHAYE FRANCO ESPOSITO • EGLIS GIOVANELLI • JUAN CARLOS LABURU
DR. NESTOR LENTINI • ANA ESTELA MARADONA • CLAUDIA MARADONA (CALI)
ELSA LUCIA MARADONA (LILI) • JANA MARADONA RITA MABEL MARADONA (KITTY) GABRIELE MARCOTTI PIERPAOLO MARINO • FRANCESCO MAROLDA CÉSAR LUIS MENOTTI LUCIANO MOGGI EZEQUIEL FERNÁNDEZ MOORES • MARCELA MORA Y ARAUJO
GIANNI MURA JULIO OLARTICOECHEA • OSCAR NICOLAUS ALICIA DUJOVNE ORTIZ • ADRIÁN PAENZA CECILIA PAGNI • PAOLO PAOLETTI • ANGELO ROSSI • ANGELO RUSSO RUSSELLI • ISAIA SALES NICOLA SPINOSA • ENRICO TUCCILLO • TIM VICKERY • LEANDRO ZANONI • ENRIQUE MOLTONI

Abdruck aus dem Presseheft