Bildschirmfoto 2019 09 18 um 22.43.32Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. September 2019, Teil 2

Nora Fingscheidt

Berlin (Weltexpresso) - Mich faszinieren Kinder, die nicht zu bändigen sind und die vor Lebensenergie nur so strotzen. Kinder, die mit voller Wucht unsere Vorstellung von einem liebenswerten und „systemkonformen“ Kind erschüttern. Als wir vor sechs Jahren einen Dokumentarfilm über ein Heim für wohnungslose Frauen in Stuttgart drehten, hörte ich zum ersten Mal den inoffiziellen, aber in der Jugendhilfe gängigen Begriff „Systemsprenger“. Denn die Bewohnerin, die an diesem Tag einzog, war erst 14 Jahre alt. Keine Institution der Jugendhilfe wollte sie mehr aufnehmen.

Es folgte eine lange Zeit der Recherche und des Schreibens, ein Prozess, der mich immer wieder an meine persönlichen Grenzen brachte - und doch persönlich bereicherte. „Systemsprenger“ sind Kinder mit unglaublicher Kraft und Ausdauer. Aber sie sind tragische Figuren, weil sie so früh schon Schlimmes erleben müssen und ihre Chancen für die Zukunft aufs Spiel setzen. Wie viel Energie braucht jemand, um pädagogisch ausgebildete Erwachsene immer wieder in die Verzweiflung zu treiben? Was, wenn es möglich wäre, diese Energie konstruktiv umzuleiten? Und was ist das eigentlich für ein „System“, das am Ende ja auch aus Menschen besteht, die helfen wollen, aber immer wieder vor Hindernisse gestellt werden?

Nicht selten begegnet die restliche Gesellschaft den „Systemsprengern“ erst später, wenn sie im schlimmsten Fall als junge Erwachsene gewalttätig werden. Dann werden sie schnell als „Täter“ verurteilt. Allerdings bringt uns die Grenze, die wir zwischen Tätern und Opfern so gerne ziehen, nicht weiter. Jedenfalls nicht, wenn wir den Kindern helfen wollen.

Wir haben diesen Film gemacht, um Verständnis für Kinder wie Benni zu wecken. Der Strudel aus Wohnorten, der dauerhafte Wechsel von Bezugspersonen. Wie soll ein Kind, dessen einzige Kontinuität der Wechsel ist, irgendwo Halt finden? Gleichzeitig reißt Benni uns mit in die wilde und fantasievolle Welt eines Kindes, das um die Liebe seiner Mutter kämpft. Der Film soll trotz aller Tragik Bennis Lebensenergie widerspiegeln, ihren Humor und ihre Sehnsucht, und dabei im besten Fall ein mit allen Sinnen spürbares Kinoerlebnis schaffen. Bennis Verhalten mag schockieren, doch die Zuschauer sollen sie lieben und um sie fürchten. Gewalt von Kindern ist ein Hilfeschrei. Immer.


Info:
Darsteller
Benni                 Helena Zengel
Michael Heller   Albrecht Schuch
Frau Bafané      Gabriela Maria Schmeide
Bianca Klaaß     Lisa Hagmeister
Dr. Schönemann       Melanie Straub
Pflegemutter Silvia    Victoria Trauttmansdorff
Elli Heller                   Maryam Zaree
Erzieher Robert         Tedros Teclebrhan
Jens                          Roland Bonjour
Heimleiterin Redekamp         Barbara Philipp
Lehrerin                                 Gisa Flake
Bauer Bockelman                 Axel Werner


Buch und Regie      Nora Fingscheidt
Kamera                   Yunus Roy Imer