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Kategorie: Film & Fernsehen
 fdownton abbey movie posterSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. September 2019, Teil 7

Julian Fellowes

London (Weltexpresso) - Die Rückkehr nach Downton Abbey war eine außergewöhnliche, bisweilen fast surreale Erfahrung. Die Klappe für die letzte Staffel der Serie fiel 2015. Alle Charaktere hatten ihren Platz im Leben gefunden, wir hatten uns von ihnen verabschiedet und eine rauschende Abschlussparty gefeiert. Das war’s, dachte ich. Wie sich herausstellen sollte, war das Publikum noch nicht bereit, sich von den Crawleys und ihren Bediensteten zu trennen. Die Gerüchte über einen Film wurden lauter und lauter, bis Gareth Neame und der Rest des Teams nicht länger widerstehen konnten. Und so nahm alles seinen Lauf.

Ich sehe den Wunsch nach diesem Film als Beleg dafür, wie sehr die Zuschauer die Serie vermissen. Das Haus war in Downton Abbey immer die Hauptfigur.  Die Liebe, die die Bewohner dem Anwesen entgegenbrachten, hat die Geschichte immer wieder vorangetrieben. Ich wusste also von Anfang an, dass wir wieder viel Zeit auf Highclere verbringen würden.

Eine langfristig angelegte Serie unterscheidet sich deutlich von allen anderen dramatischen Disziplinen. Das gilt ganz sicher für den Autor, aber wohl auch für alle anderen Beteiligten. Man schreibt (oder führt Regie) für Figuren, mit denen man bereits vertraut ist und die von Schauspielern gespielt werden, die man gerne in ihren Rollen sieht. Bei einem Theaterstück, einem Musical oder den meisten Filmen schreibt man das Drehbuch und ist – normalerweise – damit fertig, bevor es besetzt wird. Bei Downton Abbey war das anders: Ich konnte mir den Rohschnitt der ersten Episoden schon ansehen, als ich gerade an der vierten Folge der ersten Staffel arbeitete. Ich kannte die Charaktere schon und hatte gesehen, wie die Schauspieler ihnen Leben einhauchten.  Ich begann also, so zu schreiben, dass sie ihre Stärken voll ausspielen konnten. Ihre Darstellungen hatten entscheidenden Einfluss auf die Handlung der Serie. Es ist also nicht verwunderlich, wenn man nach sechs Jahren eine sehr starke Bindung zu diesen zwar erfundenen, aber dennoch sehr real wirkenden Menschen entwickelt hat. Ich werde oft gefragt, welche meine Lieblingsfigur war. Die Wahrheit ist: Ich liebte sie alle. Sie waren meine Kinder, ich habe sie erschaffen. Die Schauspieler und ich sind gemeinsam in die Rollen und in die Welt von Downton Abbey hineingewachsen.

Seit dem Ende der Serie hatte ich viel zu tun. Ich habe an Musicals im West End und am Broadway gearbeitet, außerdem an zwei Filmen und zwei Fernsehshows. Im Grunde habe ich also wirklich keinen Grund zur Klage. Dennoch vermisse ich dieses besondere Gefühl von Sicherheit, das mir die Welt von Downton Abbey gegeben hat. Es ist eine wunderbar ruhige Form der Unterhaltung. Man kann völlig frei den Moment wählen, in dem man einen neuen Handlungsstrang in die Geschichte einflechten möchte. Niemand hat es eilig. Diese Art der Arbeit vermisse ich. Umso mehr Spaß machte es, sich wieder mit den Figuren zu beschäftigen. Trotzdem war das Schreiben des Films nicht mit der Arbeit an der Serie vergleichbar. In einer durchschnittlichen Serienepisode erzählt man normalerweise die Geschichten von vier oder fünf Charakteren, während die anderen Figuren nur Nebenrollen spielen. In der folgenden Woche kommen dann die nächsten vier oder fünf Figuren zum Zug. In einem Film aber muss jeder Charakter seine Geschichte erhalten und alle Probleme müssen am Ende gelöst sein. Das bedeutet, dass man viele Handlungsstränge miteinander verknüpfen muss.

Die Haupthandlung ist im Film ein königlicher Besuch: König George V. und Königin Mary bereisen Yorkshire und möchten eine Nacht auf Downton Abbey verbringen. Alle weiteren Geschichten, einige glücklich, andere weniger glücklich, laufen parallel zu diesem Hauptereignis ab. Dieser Besuch wäre für die realen Personen gar nicht besonders abwegig gewesen: Prinzessin Mary, die älteste Tochter des Königspaares, lebte später mit ihrem Mann auf Harewood und zum Zeitpunkt der Filmhandlung auf Goldsborough Hall. Es gab also durchaus Gründe für ihre Eltern, nach Yorkshire zu kommen. Für den Film hatten wir die Möglichkeit, bestimmte Dinge in einem größeren Rahmen umzusetzen, als wir es für die Serie hätten tun können. Durch den Auftritt des Königspaares (brillant gespielt von Simon Jones und Geraldine James) hatten wir einen Grund, die Leinwand mit Pomp und Prunk zu füllen.  Außerdem bekommen wir zu sehen, wie unsere alten Freunde aus Downton Abbey auf den königlichen Besuch reagieren. Sagen wir so: Nicht alle Reaktionen sind positiv. Was genau geschieht, erfährt man natürlich nur im Film.

Wir haben in den Twickenham Studios das Script durchgearbeitet, bevor die Dreharbeiten begannen. Und plötzlich waren all die Gesichter wieder da, mit denen ich mich vor Jahren tagein, tagaus beschäftigt hatte. Schreiben ist ein lustiges Geschäft. Man verbringt viel Zeit allein, starrt auf den Computerbildschirm und wartet auf Ideen. Und plötzlich wird alles real –oder wenigstens fühlt es sich so an. Dann stehen plötzlich Vorsprechen und Anproben auf der Tagesordnung und eine Crew wird zusammengestellt, die fieberhaft daran arbeitet, alles perfekt zu gestalten. Selbst deine eigenen Worte gehören dann nicht mehr dir, sondern den Schauspielern, dem Regisseur und schließlich auch der Öffentlichkeit. Es ist ein seltsamer Moment, wenn man erlebt, wie Darsteller eine Szene spielen, die man sich selbst ausgedacht hat. Das gilt erst recht für diesen Cast, von dem ich mich doch vor drei Jahren verabschiedet hatte.

Während der Dreharbeiten besuchte ich das Set in den Shepperton Studios, jenen Ort, an dem sich Jahre zuvor mein Leben mit der Entstehung von Gosford Park grundlegend verändert hatte. Für das, was ich dort zu sehen bekam, empfinde ich nichts als Bewunderung. Alle Produktionsbereiche haben sich wieder einmal selbst übertroffen, und auch die Schauspieler haben mit Leichtigkeit wieder in ihre alten Rollen zurückgefunden. Nun ist es an der Zeit, die Zuschauer daran teilhaben zu lassen, was wir gemeinsam geschaffen haben. Ich hoffe, der fertige Film gefällt ihnen ebenso gut wie mir.

Foto:
© Verleih

Info:
Regie:
Michael Engler
Drehbuch:
Julian Fellowes
Darsteller:
Hugh Bonneville, Maggie Smith, Imelda Staunton, Michelle Dockery, Elizabeth McGovern, Laura Carmichael, Joanne Froggatt, Jim Carter, Brendan Coyle, Matthew Goode, Penelope Wilton u.a.

2010 konzipierte Fellowes als Drehbuchautor die Serie Downton Abbey. Die Geschichten um die englische Adelsfamilie Crawley und den titelgebenden Familiensitz zu Anfang des 20. Jahrhunderts war ein großer Kritikererfolg und wurde u. a. mit vier Emmys ausgezeichnet, darunter Fellowes als bester Drehbuchautor.
Seine Stellungnahme ist ein Abdruck aus dem Presseheft zum Film.