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Kategorie: Film & Fernsehen
f bruderSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. /10. Oktober 2019, Teil 7

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein deutscher Film, der aus dem Rahmen fällt. Dies aus mehrerlei Gründen. Erstens erzählt er seine Geschichte leichtfüssig, zweitens ist diese Geschichte deshalb ungewöhnlich, weil sie auf einer – amerikanisch gesprochen – Ranch spielt, auf einer Farm, einem Rinderzuchtbauernhof, der natürlich auch Pferde hat und von den Geschwistern Franz (Sebastian Fräsdorf) und Lilly (Karin Hanczewski) betrieben wird, deren gestorbener Vater sie bewirtschaftet hatte.

Ein Haufen Arbeit für junge Leute, die lieber auf dem Rücken der Pferde durch die herrlichen Wiesen und Wälder Brandenburgs ziehen, wo man den Eindruck gewinnt, sie seien Cowboys, oder auch ein Nickerchen machen in den sonnenbeschienen Plätzen. Besonders gerne zusammen, denn die beiden sind seit Kindertagen unzertrennlich, obwohl sie je einen ganz unterschiedlichen Charakter haben. Und genau das wird zum Konflikt führen. Denn Franz ist dann doch ein wenig der Taugenichts, der Träumer und Genießer, ein regelrechter Lebenskünstler, der den Sommer draußen und drinnen in der Kneipe genießt, was er sich nur leisten kann, weil Lilly die realistischere von beiden ist. Sie will den Betrieb aufmöbeln, will ihn modernisieren, will Gewinn erwirtschaften. Und hält nichts von den phantasievollen Vorschlägen ihres Bruders, der an der hochfrequentierten Fernverkehrsader einen Hofladen aufmachen will, genau dort, wo überhaupt keiner anhalten kann. So ist Franz. Natürlich hat er hin und wieder was laufen mit einer Frau. Aber nur dezent, wie sie auch. Schlafen tuen beide eng aneinandergekuschelt und es ist die selbstverständliche Nähe von erwachsenen Geschwistern, die hier gut tut, denn es herrscht Zärtlichkeit, aber eine Grenze der Intimität wird nicht überschritten. Dafür sind eben andere da.

Und dann kommt Chris (Godehard Giese) daher. Er ist Musiker in der Band, die im Ort spielt und gefällt Lilly schon sehr gut und zwar so sehr, daß Bruder Franz dem erst unlustig, dann mit Eifersucht Einhalt zu gebieten versucht. Aber es nutzt ihm nichts, denn Lilly hat sich wegen der Unschlüssigkeit, mit der Franz den Laden laufen läßt, längst schon innerlich von ihm entfernt. Sie braucht geradezu einen oder etwas, worauf sie ihre unausgelebten Energien richten kann. Aber, als Franz auf dem Recht des Ersten, des Bruders beharrt und sich gegenüber der Schwester als Besitzer aufspielt, ist der Bruch geschehen. Sie verläßt ihn und die Farm.

Stimmt. An der Geschichte ist doch gar nichts besonderes. Aber die Art und Weise, wie das Leben der beiden sinnlich in der Sonne oder gefühlvoll im Schatten abläuft, erzeugt beim Zusehen eine Stimmung, die, auch wenn man darum weiß, dennoch wirkt. Das ist Regiearbeit, die man spürt und wo die Verbalisierung einem nicht leicht fällt. Man sieht zwischendurch Bilder, beispielsweise, wenn die beiden durch die schöne Gegend um die Wette galoppieren, die direkt aus einer Fernsehwerbung zu kommen scheinen, oder, wenn das Licht der Sonne durch die Zweige bricht. Das Problem dabei ist, daß wir schon so abgestumpft oder so übervorsichtig kritisch sind, daß wir uns gegen die Vermarktung, die solche Bilder in uns hervorrufen, wehren und schnell von Kitsch reden, der er auch ist, wenn er auf unsere Gefühle und das Portemonnaie aus ist.

Doch hier haben diese Bilder eine andere Funktion. Sie erklären die Bedürfnislosigkeit und Antriebsschwäche von Franz, dem das Leben so wie es dort möglich ist, genügt. Nicht aber Lilly. Und uns?

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Info:
BRUDER SCHWESTER HERZ
Oktober 2019
Ballade
Deutschland, 2019
105 min.

Regie: Tom Sommerlatte
Mit: Karin Hanczewski, Sebastian Fräsdorf, Wolfgang Packhäuser
FSK: ab 6 freigegeben

Besetzung

Franz . . . . . . . . . . . Sebastian Fräsdorf
Lilly . . . . . . . . . . . . .Karin Hanczewski
Heinz . . . . . . . . . . . Wolfgang Packhäuser
Sophie . . . . . . . . . . Jenny Schily
Chris . . . . . . . . . . . .Godehard Giese

Drehbuch und Regie . . .Tom Sommerlatte