fbenediktSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Oktober 2019, Teil 6

Frankfurt am Main

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Klassisch der Aufmacher der BILD am 20. 4. 2005: WIR SIND PAPST! Mit der kleineren Oberüberschrift: Unser Joseph Ratzinger ist Benedikt XVI. Als dieser nach fast acht Jahren am 28. Februar 2013 auf sein Amt verzichtete, gab es keine Schlagzeile in der BILD: WIR SIND NICHT MEHR PAPST! Zu viel war dazwischen passiert. Und genau dem geht Filmemacher Christoph Röhl nach.

Sein Filmvorhaben, seine Recherchen in Rom und anderswo, begann er lange, bevor der Rücktritt des Papstes von seinem eigentlich lebenslangen Amt eine neue Perspektive für den beabsichtigten Film nötig machte. Seine Quintessenz der Ausübung des Papstamtes durch Joseph Ratzinger macht der Film VERTEIDIGER DES GLAUBENS und damit der Regisseur durch den Untertitel klar: DAS SCHEITERN EINES PAPSTES.

Die These des Filmemachers lautet dabei: Die Tragik dieses Joseph Ratzinger, die ja neben der persönlichen Tragik eben auch eine des römischen Amtes ist, liegt darin eingemauert, daß dieser deutsche Priester zeitlebens alles tun wollte, um die Kirche zu stärken, daß sie sich auf ihre Wurzeln besinne und die christlichen Werte hochhalte, bzw. diese wieder zum Fundament der Katholischer Kirche und der Gesellschaften werde. Stattdessen ist gerade das Gegenteil eingetreten, die Katholische Kirche ist in seiner Amtszeit in ihre größte Krise geraten.

In seiner äußerlichen Gestalt und ihrer Inszenierung entsprach Joseph Ratzinger seit jeher dem Gehalt seiner inneren Einstellung. Die Katholische Kirche war und ist für ihn die triumphierende, das Böse vernichtende und das Seelenheil erreichende Kirche, die das Hochamt feiert. So ist der Titel VERTEIDIGER DES GLAUBENS auch zutreffend für eine Zeit, die stärker als je kirchenfern sich entwickelt. Dies erst einmal aus gesellschaftlichen-politischen Gründen, derenthalben sich Kirchenmitglieder von der Katholischen Kirche in Wellen verabschieden – für die Kirche ist das irrelevant, denn für sie sind die Bande der Kirche und Gläubiger unauflöslich. Seit mit dem Leid von Kindern und Jugendliche, die von katholischen Priesters mißbraucht wurden, ein zusätzliches Faß aufgemacht ist, das aufzeigt, daß zwischen Sonntagsreden und Höllenhandeln eine weltliche Kluft herrscht, die Gläubige aus der Institution Kirche treiben, sind die Bestrebungen des Papst Benedikt XVI. gewordene Joseph Ratzinger noch vergeblicher.

Doch das kann man nicht alles dem Papst in die Schuhe, in die roten schönen Schuhe schieben. Und so liegt sein eigentliches Waterloo auch im Versagen der dringend nötigen Reform der inneren Struktur der Kirche. Denn nicht die bessere und wiederholte Formulierung der Glaubensgrundsätze war angesagt, sondern das Anlegen deren Maßstabes an Handeln kirchlicher Vertreter. Damit sind auch die bis heute nicht aufgeklärten Korruptionsfälle gemeint, die ja in Italien so weit gehen, daß Verbindungen von Mafia und Heiligem Stuhl ganz ungeniert vermutet werden.

Der selbst nicht gläubige Filmemacher Röhl nimmt die Glaubensüberzeugungen des Joseph Ratzinger ernst, geht ihnen in dessen Lebensweg nach, besucht die Stätten, wo er lernte und lehrte, vertieft sich in die Liturgie und die Bestrebungen des zukünftigen Papstes, die Reinheit der Lehre hochzuhalten und den spirituellen Weg zu gehen, auch in den Ämtern, die er bekleidet dafür zu werben. Zum Durchsetzen fehlt ihm, ja was? So ganz kann der Film diese Frage nicht beantworten, was auch daran liegt, daß er seinen Helden, seine Hauptperson nicht interviewen kann. Das tut man nicht mit einem ehemaligen Papst. Eine Situation, die erst zum zweiten Mal eingetreten ist, wie auch Joseph Ratzinger der zweite deutsche Papst war. Die beiden ersten Male liegen sehr weit zurück. Es war Hadrian VI., als Adrian von eigentlich Niederländer, aber Bürger des Habsburger Reiches, der 1523 in schwierigen Zeiten Papst wurde und es war Coelestin V., 1294, der noch zu Lebzeiten als Papst zurücktrat.

Doch historische Reminiszenzen sind hier völlig fehl am Platz, sozusagen nur von akademischen Interesse, weil die Rolle der römisch-katholischen Kirche damals und heute eine völlig andere ist, was nicht mit seither eingetretenen Kirchenspaltungen zu tun hat, sondern mit der Aufklärung als Grundvoraussetzung des Verständnisses von Leben auf der Erde heute, wo der Glaube abgekoppelt vom Mythos der Bibel seine eigene Wahrheit hat.

Zur Rolle Benedikts XVI. als Papst gehört unbedingt dazu, daß er anders, als seine Vorgänger, der vom Volk geliebte Johannes Paul II. (Wojtyla) und der gegenwärtige Franziskus, die beide von außen als Päpste in den Vatikan kamen, seit 30 Jahren im und für den Vatikan tätig war und deshalb für fähig gehalten wurde, als Insider die längst aufgetretenen Probleme von Korruption und Ämtermißbrauch mit der Amtsgewalt des Papstes zu lösen. Aber, so könnte man wohlmeinend sagen, er fühlte sich über die dummen Realitäten erhaben, mit dem Eigentlichen beschäftigt: dem Glauben. Kurz und gut, so würden es Headhunters oder auch Regisseure bezeichnen: er war die falsche Besetzung.

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© Verleih

Info:
VERTEIDIGER DES GLAUBENS. DAS SCHEITERN EINES PAPSTES
Kinostart: 31. Oktober 2019
Ein Film von Christoph Röhl Deutschland, 2019
– 90 Min.