Bildschirmfoto 2019 10 31 um 01.26.38Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Oktober 2019, Teil 7

Stefan Haupt

Zürich (Weltexpresso) - Als Jugendlicher las ich die Bibel, studierte theologische Texte von Dietrich Bonhoeffer, wollte ‚glauben‘ können. Doch mit der sogenannten Bekehrung klappte es nie richtig. Als junger Erwachsener folgte dann die radikale Ablehnung: Der Austritt aus der reformierten Landeskirche war damals wie ein Befreiungsschlag.

Heute, viele Jahre später, finde ich es hingegen hochinteressant, sich darüber klar zu werden, wo wir – gesellschaftlich, geschichtlich – eigentlich herkommen, was unsere Wurzeln sind, welche Ideen unsere Welt formen.

Im Zusammenhang mit dem heutigen Clash der Kulturen und dem erneuten Aufflammen von Religionskämpfen scheint es mir wichtig, grundlegende ‚Selbstverständlichkeiten‘, wie sie sich in der Gesellschaft etabliert haben, zu überprüfen und sich neu zu vergegenwärtigen; beispielsweise das Selbstverständnis einer Demokratie, einer Landeskirche, einer Leitkultur, die wir eigentlich gar nicht so klar fassen können.

Und da wird rasch klar: Ulrich Zwingli hat mit seiner humanistischen Gesinnung, seinem sozialen Gewissen, seinem Einsatz für Bildung und seinen religiösen Ansichten die weltweite protestantische Bewegung viel stärker geprägt, als wir dies gemeinhin wissen.

Es lohnt sich, seine Ideen wieder ins Bewusstsein zu heben, seine – und damit auch einen Teil unserer – Geschichte zu erzählen und sie einem breiten Publikum zugänglich zu machen.



HINTERGRUND

Sein Lebenswerk machte ihn weltbekannt: Der Schweizer Ulrich Zwingli war vor 500 Jahren neben Martin Luther einer der wichtigsten Reformatoren der katholischen Kirche. Mit messerscharfem Verstand sezierte er das religiöse und gesellschaftliche System, prangerte Missstände an und forderte die Mächtigsten seiner Zeit heraus: „Hört auf, nur von Gott zu schwatzen“, schleuderte er ihnen von der Kanzel entgegen, „tut um Gottes willen etwas Tapferes“. Seine Ideen einer sozialen Gesellschaft, die sich um die Armen und Kranken kümmert und die Rechte von Frauen und Kindern schützt, sind bis heute brandaktuell. Doch wer war dieser außergewöhnliche Mann? Im Film „Zwingli – Der Reformator“ wird Zwinglis Leben nicht nur aus seiner, sondern auch aus der Perspektive seiner Ehefrau Anna erzählt. Anna, die zu Beginn stark dem katholischen Glauben verbunden ist, wird in ihrer Entwicklung am eigenen Leib erfahren, was Wandel zur Selbstbestimmung bedeutet. Dem Aufruf des reformatorischen Glaubenssatzes ,Sola Scriptura‘ (,allein durch die Schrift‘) folgend, wandelt sie sich von einer passiven zu einer aktiven Frau. Eine Frau, die in der Lage ist, ihre Ängste abzulegen, und ihr Leben selbst zu bestimmen. Gemeinsam mit Anna erleben wir Zwingli als komplexen Menschen, der weit mehr ist als eine historische Figur. „Zwingli – Der Reformator“ wird so zu einem Film über Mut und Visionen, ein Film über den Kampf für die eigenen Ideale und über die Frage, ab welchem Zeitpunkt man noch für die Sache kämpft, oder sich bereits selbst verrät.

Foto:
© Verleih

Info:
Regie: Stefan Haupt
Buchautor: Simone Schmid
Kamera: Michael Hammon (BVK)
Schnitt: Kaya Inan
Musik: Diego Baldenweg
Darsteller: Maximilian (Max) Simonischek, Anatole Taubman, Sarah Sophia Meyer, Charlotte Schwab, Ueli Jäggi, Patrick Rapold u.a.