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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2019 11 05 um 19.15.53Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Oktober 2019, Teil 17

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Noch nicht mal richtig geschmeckt hat es der Siebenerrunde am gemütlichen Eßtisch bei Eva und Rocco Koch, zu denen die kapriziöse Eva und der allesverstehende und allesverzeihende Hausherr eingeladen hatten, der selber kochte! Was ihnen dann aber den Garaus machte, das war nicht das Essen, sondern die Emails- bzw. Telefonanrufe auf ihren mobilen Telefonen, die sie zu einem mysteriösen Spiel alle auf die Mitte des Eßtischs gelegt hatten.

Das ist ein Telefonspiel, das die Gastgeberin vorgeschlagen hatte, der diesem Abend, wo die vier Schulfreunde sich mit ihren Lieben wieder einmal versammelten, den Kick geben sollte. Mehr nicht. Aber zur Bombe wurde. Bis das Alltagsdrama so richtig los geht, wissen wir schon eine Menge. Allein wie zwei zur Tür hereinkommen, was sie sagen, wie sie sich verhalten, was sie anhaben, was sie mitbringen, in all dem wird hier im Film dem Zuschauer schon derart viel an Information serviert, weil sie alle, die da kommen, eine und einer von uns sind. Man fühlt sich in dieser Runde von gut situierten, also wohlhabenden und gebildeten Menschen wohl. Wir kennen solche Floskeln, solche lieb gemeinten, solche bös gemeinten Begrüßungsrituale, so daß die Menschen, denen wir im Film begegnen, doch mehr Typen sind, spezifische Typen, die wir auch alle kennen, die aber im Film natürlich richtige Menschen sein müssen, mit Namen und Aussehen und ihren Geschichten.

Also, die Sieben, die da zum Abendessen zusammenkommen, sind neben dem Gastgeber: dem Ehepaar Rocco und Eva Koch, gespielt von Wotan Wilke Möhring und Jessica Schwarz, das Ehepaar Leo und Carlotta Keschwari, gegeben von Elyas M’Barek und Karoline Herfurth sowie Simon und Bianca, dargestellt durch Frederick Lau und Jella Haase , und Pepe, der allein gekommen ist, aber endlich endlich auch eine Freundin hat, auf die die anderen neugierig sind, die aber heute Abend krank ist.

Man merkt schnell, daß die Freundschaft seit Schülertagen besteht. Zum einen ist etwas Ungezwungenes, halt Kumpelhaftes zwischen den Freunden, zum anderen spürt man, daß sie heute durchaus unterschiedlichen sozialen Schichten angehören. Am gesettelsten sind die Gastgeber, deren Wohnung all die Errungenschaften eines guten Lebens Bildschirmfoto 2019 11 05 um 19.09.16ausweist: die opulente Küche einerseits, aber die mit vielen vielen Buchregalen verzierten Wände andererseits. Jessica, eine schöne gepflegte Frau, ist Psychotherapeutin und wenn wir sie als kapriziös bezeichneten, soll das ausdrücken, daß sie spüren läßt, daß sie noch was in der Hinterhand hat. Aber auch ein Problem, unter anderem mit der heranwachsenden Tochter, der der Vater gegenüber der Gewährende ist. Rocco ist wohl überhaupt ein Mann, der gerne gibt. Er kommt aus einer Handwerkerfamilie und hat sich zum plastischen Chirurgen hochgearbeitet. Eigentlich bleibt er in dieser Runde die sympathischste Figur, auch der verständlichste Mensch.

Währenddessen sind Leo und Carlotta Keschwari noch am Anfang, nämlich mitten im Familienchaos, das zweijährige Zwillinge bedeuten. Das Besondere an der Situation ist, daß Leo den Hausmann gibt und Carlotta die völlig überforderte Berufstätige, die versucht, auch noch eine gute Mutter zu sein. Da bleibt die Ehefrau und aufregende Geliebte zu sein, leicht auf der Strecke. An ihnen wird im Telefonspiel darum auch als ersten eine Krise deutlich, die ein Erdbeben produziert.

Bildschirmfoto 2019 11 05 um 19.16.11Ganz anders sieht es bei Simon und Bianca aus, die als einzige noch unter Dreißig ist. Die beiden sind frisch verliebt und zeigen das auch. Für Bianca ist der Abend besonders wichtig, denn sie lernt erst jetzt seine Freunde kennen und hat einen Heidenrespekt vor ihnen. Ob die sie akzeptieren? Sie ist die Bunte und Naive in dieser Runde. Was ihr Sicherheit gibt, ist ihr Vermögen, das im Hintergrund sie zu einer Philanthropin macht, während Simon Geschäfte macht, mal reich, mal arm ist und derzeit Taxi fährt. Sie ist also eine gute Partie für ihn und etwas eitel zeigt er das auch den Freunden.

Und da ist noch Pepe, der Sportlehrer an einem Elitegymnasium, der als einziger die ganze Zeit nicht gebunden war, jetzt aber verliebt ist, also eine Freundin hat, die die Runde endlich kennenlernen will, die aber erkrankt ist und nur als Schemen über dem Eßtisch schwebt. Denn die Freunde vermuten, daß Pepe sich nicht traut, die Freundin mitzubringen, weil sie vielleicht den Ansprüchen der Freunde nicht genügt.

Daß da was dran ist, aber ganz anders, als die Freunde und erst einmal auch die Zuschauer vermuten, davon handelt dieser Abend, der alles platzen läßt, was als Gewohnheit, als Geheimnis, als Vorspiegelungen, als Verrat eben heimlich gelebt wurde.

Der Verleih hat darum gebeten, die Konflikte, die entstehen, noch nicht zu verraten. Wir halten uns dran, haben aber mit unseren Personenbeschreibungen schon angedeutet, was in der Luft liegt und durch die sieben Telefone auf der Eßtischmitte ausgelöst werden. Alles, was auf den Telefonen erscheint, wird öffentlich, wird geteilt. Telefonate werden auf Laut gestellt, Nachrichten, auch WhatsApp vorgelesen. Nach und nach eskaliert der Abend und wir sind dabei, wenn am Schluß die als Paare Gekommenen teils einzeln nach Hause gehen und das Leben für alle auf einer neuen Grundlage weitergeht. Zwischenwahrheit.

Doch, das wäre interessant, im Zehnjahresabstand, diese vier Freunde mit ihren jeweiligen Frauen oder Männern zu begleiten. Wagt dies Bora Dagtekin, der Regisseur, der mit Produzentin Lena Schömann den FACK JU GÖHTE-Erfolg in Szene setzte?

Info: Doch, das hatte was. Diesen Film über gutsituierte Paare im großen Saal der im Einkaufsparadies MyZeil im obersten Stock neuerrichteten Astor Film Lounge anzusehen – und nicht wie sonst, in den separaten Pressevorführungen, wo Kritiker unter sich sind. Hier konnte man die Reaktionen gerade des Publikums miterleben, für den dieser Film gemacht ist. Paare! Da unsereins wegen der Pressevorführungen, die ja sein müssen, damit am Tag des Anlaufens eine Rezension in der Zeitung steht, selten ins Kino kommt, war das ein Erlebnis, festzustellen, wie genau die Pointen ankommen, wie gebannt das Publikum das Geschehen verfolgte.

Das war wohl auch die richtige Zielgruppe dafür, sich gemeinsam einen schönen Abend zu machen. Denn das Angebot an Getränken und Snacks wurde reichlich genutzt, was unauffällig in den Minuten geschah, als auf der Leinwand Ausschnitte aus kommenden Filmen gezeigt wurde und ein dezenter Werbeblock. Darüber demnächst noch mehr. Frankfurt ist froh, wieder eine Astor Film Lounge zu haben.

Foto:
Es fehlen Simon und Rocco, die dafür im Film mehr Raum haben
© Verleih

Info:
Leo .................................. Elyas M’Barek
Pepe ............................... Florian David Fitz
Bianca ............................ Jella Haase
Carlotta ......................... Karoline Herfurth
Simon ............................. Frederick Lau
Rocco ............................. Wotan Wilke Möhring
Eva .................................. Jessica Schwarz
Sophie ............................ Emily Kusche
Leos Mutter ................. Adriana Altaras
Leo jung ........................ David Ali Rashed
Pepe jung ..................... Levi Eisenblätter
Simon jung ................... Luis Vorbach
Rocco jung ................... Valentin von Falkenhayn

Als Gäste am Telefon:
Katja Riemann
Alexandra Maria Lara
Julia Koschitz
Anna Maria Mühe
Max von der Groeben
David Schütter
Kida Khodr Ramadan

DREHBUCH & REGIE .........BORA DAGTEKIN