f laraaSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. November 2019, Teil 18

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Ein Rest von Sehnsucht ist zu spüren, wo immer Lara eines Klaviers ansichtig wird. Da, wo das eigene Instrument einmal stand, ist nur noch eine leere Wand und der Klaviersessel. Zu groß war die Sorge, die ehrgeizigen Ambitionen nicht verwirklichen zu können. Ein einziger vernichtender Satz ihres Klavierlehrers  konnte bewirken, dass sie die Tasten nicht mehr anrührte.

In seinem zweiten Film, der dieselbe Wucht besitzt wie sein viel beachteter Erstling „Oh boy“, porträtiert Jan-Ole Gerster eine unter Perfektionsansprüchen, Selbstzweifeln und Kontrollzwang leidende Frau.

Lara hat ihren Traum von einer Pianistenlaufbahn auf ihren Sohn Viktor projiziert, ihn unterrichtet und seine Karriere forciert. Das musste die Beziehung zwischen Mutter und Sohn belasten. Wenige Wochen vor seinem wichtigsten Konzertabend an Laras 60.Geburtstag hat Viktor den Kontakt zur dominanten Mutter abgebrochen.

Der Film reduziert sich auf diesen einen Tag. Er beginnt mit einem skurril scheiternden Selbstmordversuch: Gerade als Lara sich aus dem Fenster stürzen will, klingeln zwei Polizisten und verdonnern die frühpensionierte Beamtin zur Zeugenschaft bei einer Wohnungsdurchsuchung.

Kurz darauf hebt Lara ihr gesamtes Geld ab, kauft sämtliche Restkarten zu Viktors Konzert auf und drückt alten Bekannten und Zufallsbekanntschaften eine Karte in die Hand. Ihr roter Mantel ist der einzige Farbtupfer in streng kadrierten Bildern von Landschaften in Grautönen.

Ihr Ehemann, der sie verlassen hat (Rainer Bock), ehemalige Arbeitskollegen und die alte zynische Mutter  (Gudrun Ritter) finden die Protagonistin streng, boshaft und penetrant. Tatsächlich verschont Laras schonungslose Ehrlichkeit niemanden: Der Nachbar (André Jung), der sie in rührender Weise verehrt, besitzt ein schlichtes Gemüt, - der Klavierschüler, den sie in Abwesenheit seines Lehrers vorspielen lässt, ein Junge ohne Talent, der kostbare Zeit mit stupiden Handyspielen vertrödelt.

Laras undiplomatische Einschätzungen erscheinen psychologisch gesehen furchtbar, in der Sache hat sie aber oftmals Recht. Auch ihren Sohn (Tom Schilling)  verunsichert sie mit ihrem strengen Urteil über seine Komposition.

Der große Ehrgeiz der Titelheldin spiegelt sich in Tom Schilling, der für die kleinere Rolle des Viktor so lange am Klavier übte, bis er Chopins Revolutionsetüde und die neue Komposition, die der Deutsch-Iraner Arash Safaian für den Film schrieb, selber spielen konnte.

Über Viktors kontrovers aufgenommene Komposition gelangt en passant ein spannender Diskurs um zeitgenössische Musik in den Film.

In der Titelrolle brilliert Corinna Harfouch mit einer faszinierenden Mischung aus beherrschter Leidenschaft, Klugheit, Sehnsucht, Gram und Trotz. „Lara“ ist ganz und gar ihr Film. Und einer der wenigen, die glaubwürdig und anspruchsvoll von der Welt der klassischen Musik erzählen.

Foto:
Verleih Studiocanal

Info:
„Lara“, D 2019, 98 Minuten, Filmstart 7. November
Regie Jan-Ole Gerster mit Corinna Harfouch, Tom Schilling, Johann von Bülow u.a.