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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2019 11 07 um 18.54.38Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. November 2019, Teil 21

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) – Was hat sich dieser Typ bloß dabei gedacht? Da leben die zwei schon 50 Jahre in privilegierter Situation zusammen. Sie, Helle (Birthe Neumann), die Ehefrau, die sich gut gehalten hat und ein Leben lang die war, die dem Ehemann Peter (Kurt Ravn) den Rücken freihielt und sich darauf freute, mit ihm endlich ein gemeinsames Leben nach seiner Pensionierung, die für ihn den Siebzigjährigen einer Zwangspensionierung gleichkommt, zu haben. Und dann das!

Erst hebt er heimlich alles Geld, rund 1, 8 Millionen Euro vom Konto ab und kauft sich in einem Weingut in Österreich ein. Und dann zieht er aus und sagt, daß es vorbei sei, denn er kenne sie in und auswendig, wüßte genau, was jeder Gesichtsausdruck bedeute, jede Augenbraue etc. Ein unverschämtes Verhalten, was man aber sofort versteht, das ist, daß hier zwei an einem Punkt angekommen sind, wo die Interessen und Lebensziele auseinandergehen. Das Traurige für die Ehefrau ist nur, daß sie ihr Leben vertandelt hatte, immer auf das richtige Leben nach seiner Pensionierung gewartet hatte, von den Luxusreisen mit ihm geträumt hat, während er immer ein Geschäftsmann war, der eher auf sein Ausscheiden aus seiner Tätigkeit gewartet hatte, damit er richtig losschlagen kann.

Flankiert wird das Geschehen doppelt. Auf der einen Seite gibt es die gemeinsame Tochter, die mit Ehemann und Tochter in der Nähe wohnt. Zu ihr zieht erst mal Peter und wie es oft ist, freundet er sich mit seiner Enkelin richtig an, die ihn einweist, wie man digital mehr aus sich macht. Denn daß da eine Neue her muß, ist klar, schließlich weiß er nichts vom täglichen Leben, war immer verwöhnt, eben ein Geschäftsmann, der sich aus den niedrigen Tätigkeiten heraushält.

Die andere Seite sind die Freunde. Denn es war eine regelrechte Sechserbande, die ständig Gegenbesuche machten, eigentlich alles miteinander teilten. Nun sind alle in die Jahre gekommen, aber versuchen, das Beste daraus zu machen. Die Freunde sind zwiespältig, denn sie fühlen zwar mit der verlassenen Ehefrau, aber wollen auch den Freund nicht bestrafen. Bisher läuft alles wie man es von solchen Komödien über alternde Lieben kennt. Das ist in der Tat inzwischen ein eigenes Genre geworden, so wie es die sogenannten Coming out Komödien gibt, so gibt es die Altenfilme mit den typischen Problemen von nachlassender Sexualität, Langeweile und dem Wissen, daß nichts Besseres mehr kommt, außer man tut es, entzieht sich dem Alltag und versucht etwas Neues.

Was Peter angeht, wird er sich wundert. Zwar gefallen ihm andere Frauen, und er versucht es, aber dann wird er Zeuge von Verhaltensweisen seiner Frau, die er nicht für möglich gehalten hätte. Sie hat sich inzwischen mit der Frau angefreundet, die in der Bank für das gemeinsame Konto verantwortlich ist. Und nach und nach wird mehr daraus. Ganz unversehens kommt es dann bei einer Party zu einer Nacht zu Dritt, die für die beiden Frauen Konsequenzen haben wird.

Helle lebt auf, sie verändert sich, wird aktiv und lebt in der Gegenwart, sie, die immer an morgen dachte.

Und Peter? Peter guckt dumm aus der Wäsche, denn von seinen Aufbruchsgefühlen bleibt nichts mehr übrig. Zwar läuft das Weingeschäft, aber sonst nichts. Langsam begreift er, wie gut es ihm mit seiner Frau Helle ging. Zudem findet er sie ausgesprochen attraktiv, so glücklich wie sie aussieht.

Der Film überrascht durch ausgesprochen witzige Szenen, wenn Helle im Schrank verschwindet oder das Telefon in eine Vase steckt. Tatsächlich ist endlich keine sentimentale Stimmung noch ein Rührstück über Versäumnisse aus diesem Film geworden, sondern eine sehr positive Würdigung von Prozessen, die Lebensveränderungen bedeuten, dies anzunehmen, also auch im Alter Neues zu wagen, ist vielleicht das Wichtigste an diesem Film.

Überrascht erfährt man, wenn man sich darum kümmert, daß die dänische Drehbuchautorin Mette Heerno hier die Geschichte ihrer Eltern erzählt, die sich nach 50 Jahren scheiden ließen. Regisseurin Hella Joof und die Produzentin Mie Andreasen (ADAMS ÄPFEL, DAS FEST) haben daraus zusätzlich eine romantische Komödie über die Schönheit des Alters gemacht. Es ist wirklich neu, daß sich ältere Frauen ausziehen und keine Scheu vor Alter und Bauch haben und dies auch nicht peinlich wirkt.

Foto:
© Verleih

Info:
HAPPY ENDING
EIN FILM VON Hella Joof
MIT Birthe Neumann, Kurt Ravn, Charlotte Sieling, Marianne Høgsbro u.v.m.

Abdruck aus dem Presseheft
PRODUZIERT VON Mie Andreasen / Happy ending Film & TV ApS
IM VERLEIH BEI Camino Filmverleih