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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2019 11 14 um 21.25.54Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. November 2019, Teil 17

Pia Hellenthal

Berlin (Weltexpresso) - 2014 gab mir meine Co-Autorin Giorgia Malatrasi eine URL und sagte: „Lies das, ich weiß nicht, ob ich spinne, aber ich glaube das ist was Besonderes.“ Ich las und hörte nicht mehr auf. Dort teilte eine junge, sehr kluge Frau ihr Leben – akribisch und brutal ehrlich – mit Kids überall auf der Welt. Es stieß mich ab und faszinierte mich zugleich.

Etwas daran, wie Eva sich dort physisch und mental nackt machte, brachte für mich das Gefühl unserer Zeit auf den Punkt. Als wir Eva das erste mal trafen, erzählte sie uns Dinge, die man einfach nicht erzählt, wenn man Leuten zum ersten Mal begegnet. Es hatte nichts damit zu tun, dass sie uns besonders vertraute – die Zensur der Privatsphäre existierte für sie schlicht nicht.

Das warf uns auf uns selbst zurück, auf unsere eigenen Vorurteile und Kategorien, in die wir sie zu stecken versuchten, um irgendwie aus ihr schlau zu werden. Da wir keine rechten Worte finden konnten, um zu beschreiben, was uns so gefangen nahm, beschlossen wir, einen Film zu machen.

Am Anfang war es ein Kampf, den Finger auf die Wunde zu legen. Es war paradox: Eva ändert sich pausenlos, entzieht sich jeder Definition. Sie verwischt jegliche Grenze, die helfen würde, sie als etwas, als jemand zu identifizieren. Wie sollten wir also einen Film über jemanden machen, der sich all unseren Versuchen, sie zu erzählen, entzog?

Eva war uns unterwegs immer einen Schritt voraus, postete immer schon eine neue Zusammenfassung des Films, wenn wir selbst noch nicht wussten, wo es lang ging. Im Laufe des Prozesses beschäftigte mich immer mehr die Tatsache, dass mein Bild von mir als Frau, als Mensch – auch die letzte Ecke meines Privatlebens beherrschend – eine Konstruktion der Geschichte, der Gesellschaft ist. Mir wurde klar, wie sehr ich die Feindlichkeit gegen Frauen, gegen Sexarbeiterinnen, gegen queere, unangepasste Lebensformen ... (the list goes on) internalisiert hatte, wie tief sie mir in den Knochen saß, in meiner Sprache, und wie sie meine Weltsicht beherrschte.

Erst nach Abschluss der Montage habe ich so richtig verstanden, dass es mir bei dem Film darum geht, sich vom Blick der anderen freizumachen, von ihren Erwartungen, wer wir sein sollten – besonders als Frau.”

Foto:
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Info:
Original Titel: Searching Eva
Regie: Pia Hellenthal
Drehbuch: Giorgia Malatrasi, Pia Hellenthal
Dramaturgie: Lisa Reisch
Protagonistin: Eva Collé