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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2019 11 14 um 21.32.57Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. November 2019, Teil 18

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) – Wie schade, daß die enthusiastischen Äußerungen über diesen Film, die eine von der Regisseurin selbst, ging dieser Rezension voraus, offiziell eine Dokumentation über eine junge Frau, eine 25jährige Italienerin in Berlin, sich bei uns nicht einstellten. Weder waren wir so fasziniert vom Leben und Treiben der jungen Frau, noch hingerissen von deren Weigerung, eine bestimmte Person sein zu sollen, so in der Art, ich bin eine andere, alles auf einmal ist, Gegensätze vereint.

Es ist doch nicht wahr, daß die Umwelt jungen Menschen nur eine Möglichkeit der Identifikation gäbe, nur eine Persönlichkeit, die sie leben können. Schon die Tatsache, daß wir Tochter, Schwester, Freundin, Ehefrau, Geliebte, Filmregisseurin, Filmschauspielerin, Kamerafrau... sein könnten, zeigt doch, daß in einer Person immer sehr viele Möglichkeiten stecken, daß es also auf den Kontext ankommt.

Der Film tut auch so, als ob wir sozusagen mittels heimlicher Kamera dabei sind, daß wir also eine EVA erleben, wie sie wirklich in ihrem Leben ist. Diese Sicht soll sicher auch verfestigt werden, durch viele persönlich gesprochene Passagen dieser Eva, in denen sie über sich, über ihre Herkunft, ihre Absichten, ihre Überzeugungen spricht. Ausgangspunkt, daß wir etwas Besonderes sähen, liegt darin, daß die sich Eva Collè nennende Sara seit ihrem 14. Lebensjahr jegliche Unterscheidung von privat und öffentlich aufgegeben haben soll und ihr Leben mit dem Internet teilte, also eigentlich virtuell jederzeit verfügbar war. Mit 14 Jahren steckt man mitten in der Pubertät und erprobt sich in vielfältigen Formen. Wenn eine erwachsene Regisseurin ein derartiges Interesse an der dann 25jährigen entwickelt , die weiterhin so lebt, und über sie tatsächlich schreibt,“ Mir wurde klar, wie sehr ich die Feindlichkeit gegen Frauen, gegen Sexarbeiterinnen, gegen queere, unangepasste Lebensformen ... (the list goes on) internalisiert hatte, wie tief sie mir in den Knochen saß, in meiner Sprache, und wie sie meine Weltsicht beherrschte.“, dann mag das für sie zutreffen, wie sollte man ihr das bestreiten. Aber ist daraus zu schlußfolgern, daß dies auch für andere gilt? Nein! Ist der Film also nur für die interessant, die da Nachholbedarf haben?

So zwischendrin, wir verfügten nur über eine englischsprachige Fassung, die immer dann schwer zu verstehen ist, wenn es keine native speaker sind, empfanden wir den Film wie einen Werbefilm, der ein Produkt anpreist, auch als einen Film, wie diese Eva sich gerne in der Welt gespiegelt sähe. Und empfanden ihn als gestellt und unecht. Schlimmer noch. Als Fake. Denn er tut so, als ob wir unverstellt diese Eva, die in den Szenen in Italien in ihrer Familie Sara genannt wird, als ob wir ihrem Leben zusähen. Was wir aber sehen, sind die Filmaufnahmen von Pia Hellenthal, die so tut, als ob sie zufällig die Kamera auf die Personen, auf die Szenen richtet. Eine Dokumentation ist etwas anderes.

Drei Sachverhalte sind es, die uns interessieren. Es ist ein Film über eine junge internationale, dann eben auch Englisch kommunizierende Jugend. Es ist ein Film über eine extrem androgyne junge Frau, die in vielen Aufnahmen, so die Nacktaufnahmen im Feld und anderswo, auch ein Mann sein könnte. So ist die eben angesprochene Szene, wo sie mit kurzgeschoren Haaren in der Dunkelheit angestrahlt wird, wo sie nackt, aber mit durchgedrückten, nach vorne geschobenen Beinen steht, wie dem Selbstbildnis des österreichischen Malers Richard Gerstl entsprungen, dessen Leben 1908 mit 25 Jahren tragisch endete.

In dessen Leben hatte sich alles Untere zuoberst gekehrt. Im Leben der Eva geht alles seinen Gang. Mit Freundinnen, mit Liebe, mit bezahltem Sex. Wovon sie lebt, wer ihr Leben bezahlt, wieso sie in Berlin lebt, weshalb wir mit ihr in Mexiko sind und dann in Athen, was die komische Szene mit dem Bayern soll, wo sie als Sexarbeiterin vorgeführt wird, die sich an die Regie des Mannes zu seiner Lust halten soll, der von ihr hören möchte, „Stoß mi fest“, was sie inhaltlich nicht versteht, auf jeden Fall so zum Lachen bringt, wie eine Deutschsprachige auch, selten im Film eine so unerotische Situation beim gewollten Beischlaf gesehen, denn jeder weiß, das Lachen ist der Tod alles Steifen. Und wenn später sich der Beischläfer die Hosen anzieht und Eva, diesmal auf Weiblich mit langen Haaren in einer langen Einstellung ins Nichts schaut. Das ist einfach belanglos.

Der dritte Sachverhalt sind die Filmaufnahmen. Darunter sind einfach schöne Bilder, von den Farben her, viele im Halbdunkeln oder Dunkeln. Aber das reicht nicht, um das Interesse an diesem Film, der nicht narrativ erzählt, sondern unter Überschriften thematisch abhandelt, zu entwickeln. Wie gesagt, es sei denn, man war zuvor frauenfeindlich etc.

Aber für uns hat die Sichtung aus einem anderen Grund gelohnt. Denn wir bekamen mit, daß die Filmfirma eine Reihe BLAUE SERIE herausgibt, in der gerade eine Neuheit angepriesen wird, die eigentlich eine Altheit ist: “DER WEG NACH OBEN” VON JACK CLAYTON

ist am 8. November als DVD herausgekommen, das ist der Film mit Simone Signoret , der damals Furore machte.

Dann lesen wir noch: „Die blaue Serie“ widmet sich sowohl herausragenden Filmen, welche die Filmwelt geprägt haben, als auch Filmperlen, die bisher noch nie auf DVD oder VoD-Portalen veröffentlicht worden sind. Die Serie ist durch das blaue Artwork und die extra für diese Serie hergestellten blauen Amaray DVD-Hüllen zu erkennen und speziell für Cineasten und Sammler zusammengestellt. Sie wird demnächst fortgesetzt mit „Mata Hari“ von1964 mit Jeanne Moreau in der Hauptrolle.

Das wollten wir doch unbedingt weitergeben und gerne darüber berichten.