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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2019 11 26 um 12.51.19Das EXGROUND FILMFEST vom 15. bis 24. November in Wiesbaden, Schwerpunkt BRASILIEN, Teil 5

Claudia Schulmerich

Wiesbaden (Weltexpresso) – Eigentlich sind wir wegen des im Titel genannten kubanisch-deutschen Films am Donnerstag, 21. November ins Murnau-Filmtheater gekommen, einem 92 Minuten langen Films von 2018, spanisch mit englischen Untertiteln, was sich auch lohnte, aber die Sensation wurde die zuvor gezeigte Europapremiere eines peruanischen Kurzfilms AUTOS FANTIASTICOS, der so witzig, frech und doch gefühlvoll anheimelnd ist, daß wir ihn glatt für einen kubanischen Film gehalten hatten!! Also ein Adelsprädikat. 

exfantasFangen wir damit an,  FANTASTIC CARS [AUTOS FANTASTICOS], Peru 2019 8 Min. OmeU, Europapremiere von Barney Elliott. Wir sehen einen Hof mit etwas altertümlichen Autos, die aber so persönlich aussehen, daß man zweimal hinschaut. Das sind die Zeiten der amerikanischen Rostlauben, die man eben auch aus Kuba kennt. Daher sicherlich auch die selbstverständliche Erwartung, wir seien in einem Gebrauchswagengelände in Kuba gelandet, weil dort diese Fahrzeuge gehegt und gepflegt werden. Peru ist zwar weit, aber auch Lateinamerikanisch, denn das merkt man gleich, wenn der Vater auf Spanisch loslegt. Eigentlich will also der Sohn ein Auto kaufen, aber der Vater ist in seiner Emotionalität dem Sohn voraus und schmeißt sich sozusagen an eine scharfpinkfarbenen Limousine ran. Man muß dieses Auto mit eigenen Augen sehen - wir konnten aber kein Foto auftreiben -, um zu verstehen, daß solch ein Auto die Menschen trennt. Der erfahrene und sich seiner Gefühle nicht schämende Vater verliebt sich sofort, dem Sohn ist so ein Auto eher peinlich. 

Dafür hat er ein anderes im Auge. Da lachen wir mit, denn auch diese Auto ist köstlich - und ein VW!! Dazu die witzigsten Sprüche, was die Deutschen besser machen als...
Der eigentlich Kick im Film beginnt, wenn die Autos zu sprechen beginnen und sowohl Vater wie auch Sohn in ihren Bann schlagen wollen. Die Vermenschlichung von Gegenständen ist aus dem magischen Denken berühmt, aber längst schon von der Werbung abgegriffen und inzwischen durch die Sprachcomputer längst Wirklichkeit geworden. Doch hier bei diesen Autos denken wir nicht an Digitales, sondern erleben die sprechende Seele des Gefährts, die Beseelung von Autos, die sich dem potentiellen Käufer anbieten, mit ihm ein Kaufgespräch führen, daß ja doch eher ein Liebesgesäusel ist. Das ist wirklich ein großes Vergnügen, dem, was Männern das Liebste ist, ihr Auto, zuzuschauen. Mag sein, es ist die Welt und die Männer von gestern, denen wir zuschauen. Das Kind im Manne. Und das Auto als autonomes Wesen. Fast menschlich.

Der kubanische Spielfilm ist so spielerisch wie zukunftszugewandt. In der ehemaligen Lehrerin Celeste haben wir eine, die gut geeignet ist, zu zeigen, was bis heute den großen Reiz der Bekanntschaft mit Kubanern in Kuba ausmacht: die Liebenswürdigkeit und der Drang nach Erkenntnis, nach Wissen, eine Sehnsucht nach mehr. Damit das richtig verstanden wird, kurz ein Hinweis darauf, was im Film nicht vorkommt. Die Analphabetenrate war nach der Kubanischen Revolution in Kuba sehr viel geringer als in Deutschland, weil damals selbst das kleine arme Bäuerlein auf dem Land, das mit chinesischen Lampen am Abend das Lesen lernte, einen Lerneifer an den Tag, besser die Nacht legte, weil es sich als Teilhaber eines gesellschaftlichen Aufbruchs verstand. Das Lesen, Schreiben, Rechnen war die Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaft. Von daher paßt es gut, daß diese liebevoll zwischen den Welten plazierte Geschichte mit einer ehemaligen Lehrerin Fahrt aufnimmt, wenn nun im staatlichen Fernsehen Kubas das Angebot ausgestrahlt wird, die längst in Kuba lebenden Aliens sprächen eine Einladung an die Kubaner aus, sie auf ihren Planeten zu besuchen: Freiwillige nach vorne. Celeste ergreift diese Chance, denn das ist eine für sie, die das Einerlei der Tages- und Nachtabläufe doch schon über ist und einfach intellektuelle und emotionale Lust auf Neuheiten hat. 

Kein weltbewegender Film, aber einer, der spielerisch mit Sehnsüchten und dem, was im Alltag dagegenspricht, umgeht. 

Foto:
©  Celeste Garcia, Verleih
© Autos Fantasticos, Verleih

Info:
THE EXTRAORDINARY JOURNEY OF CELESTE GARCÍA [EL VIAJE EXTRAORDINARIO DE CELESTE GARCÍA
B: Arturo Infante, K: Javier Labrador, S: Joanna Montero, M: Magda Rosa Galbán, Juan Antonio Leyv, P: Claudia Calviño, Ernst Fassbender, D: Maria Isabel Díaz, Omar Franco, Néstor Jiménez

FANTASTIC CARS 
Peru 2019 8 Min. OmeU
Europapremiere
von Barney Elliott

do 21 nov 20.00 uhr Murnau-Filmtheater THE EXTRAORDINARY JOURNEY OF CELESTE GARCÍA [EL VIAJE EXTRAORDINARIO DE CELESTE GARCÍA] von Arturo Infante Kuba/Deutschland 2018 92 Min. span. OmeU