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Kategorie: Film & Fernsehen
f meinendeSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. November 2019, Teil 11

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Erst möchte man nicht an Noras (Saskia Rosendahl) Stelle sein, als ihr Freund Aron (Julius Feldmeier) bei einem Banküberfall, in den sie geraten, erschossen wird, aber dann sehen wir in Rückblenden, wie sich die beiden kennen- und auf Anhieb lieben lernten und wüßten wir nicht vom tragischen Ende, dann wären wir sehr gerne an ihrer Stelle gewesen.

Das Drehbuch hat die 31jährige Münchner Regisseurin Mariko Minoguchi selbst geschrieben und anschließend verfilmt. Dies ist nicht nur ihr Debüt, sondern sie kommt aus dem Nichts, hat nie eine Filmhochschule besucht und sich das, was man als Wissen und Erfahrung fürs Filmemachen braucht, also das Handwerkszeug selber beigebracht. Respekt. Denn es ist ein gelungenes Debüt, das schon vorneweg; es bringt eine ungewöhnliche Art des Erzählens auf die Leinwand, auch wenn nach außen hin erst einmal viel mit Rückblenden gearbeitet wird.

Die sind nötig, damit wir nach dem dramatischen Auftakt, wo beide in einer Bank Geld abheben wollen und mitten in einen Überfall geraten, bei dem Aron tödlich getroffen, stirbt. Dabei war die Liebe gerade zu Blühen gelangt, deshalb sehen wir in besagten Rückblenden wie diese beiden, sich kennenlernen, was die Kassiererin Nora für absoluten Zufall hält, während der Doktorand der Physik aus dem gehobenen Haus, der an die Vorbestimmung glaubt, als sie sich in der U-Bahn kennenlernen, den Wink des Schicksals spürt. Leider auch, als er sich in der Bank, wo sie schlicht Bargeld abheben wollten, über seine Freundin wirft, als einer der Bankräuber durchdreht und schießt.

Der Witz, nicht Komik, sondern Tragik ist nun, daß gerade der, der Aron erschossen hat, Natan (Edin Hasanovic) Nora hilft, damit fertigzuwerden. Was so sachneutral „fertigwerden“ heißt, bedeutet ja, daß man ein solches traumatisches Erlebnis ein Leben lang mit sich trägt, aber es sehr entscheidend wird, wie man es aufzuarbeiten versucht. Natan auf jeden Fall hat sofort einen Draht zu Nora, die ja nicht das weiß, was der Zuschauer weiß, daß Natan der Mörder ihres geliebten Aron ist. Der Zuschauer aber weiß noch mehr, was Nora nach und nach erfährt. Erst einmal nämlich sympathisiert der Zuschauer durchaus mit Nathan, wenn man mitbekommt, daß dieser eher unbewußt in einem Supermarkt ein Armband einsteckt, mit dem es folgende Bewandtnis hat: seine an Leukämie erkrankte Tochter verliert ihre immer und in dem Supermarkt arbeitet er als Nachtwächter. Er weiß doch eigentlich selber, daß hier alles überwacht wird, aber wie gesagt, war er nicht ganz bei sich, muß nun aber mit der Konsequenz der sofortigen Entlassung leben.

An dieser Entlassung hängt aber ein Rattenschwanz, denn bisher war er durch den Arbeitgeber krankenversichert, d.h. die sehr teuere Krebsmedizin seiner Tochter Ava wurde bezahlt, was jetzt wegfällt. Daß er dafür 100 000 Euro braucht, gehört auch nicht zu unserem Erfahrungswissen.

Es treffen also mit Nora und Natan zwei Opfer aufeinander, wobei Natan Opfer und Täter in einem ist. Eine dramatische und tragische Konstellation, aus der die Regisseurin etwas Leichtes und Schwebendes macht, ohne daß Oberflächlichkeit entsteht. Daß Nora schon sehr bald das Bett und die Nacht mit Hasan teilt, versteht der Zuschauer aus ihrer Verlorenheit nach dem Tod von Aron. Doch das eigentliche Geheimnis liegt darin, daß ihr Natan seltsam vertraut ist.

Als Nora hinter Natans furchtbares Geheimnis kommt, weil sie im Foto der maskierten Bankräuber Natans Augen erkennt, will sie ihn erschießen. Zuvor aber hatte sie im Krankenhaus einen Test machen lassen, ob sie als Stammzellenspenderin für Ava in Frage käme. Ja, heißt es und das ist nun gewissermaßen ein offenes Ende, wie sie damit umgeht. Aber es wirkt, als ob sie tatsächlich das Leben des Mädchens retten wird. 

Foto:
© Verleih

Info:
Ein Film von MARIKO MINOGUCHI Mit SASKIA ROSENDAHL, EDIN HASANOVIC, JULIUS FELDMEIER, EMANUELA VON FRANKENBERG, HANNS ZISCHLER Kinostart: 28.11.2019 111 Minuten / Deutschland 2019 / 1:2,39 / SRD 5.1