f littlejoeSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. Januar 2020, Teil 6

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Ein Patent, das dauerhaft Glück beschert, wurde noch nicht erfunden. Aber womöglich arbeiten Wissenschaftler bereits daran, ein solches zu kreieren?

In Jessica Hausners jüngstem Science-Fiction-Drama widmet sich jedenfalls eine für ein biotechnologisches Unternehmen tätige Wissenschaftlerin einem solchen utopischen Versuch. Zusammen mit ihrem Projektpartner Chris (Ben Wishaw) erschafft die alleinerziehende Mutter Alice (Emily Beecham) eine Pflanze, die mittels eines genetisch modifizierten Dufts Glückshormone freisetzen- und viel Geld in die Kassen des Unternehmens spülen soll.

Die Pollen der nach ihrem Sohn benannten blutroten Wunderblume „Little Joe“ können indes gefährlich werden. Wer zuviel an ihr schnuppert, verändert sich und interessiert sich fortan nicht mehr für seine Artgenossen, sondern nur noch für das Heil der Pflanze.

Ehrgeizig die bevorstehende Messe im Visier, ignoriert jedoch die Genforscherin die Nebenwirkungen ihres Geschöpfs, die sich zuerst am Hund ihrer Kollegin Bella (Kerry Fox) zeigen. Erst als sich  nach und nach die Kollegen seltsam verhalten und sich ihr Sohn von ihr löst, beginnt Alice am Sinn ihrer  Erfindung zu zweifeln.

Nun sind charakterliche Veränderungen von Menschen unter gespenstischen Einflüssen  ein beliebtes Sujet in  Horror- und Mystery-Filmen, denkt man an Produktionen wie „Shining“, „Landhaus der toten Seelen“, „Ring 2“  oder „The Hole in The Ground“. Ein Genrefilm zum Gruseln wie Hausners viel beachteter Thriller „Hotel“ ist „Little Joe“ gleichwohl nicht.

Die Österreicherin ergeht sich mehr in psychologischen und soziologischen Betrachtungen. Den  Beschönigungen und Versprechungen, denen sich Menschen in ihrer Sehnsucht nach Glück und Liebe gerne hoffnungsvoll hingeben, ging sie in früheren Werken allerdings schon scharfsinniger nach. So entlarvte Hausner das große religiöse Geschäft mit vermeintlichen Wunderheilungen am katholischen Wallfahrtsort („Lourdes) oder entzauberte  den „Liebestod“ von Heinrich von Kleist und Henriette Vogel („Amour Fou“). Diesmal nun geht es darum, wie Gefühle benutzt und zur Ware werden. Nur beunruhigt diese Geschichte zu wenig.

f littlejoe1Zwar streift die Regisseurin unterschwellig Konflikte von Frauen zwischen Karriere und Mutterschaft, fragt danach, ob sich die Natur für die Manipulationen rächt oder was den Menschen zum Menschen macht.  Aber einen Erkenntnisgewinn gibt es nicht.  Vor allem  wirkt die Spannungsdramaturgie recht dünn. Die Geheimnisse liegen viel zu früh offen, die Handlung zieht sich mit redundanten Wiederholungen in die Länge, überraschende Wendungen bleiben aus.

Qualitäten bezeugt der Film immerhin ästhetisch. Klinisch-kühle Bilder in Cinemascope, die sich der großen Leinwand empfehlen, korrespondieren mit der sterilen Atmosphäre im Labor.  Das kräftige Rot der aggressiven Blume dominiert die überwiegend in Weiß und Pastelltönen gehaltene monochrome Farbgebung in Martin Gschlachts exzellenter Kamera-Arbeit. Alles wirkt steril und künstlich.

Wiewohl nicht zuletzt die rituelle, unheimliche  Perkussions-Musik im Soundtrack Beachtung verdient, ist das Ergebnis doch ein recht spröder  Film.

Fotos:
© Verleih

Info:
B E S E T Z U N G
ALICE EMILY BEECHAM
CHRIS BEN WHISHAW
BELLA KERRY FOX
JOE KIT CONNOR
KARL DAVID WILMOT
RIC PHÉNIX BROSSARD
IVAN SEBASTIAN HÜLK
PSYCHOTHERAPEUT LINDSAY DUNCAN
u.v.a.

S T A B
REGIE
DREHBUCH
JESSICA HAUSNER
JESSICA HAUSNER, GÉRALDINE BAJARD