f littlejoe2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. Januar 2020, Teil 5

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - Neurowissenschaftler James Fallon ist Professor für Psychiatrie und Menschliche Verhaltenspsychologie und Professor Emeritus für Anatomie und Neurobiologie an der University of California.

Jessica Hausner: Unsere Geschichte handelt von einer Frau, einer Pflanzenzüchterin, die eine wunderschöne, genetisch modifizierte Pflanze kreiert.


James Fallon: Oh, also wie im Film „Der kleine Horrorladen“, wo die Pflanze einen am Ende auffrisst (lacht).


Hausner: (lacht) Genau. Vielleicht ist „Der kleine Horrorladen“ sogar eine der Inspirationen für den Film. Diese Blume jedenfalls, um die es bei mir geht, hat einen wunderbaren Duft, der einen glücklich machen soll. Aber nach einer Weile scheint die Pflanze die Menschen auf eine Weise zu beeinflussen, bei der sie am Ende nicht mehr sie selbst sind. Es gibt keine spezifischen Symptome: sie haben keine allergische Reaktion und zeigen auch nicht im eigentlichen Sinn besondere psychologische Veränderungen. Jemand, der diese Person nicht sonderlich gut kennt, würde also keinen Unterschied feststellen und sein Gegenüber für unverändert halten. Nur jemand, der ihr ganz nahesteht, würde eine Veränderung wahrnehmen, etwa eine Mutter bei ihrem Sohn. Sie würde sagen: „Das ist nicht mehr mein Sohn, was ist mit ihm passiert?“


Fallon: Das ist eine tatsächliche psychiatrische Störung, eine neurologische Sache.


Hausner: Davon haben wir gehört. Das Capgras-Syndrom, nicht wahr?


Fallon: Genau. Der Betroffene glaubt, eine ihm nahestehende Person sei durch einen Doppelgänger ersetzt worden.


Hausner: In unserer Geschichte ist es durchaus auch eine Möglichkeit, dass die Person ein psychisches Problem hat. Wir wissen nicht, ob die Person sich das ausdenkt oder einbildet oder diese Veränderungen im Gegenüber tatsächlich stattfinden. Diese Ambiguität besteht den gesamten Film über. Aber zumindest finden wir heraus, dass die Pollen der Pflanze etwas enthalten, das womöglich eine Veränderung der Persönlichkeit verursachen kann. Das haben wir uns ausgedacht ohne zu wissen, ob so etwas überhaupt in der Realität möglich wäre.


Fallon: Das wäre es! Diese Pflanze könnte womöglich eine Mischung verschiedener chemischer Stoffe abgeben, etwa Peptide und Steroide. Oder sie könnte einen Virus enthalten. Wenn es ein Virus ist, dann liegt die Ursache aber natürlich nicht in der Pflanze an sich. Ein solcher Virus könnte bestimmte Gehirnzellen angreifen und quasi an- oder ausstellen, was sich auf das menschliche Verhalten auswirken würde. Pflanzen und Viren „benutzen“ uns seit 100 Millionen Jahren und kreieren Substanzen, die unser Verhalten beeinflussen. Pflanzen machen Nikotine, Opiate und alle möglichen chemischen Stoffe, die Auswirkungen auf uns haben. Wir benutzen sie, aber andersherum ist es genauso. Von Viren haben wir kleine DNA-Partikel übernommen, die man Transposons nennt. Die kann man auch über Nahrung aufnehmen. Sie können ins Darmgewebe gelangen und werden ein Teil von uns. Sie könnten also quasi zu dem Teil von Österreich werden, aus dem Sie kommen, in dem sie bestimmtes Essen von dort zu sich nehmen. Und sollten diese winzigen Teile das  Verhalten regulieren, dann kann es sein, dass man nicht nur eine Vorliebe für sie entwickelt, sondern sie könnten zur Notwendigkeit werden.

Ich sehe keinen Grund, warum ein Virus, der eine Pflanze angreift, nicht auch ein Tier angreifen könnte. Häufig sind Viren artenspezifisch, aber es gibt Kreuzungspunkte. So etwas ist sicherlich selten, aber zu behaupten, das könnte gar nicht passieren, ist falsch.


Hausner: Könnte ein solcher Virus denn bewirken, dass jemand zwar im Grunde der gleiche bleibt, aber Gefühle nicht mehr wirklich fühlt? Also das jemand letztlich nur noch so tut, als würde er sein Gegenüber lieben, aber es nicht mehr wirklich empfindet? Wäre es also möglich, dass der Virus nicht das Verhalten, sondern die Emotionen beeinflusst?


Fallon: Um das zu tun, müsste er die Verbindung zwischen der Amygdala und dem Hippocampus trennen. Auf die gleiche Weise funktioniert ja auch Gesprächstherapie, die bekanntlich von Ihren Landsmännern erfunden wurde. Wie spricht man die Gefühle eines Menschen an? Wie kommt man da heran? In dem man den oberen Teil des präfrontalen Cortex anspricht, wo eine Verbindung zu Hippocampus und Amygdala besteht. Dort verändert man die Verbindung zwischen Erinnerungen und Emotionen.


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Info:
B E S E T Z U N G
ALICE EMILY BEECHAM
CHRIS BEN WHISHAW
BELLA KERRY FOX
JOE KIT CONNOR
KARL DAVID WILMOT
RIC PHÉNIX BROSSARD
IVAN SEBASTIAN HÜLK
PSYCHOTHERAPEUT LINDSAY DUNCAN
u.v.a.

S T A B
REGIE
DREHBUCH
JESSICA HAUSNER
JESSICA HAUSNER, GÉRALDINE BAJARD

Es handelt sich um einen Auszug aus dem Gespräch, Abdruck aus dem Presseheft