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Kategorie: Film & Fernsehen
1917Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Januar 2020 Teil 12

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Nordfrankreich, den 6. April 1917: Sergeant Sanders (Daniel Mays) ruft die beiden Lance Corporals Drake (Dean-Charles Chapman) und Schofield (George MacKay) zu General Erinmore (Colin Firth). Die beiden Soldaten des 8. Bataillons erhalten vom General den Auftrag eine wichtige Nachricht an eine andere Einheit zu bringen, die anders nicht zu erreichen ist.

Seit Monaten hat sich die Frontlinie zwischen den britischen und den deutschen Truppen nicht verschoben, jetzt aber scheinen sich die deutschen Truppen plötzlich zurückgezogen haben. Eine Einheit der 2. Devons unter Colonel Mackenzie will deshalb am nächsten Tag angreifen, doch beim Rückzug handelt es sich um eine Falle und der Angriff könnte 1600 britischen Soldaten das Leben kosten. Drake hat ein besonderes Interesse daran den Auftrag auszuführen, denn bei den Devons ist sein älterer Bruder Lieutenant Joseph Blake stationiert.

Die beiden jungen Männer müssen innerhalb von 8 Stunden bewaffnet mit nur ihrer Ausrüstung, einer Karte, Fackeln, Leuchtpistolen, wenigen Granaten und ein bisschen Essen das Niemandsland durchqueren. Dazu müssen die Beiden nach Südosten gehen, bis sie die Stadt Écoust erreichen. Von dort aus sollen sie das wartende Bataillon im nahe gelegenen Wald von Croisilles suchen und dem kommandierenden Offizier Colonel Mackenzie den Brief von General Erinmore übergeben, der den Angriff stoppt.

Doch haben die deutschen Truppen das Gebiet wirklich verlassen? Auf welche Gefahren werden die beiden Soldaten unterwegs treffen? Werden sie die Nachricht rechtzeitig überbringen können und wie werden die Militärs vor Ort reagieren? Doch am wichtigsten ist: Werden sie die beiden jungen Männer überhaupt ihr Ziel erreichen können?


Regisseur und Drehbuchautor (zusammen mit Krysty Wilson-Cairns) Sam Mendes lässt seinen Kriegsfilm "1917" so wirken, als wäre er nur in einer Einstellung gedreht, es gibt nur einen bewussten und sichtbaren Schnitt. Trotzdem ist er ganz deutlich in einzelne Kapitel unterteilt: Die Aufgabe, die englischen Schützengräben, das unbekannte Gebiet ohne Deckung, der Bauernhof, die Flussüberquerung, die Stadt, der zweite Fluss und der Wald.

Dabei fängt der Film beinahe idyllisch an, wenn Schofield und Drake sich im Gras ausruhen, doch später wird Mendes die beiden Soldaten immer tiefer in die Alltagswelt der Schützengräben und somit des Krieges hineinführen. Da es rasend schnell immer weiter vorangeht, hat man als Zuschauer keine Möglichkeit sich von der Handlung zu lösen, außer an der einen Stelle, an der die Leinwand plötzlich schwarz wird.

Besonders erwähnenswert ist die Kameraführung von Kameramann Roger Deakins. Seine Kamera folgt Schofield und Drake auf Schritt und Tritt, dadurch wird der Zuschauer von den Schützengräben in eine zerstörte Landschaft geführt, in der es kaum Deckung gibt. Dabei eilt die Kamera manchmal voraus, manchmal kommt sie kaum hinterher, immer aber versucht sie alles Wichtige zu erfassen.

Sam Mendes hat dabei die Grauen des Krieges nicht ausgelassen, denn die beiden Soldaten kommen nicht nur an verlassenen Schützengräben, an leeren zerbombten Häusern, jede Menge Ratten und einer brennenden Stadt vorbei, sondern sie müssen sich auch mehr als einmal durch Berge von Leichen durcharbeiten, die einfach im Niemandsland oder im Wasser liegen gelassen wurden.

"1917" ist eine unglaublich emotionale und vor allem unwahrscheinlich packende Geschichte, die besonders auch von den beiden Darstellern Dean-Charles Chapman als Drake und George MacKay als Schofield lebt. Georg MacKay hat bereits in "Private Peaceful - Mein Bruder Charlie" (2012) einen Soldaten im 1. Weltkrieg gespielt. Dean-Charles Chapman wurde als Tommen Baratheon in "Game of Thrones" bekannt.

Man erfährt im Film allerdings nicht viel über den Hintergrund der beiden Charaktere, beide haben nicht einmal Vornamen, außer dass Drake einen Bruder bei den 2. Devons hat, bei dem Bataillon, das gewarnt werden soll, und dass Schofield einen Orden bekommen hat, den er gegen irgendetwas eingetauscht hat. Außerdem hat er wohl eine Familie zu Hause. Mehr muss man aber im Zusammenhang des Films auch nicht über die beiden Hauptakteure wissen, denn es geht vor allem darum, ob und unter welchen Bedingungen und Schwierigkeiten die beiden jungen Männer ihre Nachricht zustellen können.

Da sich der Film hauptsächlich um Drake und Schofield dreht und die Kamera immer auf der Höhe der Beiden ist, ist auch schnell klar (und damit ist es auch kein Spoiler), dass mindestens einer der beiden Soldaten das Ziel im Wald von Croisilles erreichen wird.

Für kleine Nebenrollen, oft nicht mehr als eine Cameo, konnte der Regisseur bekannte britische (und irische) Schauspieler gewinnen, die alle in einem kurzen Moment wichtig für die beide Meldegänger sind und die die Handlung vorantreiben. Colin Firth ist General Erinmore, der den Auftrag erteilt, Andrew Scott ist der desillusionierte leicht alkoholisierte irische Lieutenant Leslie, der den beiden den Weg aus den Schützengräben zeigt und ihnen noch ein paar Tipps mit auf den Weg gibt. Mark Strong ist Captain Smith, auf dessen Einheit Schofield unterwegs trifft und der ihm einen wichtigen Rat gibt, bevor der Lance Corporal in einem der ruhigeren Momente des Films in der Stadt Écoust auf die junge Lauri (Claire Duburcq) trifft, die sich um ein Baby kümmert. Benedict Cumberbatch spielt Colonel Mackenzie, für den die Nachricht bestimmt ist und Richard Madden ist Lieutenant Joseph Blake, der ältere Bruder des Lance Corporals Drake.

Sam Mendes hat mit "1917" erzählerisch und technisch einen spannenden und rastlosen Wettlauf gegen die Zeit inszeniert, der während seiner Laufzeit von knapp zwei Stunden keine Sekunde langweilig ist. Die Spannung wird natürlich dadurch erhöht, dass man als Zuschauer suggeriert bekommt, dass der Film an einem Stück gedreht worden sei. Auch die fast durchgehende Musik von Thomas Newman hat einen großen Anteil an der Aufrechterhaltung des Spannungsbogens.

Der Film wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet, da "1917" in seiner Inszenierung und Wirkung großes Kino ist, das neue Maßstäbe setzt.

Er hat drei Nominierungen bei den Golden Globe Awards erhalten und zwar als "Bester Film - Drama", Sam Mendes als "Bester Regisseur" und Thomas Newman für die "Beste Originalmusik". "1917" konnte zwei Golden Globes gewinnen und zwar als "Bester Film - Drama" und Sam Mendes als "Bester Regisseur".

Bei den Academy Awards erhielt "1917" insgesamt 10 Nominierungen, dabei sind Sam Mendes als bester Regisseur und zusammen mit Krysty Wilson-Cains für das beste Originaldrehbuch, Roger Deakins für seine einzigartige Kameraarbeit und Thomas Newman für die beste Originalmusik; außerdem geht "1917" in das Rennen um den besten Film des Jahres.

Insgesamt ist mit "1917" ein Kriegsfilm entstanden, der nicht nur bildlich, sondern auch emotional eine unglaubliche Kraft besitzt. Sam Mendes hat damit sicher einen der besten Filme des vergangenen Jahres geschaffen, der auch eine Erinnerung an seinen Großvater ist, der im 1. Weltkrieg als Meldegänger eingesetzt worden ist. Es ist ein Film, den man sich unbedingt im Kino ansehen sollte.

Foto: George MacKay als Lance Corporal Schofield und Dean-Charles Chapman als Lance Corporal Blake © Universal Pictures Germany

Info:
1917 (Großbritannien, USA 2019)
Originaltitel: 1917
Genre: Kriegsfilm, Drama, Action
Filmlänge: 119 Min.
Regie: Sam Mendes
Drehbuch: Sam Mendes und Krysty Wilson-Cairns
Darsteller: George MacKay, Dean-Charles Chapman, Daniel Mays, Colin Firth, Andrew Scott, Mark Strong, Claire Duburcq, Jamie Parker, Benedict Cumberbatch, Richard Madden u.a.
Verleih: Universal Pictures Germany
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 16.01.2020