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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2020 01 15 um 22.43.24Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Januar 2020, Teil 5

Redaktion

Berlin  (Weltexpresso) - „WIR WOLLEN DEN MENSCHEN ZEIGEN UND DIESER MENSCH IST EINFACH JEMAND, DER IMMER SEIN DING MACHT.“

Welches Bild von Udo Lindenberg hatten Sie im Kopf, als Ihnen die Rolle angeboten wurde?

Dass er eine deutschsprachige Musiklegende ist, war mir klar. Ein bedeutender Mensch und Musiker. Eine deutsche Instanz, um die man nicht herumkommt. Ich hatte auch im Kopf, dass er einiges bewegt hat und dass er eine Art deutsch-deutscher Botschafter war. Ich glaube sogar, dass Udo bei uns Thema in der Schule war. Andererseits hielt ich ihn da noch für einen ziemlich speziellen Star: ein komischer Vogel mit seiner Zigarre, seinem Hut, seiner Sonnenbrille und seinen grünen Socken – mit einer eingefleischten Fangemeinde. Irgendwie ein Wesen aus einer anderen Zeit und gleichzeitig zeitlos.


Hatten Sie „übergroßen“ Respekt, eine solche Ikone zu spielen?

Ja, auf jeden Fall. Ich war verdammt aufgeregt. Genauso aufgeregt wie bei meiner ersten Rolle in Zürich am Theater, die eben nicht irgendeine Rolle war, sondern gleich Hamlet. Jedenfalls habe ich mir sehr viele Gedanken gemacht und ich hatte wahnsinnige Angst, etwas falsch zu machen oder zu interpretieren. Aber Hermine Huntgeburth und das Team haben mir sehr geholfen, diese Ängste beiseite zu legen und es wurde immer besser von Drehtag zu Drehtag. Ganz frei davon war ich, glaube ich, nie, aber am Ende war ich schon um einiges gelassener. Es ist einfach eine besondere Herausforderung, eine nicht nur reale, sondern auch noch lebende Person zu spielen. Da will man nichts falsch machen, aber gleichzeitig darf man sich eben davon auch nicht zu sehr einschüchtern lassen.


Wie hat sich Ihr Bild, Ihr Verständnis von Udo Lindenberg im Laufe der Auseinandersetzung mit ihm verändert?

Ich bin ein echter Fan geworden. Das kann ich nicht anders sagen und ich sage das nicht nur, weil ich ihn jetzt gespielt habe. Ich habe mich oft gefragt, warum ich mich vorher eigentlich nie mit ihm wirklich beschäftigt habe. Diese Udo Lindenberg-Reise, die der Film ist, die habe ich also auch selbst gemacht.


Was hat Ihnen bei diesem Kennenlernen am meisten geholfen – seine Biografie oder seine Musik?

Ich habe Udo aus vielen Perspektiven kennengelernt. Ich habe ihn persönlich getroffen, habe das Drehbuch durchgearbeitet, mir Auftritte angesehen, Artikel und Bücher über ihn gelesen, mich mit seinem Leben auseinandergesetzt. Ich habe seine Musik gehört und mir seine Texte genauer angeschaut. Das alles hat geholfen, ihm näher zu kommen, aber dass ich ihn wirklich kenne und verstehe, das würde ich auch jetzt noch nicht behaupten wollen. Ich lerne ihn immer noch kennen. Und das, obwohl Sie ihn ja auch sogar in seinem Zuhause im Hotel Atlantik besucht haben.


Wie waren die Treffen mit ihm?

Ich war super aufgeregt vor unserem ersten Treffen und das hat sich auch nicht unbedingt dadurch gelegt, dass wir sofort per du waren und er mich im Scherz damit begrüßte, dass ich also sein „Heldenepos“ nachspiele. Es gibt ja schließlich sowieso kaum jemanden, der mit Udo nicht per du ist. Ich hatte mir vorher viele Sachen überlegt, die ich ihn fragen wollte, aber so richtig ist es dann gar nicht dazu gekommen. Das Schöne war, dass wir einfach geredet haben: über Musik, über Bruce Springsteen, über Miles Davis, über Gott und die Welt und zwischendrin, aber ohne großes Fragen, immer wieder über ihn. Auch wenn er also ein paar Fragen, die ich hatte, beantwortet hat, wurde mir im Laufe des Gesprächs immer mehr klar, dass diese Antworten oder absolut exakte Informationen über irgendwelche Kindheitserlebnisse nicht entscheidend sind, sondern ein Gefühl für ihn. Ihn einfach irgendwie zu verstehen.


Gab es trotzdem für Sie manchmal so etwas wie ein „Ich bin Udo“-Erlebnis während der Dreharbeiten?

Einmal nur. Und es war auch nicht ganz der „Ich bin Udo“- Moment, aber bei der Konzertszene am Ende des Films hat es mich schon gepackt. Um uns herum waren jubelnde Komparsen im Saal und wir standen gemeinsam auf der Bühne. Das war ein beeindruckender Moment und während des Konzerts hatte ich das Gefühl eine Zeitreise in sein Leben gemacht zu haben. Die Fans, die spürbare Begeisterung und dazu die laute Musik, die ich selbst eingesungen habe. Auch da war das kein wirklicher „Ich bin Udo“-Moment, aber ein magischer Moment, in dem Udos „Geist“, der immer dabei war, besonders deutlich wurde.


Sie haben ja die Udo-Lieder im Film auch selbst eingesungen? Wie schwierig war es, die richtige Mischung aus eigener Interpretation zu finden und gleichzeitig Lindenberg zu „sein“?

Das war im Grunde ähnlich wie die Rolle selbst. Ich habe anfangs viel versucht, Udo so nahe wie möglich zu kommen, aber Hermine und die Producer von Udo haben alle gesagt, ich soll einfach alles so machen, wie ich es mache. So wie es schön klingt. Mit Respekt fürs Original, aber auch mit einer gewissen Eigensinnigkeit. Wir haben im Grunde auch beim Gesang sehr darauf geachtet, dass wir keine Udo-Kopie abliefern, sondern eine Udo-Interpretation. Und außerdem darf man ja nicht vergessen, dass der Film ja nicht den Udo zeigen will, den wir alle kennen, sondern wie er zu diesem Udo Lindenberg wurde, zu dieser Ikone. Wir wollen den Menschen zeigen und dieser Mensch ist – egal ob mit Hut und Zigarre oder ohne – einfach jemand, der immer sein Ding macht.


Wie haben Sie sich ansonsten auf die Rolle vorbereitet?

Neben den Büchern über ihn und seiner Musik habe ich am Anfang schon versucht, die Dinge zu lernen, die ihn ausmachen. Seine Stimme, sein Gesang, sein Gang. Ich habe auch Schlagzeug spielen gelernt. Ich wollte so nah wie möglich an Udo rankommen und habe mir alles Mögliche überlegt. Wir wollten aber keine Udo-Kopie – das war auch eine der klaren Vorgaben von Hermine Huntgeburth. Wenn man zu sehr kopiert, dann besteht die Gefahr, dass aus der Kopie eine Karikatur wird. Die besten Musiker-Kinobiografien – Filme wie „Walk the Line“ oder zuletzt auch „Rocketman“ – sind deswegen so gut, weil sie nicht kopieren, weil Joaquin Phoenix auch als Johnny Cash Joaquin Phoenix bleibt oder in „Rocketman“ die Biografie als Musical-Märchen erzählt wird. Kurz gesagt, bei aller Mühe, bei aller Recherche, bei all den Vorgaben muss man trotzdem seinen eigenen Weg finden. Man darf sich nicht ständig fragen, wie hätte Udo das gemacht, sondern man muss sich treiben lassen, sich auf diese Reise einlassen, als würde man sie selber machen – ein bisschen so als würde man in eine Achterbahn einsteigen. Da weiß man ja auch vorher nicht, was hinter der nächsten Kurve kommt.


Eine gut vorbereitete Udo-Achterbahnfahrt?

Ja, so könnte man es nennen. Dank Hermine ist es eine gute Mischung geworden. Ich habe mich gut vorbereitet und sie hat darauf aufgepasst, dass ich mich von der Vorbereitung nicht zu sehr fesseln lasse. Ich glaube also, es war richtig, dass ich geübt habe, ihn nachzuahmen, es ist aber gut, dass ich es nicht gemacht habe.

Foto:
© Verleih

Info:
Lindenberg! Mach Dein Ding (Deutschland 2019)
Filmlänge: 135 Min.
Regie: Hermine Huntgeburth
Drehbuch: Alexander Rümelin, Christian Lyra, Sebastian Wehlings
Darsteller: Jan Bülow, Max von der Groeben, Detlev Buck, Charly Hübner, Julia Jentsch, Ruby O. Fee, Ella Rumpf, Saskia Rosendahl u.a.
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 16.01.2020

Abdruck aus dem Presseheft