Bildschirmfoto 2020 01 15 um 22.45.51Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Januar 2020, Teil 6

Redaktion

Berlin  (Weltexpresso) - „WIR HABEN VERSUCHT DEN KERN UND EINE FORM DER WAHRHEIT ZU FINDEN.“

Wann sind Sie zu LINDENBERG! MACH DEIN DING gestoßen?

Mich hat Michael Lehmann vor drei Jahren auf der LolaVerleihung in Berlin angesprochen, ob ich Lust hätte, einen Udo Lindenberg-Film zu machen. Ich war erst noch etwas überrascht. Zum einen hatte ich das noch nie vorher gemacht, zum anderen ist es ein ungewöhnlich mutiges Unterfangen, in Deutschland einen Musikfilm und ein Biopic über einen noch lebenden, deutschen Star zu machen. Das Spannende ist dabei aber, dass der Film in der Zeit davor spielt, bevor es diesen Wiedererkennungswert gab, bevor er sich als der Udo Lindenberg, den wir heute kennen, erfunden hat. Vor dem Hut, vor den großen Tourneen. Gereizt hat mich das außerdem, weil es in den 70ern in Hamburg spielt, wo ich auch gelebt habe. Das Aufkommen des Punk, des Glamrock und natürlich des deutschen Rocks durch Udo Lindenberg.


Wie gut kannten Sie seine Musik?

Ich hatte sein Album „Hermine“, das seiner Mutter gewidmet ist. Das wurde mir geschenkt. Ich hatte ein paar CDs und früher Platten von ihm und mit dem Film sind es ein paar mehr geworden.


Haben Sie Erinnerungen an ihn in den 70er Jahren in Hamburg?

Ich war nicht wirklich in der Musikszene unterwegs. Ich bin für mein Studium in Hamburg in die Stadt gekommen und war eher in der Künstler- und Filmemacherszene aktiv. Aber natürlich kannte ich den Kiez, der damals ja noch ein wirklicher Kiez war, so wie der Hafen damals noch ein wirklicher Hafen war und kein Kreuzfahrt-Parkplatz. Damals gab es noch wirklich Matrosen. Als ich nach Hamburg kam in den 70er Jahren, war Udo Lindenberg allerdings schon da, da ging es nicht mehr um diesen Umbruch, den er bedeutet hat. Diese Zeit hatte er da schon hinter sich und war eine feste Hamburger Größe. Wir haben ihn gehört, er gehörte in die – nennen wir es „Playlist“ unserer Zeit – und gleichzeitig war er zu der Zeit ja auch schon politisch unterwegs, was ebenfalls eine Besonderheit seiner Person ist. Er hat eine Haltung und hat sich da nie zurückgehalten. Das war ja auch die Zeit von Zadek. Udo Lindenberg war ein Teil und eine treibende Kraft der künstlerischen Gemeinschaft dieser Zeit. Und so richtig hat sich das im Laufe seiner Karriere nie verändert. Es gab zwar auch mal Zeiten, in denen er nicht so präsent war, aber er hat nie aufgehört. Er hat in jedem Jahr ein oder zwei Alben herausgebracht, ein unglaublicher kreativer Output.


Was hat sie in der Auseinandersetzung mit ihm und seinem Leben am meisten überrascht?

Was ich ja toll finde ist, dass alle denken, er käme aus Hamburg, obwohl er aus Nordrhein-Westfalen stammt. So wie ich auch. Überrascht hat mich auch, von dieser Zeit zu erfahren, die er ja schon als Jugendlicher in Libyen verbracht hat. Erst die Kellnerlehre als 15-Jähriger und dann landet er mit 17 Jahren in Libyen als Musiker für die GIs. Da war er ja noch ein Kind. Er war schon da ein hervorragender Schlagzeuger und hat diese Karriere wirklich sehr früh begonnen – oder anders gesagt – ist seiner Berufung gefolgt. Die Frage, die der Film ja auch zu beantworten versucht, ist, wie sich aus diesem jungen Musiker, aus diesem Jungen aus einfachen Verhältnissen in Nordrhein-Westfalen, dieser bemerkenswerte Solo -Künstler entwickelt hat. Und das nicht nur mit Ehrgeiz, sondern auch mit einer faszinierenden Verspieltheit, unfassbarer Lebendigkeit und einem tollen Witz. In Kombination mit dieser Zeit des Films war das der große Reiz und auch die größte Überraschung von LINDENBERG! MACH DEIN DING.


Wie waren die persönlichen Begegnungen mit ihm?

Es hat immer großen Spaß gemacht, ihn zu treffen. Bevor es mit den Dreharbeiten los ging, haben wir uns häufig getroffen, um uns kennenzulernen. Das war auch wichtig, um in der Begegnung wirklich spüren zu können, was das für ein Mensch ist, und das ist natürlich auch in den Film eingeflossen. Die Treffen waren sehr angenehm, sehr freundschaftlich, und er hat mir immer Mut gemacht, dass das bestimmt ein toller Film wird. Er hat mir viel Kraft gegeben, muss ich sagen. Im Grunde hat er immer wieder bestätigt, dass das schon alles richtig ist, was ich mache, und dass er 100 Prozent mit dabei ist.


Wie haben Sie sich Udo Lindenberg mit ihrem Film genähert?

Für mich persönlich war es wichtig, dass ich nicht den Udo zeige, wie er jetzt ist. Das war mir auch in der Arbeit mit Jan Bülow wichtig, dass er nicht versucht, den heutigen Udo zu kopieren, den wir alle kennen. Ich wollte seine Lebensfreude, seinen Mut, seine Eigenwilligkeit zeigen und nicht ein Abziehbild, deswegen ist Jan auch die perfekte Besetzung für die Hauptrolle gewesen. Er ist kein glatter Schauspieler, er ist auf seine Art genauso eigenwillig, jung und voller Energie, hochbegabt.


Wie sah die Zusammenarbeit mit Jan Bülow aus?

Wir haben sehr eng zusammengearbeitet. Es ist Jans erste große Kinorolle. Er konnte gut singen und dann hat er sich komplett in die Rolle hineinbegeben. Seine Arbeit in der Vorbereitung auf den Musiker Udo Lindenberg war immens wichtig, aber schauspielerisch ging es in der Vorbereitung auf den Menschen Udo Lindenberg oft auch ums Loslassen. Da muss man relativ frei rangehen, denn umso mehr man sich mit Udo Lindenberg beschäftigt, umso verpflichteter fühlt man sich, der Ikone gerecht zu werden oder sie abzubilden. Ein Eins zu Eins-Versuch in der Darstellung wäre nach hinten losgegangen. Das hätte nicht funktionieren können und der Versuch hätte sich seltsam angefühlt – es musste eine Interpretation bleiben. Wir haben versucht den Kern und eine Form der Wahrheit zu finden, nicht mehr, nicht weniger. Man darf so einen Part nicht als fertige Udo Lindenberg-Show spielen, sondern muss in die Rolle hineinwachsen und mit ihr wachsen. Das hat Jan großartig gemacht. Hut ab, was er da geleistet hat und er hat sich auch mit Udo blendend verstanden. Das hat schon sehr gut gepasst.

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© Verleih

Info:
Lindenberg! Mach Dein Ding (Deutschland 2019)
Filmlänge: 135 Min.
Regie: Hermine Huntgeburth
Drehbuch: Alexander Rümelin, Christian Lyra, Sebastian Wehlings
Darsteller: Jan Bülow, Max von der Groeben, Detlev Buck, Charly Hübner, Julia Jentsch, Ruby O. Fee, Ella Rumpf, Saskia Rosendahl u.a.
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 16.01.2020

Abdruck aus dem Presseheft