f die wuenden3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. Januar 2020, Teil 14

Redaktion

München (Weltexpresso) - Eine andere Realität, die im Film gezeigt wird und die mit den gängigen Klischees kollidiert, ist die Darstellung der Ethnien. Es sind nicht junge Schwarze gegen weiße Flics. „Black, Blancs, Beurs“ vermischen sich auf beiden Seiten ...

Ja, weil die Realität so ist. Menschen von überall, die gemeinsam abhängen. Es gibt Zigeuner, aber die bleiben unter sich. Aber bin ich mit ihnen, gibt es eine stillschweigende Übereinkunft. Auch bei den Polizisten gibt es alles – Menschen afrikanischen Ursprungs, die wir „Guada“ nennen. In unserem Code sind das die Wächter der Inseln.

Am Anfang kamen die schwarzen Polizisten alle von den Antillen, das ist geblieben, auch für die, die jetzt aus Afrika kommen. Der „Guada“ im Film ist zweifellos in diesem Viertel aufgewachsen, aber er ist Flic geworden, und wird deshalb als Verräter angesehen. Was seine Situation noch komplizierter macht.

Das Verhältnis zwischen Chris – einem weißen, rassistischen Polizisten – und dem Bürgermeister – einem Schwarzen aus der Nachbarschaft – ist auch komplex: Sie hassen einander, treffen aber kleine „Arrangements“, weil jeder den anderen braucht. Die Cops sind oft gezwungen, Kompromisse mit den Bewohnern zu schließen, andernfalls würde permanent Krieg herrschen.


Auch Ihre Regie schlägt einen anderen Weg ein als erwartet – Sie vermeiden einen Schnitt wie beim Video-Clip und stereotype Hiphop Musik. War es Ihnen wichtig, die Geschichte und die Bilder für sich sprechen zu lassen?

Ich wollte, dass die ersten vierzig Minuten des Films eine ruhige Bestandsaufnahme, ein Eintauchen in die Nachbarschaft sind. Ich wollte die Zuschauer zuerst in meine Welt hineinführen, ehe die Action losgeht. Es ist, als würden Sie herumspazieren, sich vertraut machen mit den Figuren und ein Gefühl fürs Viertel entwickeln. Es stimmt, die Musik ist mehr Elektro als Hiphop. Auch bei den Dialogen, der Art zu sprechen, wollte ich alle vorhersehbaren Vorstadt-FilmKlischees vermeiden.


Lassen Sie uns über die Schauspieler sprechen. Wie haben Sie Djebril Zonga als Gwada gefunden?

Er ist ein Kumpel aus Clichy-sous-Bois. Er hat als Model gearbeitet und ich wusste nicht, dass er auch Schauspieler ist. Ich hatte Mühe, einen schwarzen Darsteller zu finden – es gibt nicht viele schwarze Schauspieler, von Omar Sy oder Jacky Ido mal abgesehen, kann man sie an einer Hand abzählen.

Als er hörte, dass ich ein Casting plane, rief er mich an. Ich hatte nicht nur keine Ahnung davon, dass er Schauspieler ist – er sieht auch gut aus, und mir schwebte eher ein hässlicher Typ als Polizist vor. Trotzdem ließ ich ihn einige Tests machen, ohne allzu große Erwartungen – und dann, wow!


Und Alexis Manenti, der den üblen Rassisten-Cop Chris spielt?

Alexis kenne ich schon lange – er gehört zum Kourtrajmé-Team. Es stimmt, seine Rolle ist keine leichte. Seine Figur ist ein echtes Arschloch, hat sich aber dennoch einen Funken Menschlichkeit bewahrt, die wir auch zu zeigen versuchen. Er spielt das richtig gut, und trotz seiner hassenswerten Art bleibt das Publikum an seiner Seite.


Bekannter ist Damien Bonnard, der den Neuling Stéphane spielt...

Ich kannte ihn überhaupt nicht. Alexis hatte schon mit ihm gearbeitet und sagte, ich solle ihn treffen. Also habe ich einen Termin vereinbart. Er sah aus, als käme er von einem anderen Planeten, wie im Film. Er war vorher noch nie in den Vorstädten gewesen – es war ein Schock für ihn!

Das kann man auf der Leinwand sehen, er ist total präzise und bewegend. Mit ihm an Bord hatte ich meine drei Polizisten. Dann Steve, der den Bürgermeister spielt – ihn fand ich durch ein Casting, er hat schon in vielen Filmen mitgewirkt. Die anderen habe ich auf der Straße gefunden.


Dann gibt es noch Jeanne Balibar, total überraschend als Chefin der Polizei, ein unerwarteter Auftritt in Ihrem Film!

Sie hat ihren eigenen Film in Montfermeil gedreht. Ich kannte sie nicht. Jemand rief mich an, weil sie Hilfe brauchte, und wir haben uns angefreundet. Ich habe ihr die Rolle angeboten, und sie hat mitgespielt. Es war eine wunderbare Begegnung. Es stimmt, es ist überraschend, sie in dem Film zu sehen, etwas, womit niemand rechnet.


Wie war die Zusammenarbeit mit Ihrem Kameramann Julien Poupard?

Er hat meine Welt sofort verstanden, die Art, wie ich filmen wollte. Bei meinen bisherigen Filmen habe ich immer selbst Kamera geführt, und anfangs war ich etwas frustriert. Aber Julien ist so gut und hat absolut alles verstanden, es war so, als hätte ich selbst gefilmt! Großartig, was er gemacht hat. Er ist nicht nur talentiert, er ist bescheiden, bewundernswert – eine wirklich wunderbare Begegnung.


Wie lief der Schnitt? Hatten Sie viel Material zu bearbeiten?

Flora Volpière ist eine großartige Cutterin. Ich habe viel gedreht, ungefähr 100 Stunden Material. Flora arbeitet schon seit 20 Jahren für Kourtrajmé, sie hat alle Filme von Kim geschnitten – sie ist ein Vollprofi, wirklich etwas ganz Besonderes.


Der Titel bezieht sich auf Victor Hugo, und am Anfang des Films sieht man französische Flaggen in der Nacht nach dem WM-Sieg. Wollten Sie einen Film nicht nur über die Vorstädte, sondern über Frankreich generell machen?

Ich bin Franzose. Manchmal hat man uns erzählt, dass wir vielleicht keine Franzosen wären, aber wir haben uns immer als Franzosen gefühlt. Ich bin etwas älter als die Figuren in meinem Film, und der 12. Juli 1998 hat mich geprägt für mein ganzes Leben. Ich erinnere mich daran bis heute – ich war 18 und es war magisch! Fußball hat es geschafft, uns zu verbinden: Keine Frage mehr der Hautfarbe, der sozialen Klasse, wir waren einfach Franzosen.

Das Gefühl hatten wir auch wieder während der letzten Weltmeisterschaft, als hätte nur der Fußball die Kraft, uns zu vereinen. Es ist schade, dass es kein anderes Band gibt für die Menschen, aber gleichzeitig sind das unglaubliche Augenblicke für die eigene Erfahrung – und zum Filmen. Der Film beginnt damit, ehe er zurückgeht in die düstere Realität des täglichen Lebens, wo jeder sein Leben führt, entsprechend seiner Hautfarbe, Religion und sozialen Klasse.

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Info:
DIE WÜTENDEN - LES MISÉRABLES
von Ladj Ly, F 2019, 102 Min.
mit Damien Bonnard, Alexis Manenti, Djebril Zonga, Issa Perica, Steve Tientcheu, Jeanne Balibar
Drama / Start: 23.01.2020

Abdruck aus dem Presseheft