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Kategorie: Film & Fernsehen
f oscar20Die Nominierungen zu den wichtigsten Oscars in der kommenden Nacht in Hollywood , Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zuerst allerdings muß man feststellen, daß wir ja alle des Wahnsinns sind, wenn wir das amerikanische Theater um die Oscars hier genauso weiterführen, als ginge es um die Weltpreise für die besten Leistungen im Filmgewerbe. Faktisch haben wir durch unsere Aufmerksamkeit, durch die Fernsehübertragungen, durch die Zeitungsartikel, auch durch diesen Beitrag, die Oscars zu solchen Weltpreisen gemacht. Aber damit führen wir weiter, was die amerikanischen Verleiher den Kinos der Welt aufdrücken und worüber die Kenner endlich öffentlich reden sollten. Über Kettenverträge, daß Kinos, die bestimmte wichtige Filme haben wollen, die nur bekommen, wenn sie auch andere amerikanische Filmchen ins Programm nehmen. 

Jetzt zu einigen Preisen, deren Verleihung traditionell im Dolby Theatre in Los Angeles stattfindet, also zu den Preisen.die für das Publikum die wichtisten sind. Das ist einmal  ganz sicher der Oscar für den besten Film. Dieser Preis ist auch der, der in Ausstellungen die jeweiligen Jahre repräsentiert, auch der Preis, der im Gedächtnis bleibt. Aber, das ist wichtig, noch immer halten zu viele diesen Filmpreis für einen Preis für den Regisseur. Denn der hat den Siegerfilme ja schließlich gedreht. Aber für die Regie gibt es eine eigene Kategorie, einen eigenen Oscar. Der Hauptpreis, der Oscar für den besten Film, den nehmen immer die Produzenten entgegen, eine Filmfirma oder ein Zusammenschluß verschiedener Einzelpersonen, die dann gemeinsam den Preis entgegennehmen.

Früher wurden die Preise von hinten nach vorne verliehen, also die 'unwichtigsten' Preise zuerst, sich dann steigernd, bis zum Preis für den besten Film. Inzwischen ist ein anderes Prozedere üblich, wo die Preise eher unsystematisch durcheinandergewürfelt werden. Außerdem ist wichtig, daß vorausgehende Preisverleihungen wie die Golden Globes am 6. Januar, die vom Zusammenschluß der ausländischen Presse in Hollywood verliehen werden, die Erfolgserwartung steuert. Auch der englische Filmpreis ist dafür durchaus wichtig.
 
Frage: Warum wurde Terrence Malicks Film EIN VERBORGENES LEBEN nicht ausgewählt? Weil die Darsteller hauptsächlich Deutsche sind. Weil es ein deutsches Thema ist, das anders als Jojo Rabbit nicht komisch, sondern bitterernst ist? 


Bester Film
1917 – Produktion: Sam Mendes, Pippa Harris, Jayne-Ann Tenggren und Callum McDougall

Nimmt man die Ergebnisse des Golden Globe, so wäre der Film 1917 der Oscarsieger. Sein Datum bezieht sich auf den Ersten Weltkrieg, wo an entscheidender Stelle im Stellungskrieg in Belgien nur eine persönliche Nachricht an die militärische Spitzeder Engländer  verhindern kann, daß diese einen Tag später in die Falle der Deutschen laufen und zu Tode kommen. Er ist filmisch interessant gemacht, weil so getan wird, als ob der Zuschauer im Kinossessel dauernd bei den beiden jungen Soldaten dabei ist, wenn die unter Todesgefahr die feindlichen, also durch die Deutschen schon eroberten Gebiete durchqueren.

Was allerdings in den Kinokritiken überhaupt nicht angesprochen wurde, im englischen Sprachraum sowieso, aber unverständlicherweise auch bei uns, ist die Frage, warum im Jahr 2019 dieser Film gedreht wird. Da ist man schnell beim Brexit in England und  bei Trump in den USA. Die Nationalisierung, die beide Länder extrem erfaßt hat, ist natürlich der Bodensatz für solche Filme, die die Geschichte aus der Sicht der Sieger erzählt. Das ist erlaubt, aber es erfordert eben auch ein Nachfragen, warum über hundert Jahre später genau dieses Thema aufgearbeitet wird. Zudem wird, da das amerikanische Filmgewerbe die Weltkinos regiert, für alle Zuschauer auf der Welt die Geschichte zu ihrer und damit auch die Sicht auf die Welt. Auf jeden Fall ist 1917 in zehn Kategorien nominiert (u.a. Beste Regie Beste Kamera), für meinen Geschmack zu hoch eingeschätzt, weil es eben nicht nur um Film geht, sondern um Gesinnung und Festlegung der Weltgeschichte.


The Irishman – Produktion: Martin Scorsese, Robert De Niro, Jane Rosenthal und Emma Tillinger Koskoff
Hier ist erst einmal die Besonderheit zu erwähnen, daß es sich um keinen Film handelt, der normal in die Kinos gekommen wäre, sondern eine Netflixproduktion. Da gleichzeitig die Oscars Kinofilmpreise und keine Fernsehpreise sind, muß es aber nach den Statuten soundso viele Aufführungen des Films in Kinos geben. In Deutschland gab es den Irishman nur in ganz wenigen Kinos.  Der über 200 Minuten lange Film besticht durch das Gefühl beim Zusehen, man erlebe das Kino über die mafiöse Strukturen Amerikas und den Ablauf der Zeit.

Zwar sind die Rückblenden manchmal unübersichtlich, aber das Gesicht von Robert de Niro ist meist der Orientierungspunkt, in welcher Zeit man sich gerade befindet. Es gibt den jungen Mann, der einsteigen will, mächtig wird, Verbrechen begeht und sich dann fragen muß, ob das im Leben eigentlich das war, was er wollte. Amerika als ein Land, in dem Geld und Macht die Politik bestimmt. Geradezu körperlich weh tut die Einsicht, die der Zuschauer gewinnt, daß es für die Mafiosi einen zentralen Unterschied gibt zwischen der Welt und ihrer Familie. Alles, was Familie ist, ist heilig, die anderen Menschen dürfen ausgelöscht werden, wenn sie andere Ziele, vor allem finanzielle Ziele verfolgen, die den eigenen gefährlich werden.

Mir persönlich hat der Film sehr gut gefallen, allerdings fand ich die Digitalisierungen jämmerlich, die die Gesichter erfaßte, um sie um Jahrzehnte zu verjüngen und auch älter werden zu lassen, diese Digitalisierungen führen zu lächerlichen Ansichten, was vor allem bei Robert de Niro sichtbar war, der mit veränderten Augen schon ins Chinesische chanchierte. Auch The Irishman ist in zehn Kategorien nominiert. 


Jojo Rabbit – Produktion: Carthew Neal und Taika Waititi

Ein Film, der spaltet, wobei wir ihn richtig gut finden und der Meinung sind, daß über Hitler gelacht werden darf. Denn der tritt im Film leibhaftig auf, ja wird von einem kleinen Jungen als Leibhaftiger herbeigesehnt, denn mit dem Hitler will er sich in einer Naziwelt stärker machen. Derweil ist seine Mutter - witzig Scarlett Johansson, der im ebenfalls nominierten Film Marriage Story Erfolgsaussichten für den Oscar für die weibliche Hauptrolle zugeschrieben werden, ist hier auch für die weibliche Nebenrolle nominiert - eine Widerständige, man will nicht gleich von Widerstandskampf sprechen, weil man doch zu wenig mitbekommt, aber sie arbeitet offensiv-defensiv gegen Hitler, indem sie ein jüdisches Mädchen im eigenen Haus versteckt, das keinen Ehemann und Vater kennt.

Doch ihr Sohn, besagter Jojo Rabbit, ist im Verbund mit dem von ihm imaginierten Hitler derjenige, der dem Film Dynamik gibt. Es ist eine Kuckucksuhrenwelt, in der der Film spielt, einschließlich der bayerischen Kleidung für die Hauptdarstellerin, nein, Nebendarstellerin,  in einem Film, der keine Hauptdarstellerin hat, was einsichtig ist, ist doch die ganze Naziwelt eine der Männer, meist in Uniformen und eben auch uniform. Der Film ist in sechs Kategorien nominiert.


Joker – Produktion: Todd Phillips, Bradley Cooper und Emma Tillinger Koskoff

Der Film gehört zu den, derzeit erfolgreichen Filmen, die den finanziellen Erfolg bestimmter finaler Filme verlängern wollen, indem sie nun die Geschichten vor den bisherigen Ereignissen auf die Leinwand bringen. In den bisherigen Filmen ging es immer wieder um den bösen Joker mit seiner Clownsmaske und den guten Batman in seiner Weltraumkluft, der die schlimmen Pläne des Joker durchkreuzen kann.

Jetzt endlich erfahren wir, warum aus dem Lebensversager Arthur Fleck schließlich der Joker wurde. Und wenn es logisch und ehrlich zuginge, hieße der Film Arthur Fleck. Denn wir sind bei seiner Verwandlung in den Joker zwar dabei, aber die Grundlage, die Demütigungen, denen er durch eine gemeine, weil nach Erfolg und Geld orientierten Gesellschaft  erfährt, sollen sozusagen die psychologische Erklärung liefern und liegen vor der Zeit des Joker.

Dass sich hinter der Maske von Batman Bruce verbirgt, der überlebende Sohn des Tycoons der Stadt und Bürgermeisters, der zusammenmit seiner Frau durch die Machenschaften von Joker ums Leben kam, würzt diese Geschichte. Der ebenfalls überlange Film erschüttert; zum einen ist es die Geschichte selbst, wie aus dem mit unwillkürlichem Lachen gestraften Arthur - was nicht nur bei Beerdigungen unziemlich ist und ihn sozial aussondert - ein rachsüchtiger Verbrecher wird, zum anderen die Darstellung durch Joaquin Phoenix, beides ist erschütternd. Der Film ist in elf Kategorien nominiert.

Leider gab es zu diesem Film keine Pressevorführungen. Wir konnten den Film in der Astor Filmlounge Frankfurt sehen.


Foto:
© zdf