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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2020 03 09 um 22.45.52Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. März 2020, Teil 18

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) – Hatten Sie den japanischen Film SHOPLIFTERS gesehen, den wir extrem gut besprochen hatten, weil wir ihn für extrem gut gehalten haben und halten – vom japanischen Regisseur Hirokazu Kore-da, der dafür in Cannes die Goldene Palme gewann. Zu Recht. Witzig, spritzig, frech und das Gegenteil davon, wie wir uns Japan vorstellen.

LA VÉRITÉ dagegen ist genau das, was man von einer französischen Ensemblekomödie positiv erwarten darf, was dem japanischen Regisseur in seiner ersten Regie außerhalb von Japan also gelang, und trotz hervorragender Schauspielerleistungen dennoch vielleicht zu viel erzählt, zu wenig übrig läßt. Aber sehr gute Unterhaltung eben.

Von Beginn an hat hat die Schauspielerin Fabienne (Catherine Deneuve) die Regie übernommen. Als Filmjournalistin ist das besonders komisch, das Interview eines Kollegen mit Fabienne anzusehen und zu hören, mit dem der Film beginnt. Denn der junge Mann, ein armer Wurm, wird von ihr derart vorgeführt, daß wir an seiner Stelle dies Metier aufgeben hätten. Anlaß des Interviews ist die Herausgabe der Memoiren, die die Diva unter dem Titel DIE WAHRHEIT, gerade veröffentlicht hat. Ein Buch, das voller Lügen steckt, wie die Tochter Lumir (Juliette Binoche) entrüstet feststellen muß, die zur Vorstellung der mütterlichen Autobiographie mit Ehemann und Tochter aus New York nach Paris kommt.

Ja, wir kennen das, das kennen alle Mütter, die einst Töchter waren, und alle Töchter, die schon Mutter sind oder noch werden. Wie empfindsam man die Brüche, die Halbwahrheiten oder die frechen Lügen aneinander bemerken, erst recht, wenn das schriftlich nachzulesen ist. Da stimmt nicht nur im Buch alles mögliche nicht, sondern auch in der familiären Konstellation, aber nicht nur da wird es kritisch. Denn, wenn die Grundbeziehung nicht stimmt, dann überträgt man leicht seine Beziehungsprobleme auf die nächste Beziehung. Und das merken wir auch gleich, daß es mit dem Ehepaar nicht zum Besten bestellt ist. Er ist ein relativ erfolgloser Schriftsteller und Ex-Alkoholiker, der seiner Schwiegermutter sofort auf den Leim geht. Diese, eine erfahrene Frau, füllt ihn erst einmal mit Alkohol ab, macht genau das, was für ihre Tochter das Schlimmste ist und macht mit der Bewegung eines Lidschlags den Ehemann der Tochter zu ihrem Adlatur.

Aber auch Lumir ist nicht die erfolgreiche Schauspielerin geworden, die sie werden wollte, versucht es jetzt mit Drehbüchern und auch das läßt die Diva ihre Tochter knallhart spüren. Das Schlimmste dabei ist, daß sie nicht offen gemein agiert, sondern sie mit hingeworfenen Argumenten selbst von ihrer Unbedeutendheit, der mangelnden Begabung überzeugt.

Zwei Hauptstränge hat der Film. Den einen, die Mutter-Tochter-Beziehung ist der eine, den wir darstellten und der eine interessante Variante erhält, als die Tochter im Drehbuch ihrer Mutter die Sätze formuliert, die sie schon immer von ihr hören wollte. Der andere Strang ist der Umgang der Schauspielerin mit ihrer Umwelt, wie am Anfang dargestellt. Sie kann jeden manipulieren, jeden motivieren, in ihr das Wichtigste auf der Welt zu sehen. Sie setzt immer um, was für sie persönlich das Beste, das Ideale ist. Aber dies macht sie auf denkbar attraktive, feminine und nonchalante Art. Catherine Deneuve spielt ihre beste Rolle seit vielen Jahren, weil sie mimisch und körperlich beweglich ist wie lange nicht. Wie sie all die Männer mit dem kleinen Finger dirigiert, macht einfach Spaß, zuzusehen. Auch wenn man damit nicht einverstanden ist. 

Foto:
© Verleih

Info:
Mit Catherine Deneuve, Juliette Binoche, Ethan Hawke u.a.
(Frankreich 2019 / ca. 107 Minuten)
Kinostart: 5. März 2020