StageMotherSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. August 2020, Teil 1

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Maybelline Metcalf (Jacki Weaver) ist eine konservative Chorleiterin in der kleinen texanischen Stadt Red Vine (mit 1501 Einwohnern). Seit sich ihr Sohn Ricky (Eldon Thiele) vor 10 Jahren als schwul geoutet hat, hat sie keinen Kontakt mehr zu ihm. Jetzt erfährt sie durch einen Telefonanruf, dass Ricky an einer Überdosis Drogen verstorben ist. Sie packt ihren Koffer und fliegt nach San Francisco, um ihren Sohn ordentlich zu beerdigen, gegen den Willen ihres engstirnigen Ehemanns Jeb (Hugh Thompson).

Nachdem sie den doch etwas extravaganten Gedenkgottesdienst fluchtartig verlassen hat, muss sie sich mit Rickys Lebenspartner Nathan (Adrian Grenier) auseinander setzen, denn ihr Sohn hat kein Testament hinterlassen und Nathan und Ricky waren nicht verheiratet. Deshalb fällt Rickys Drag-Club "Pandora's Box", in dem Ricky auch aufgetreten ist, an seine Eltern.

Der Club wird von Nathan geführt, für die Musik und die Kostüme ist Dusty Muffin (Jackie Beat) verantwortlich, bei dem Ricky einst gelernt hatte. Nathan macht Maybelline klar, dass Rickys Kostüme doch sehr von ihr beeinflusst waren und dass er trotz aller Zurückweisung nie aufgehört hat, seine Mutter zu lieben.

Maybelline lernt auch Rickys beste Freundin Sienna (Lucy Lui) kennen, auf deren kleinen Sohn Ricky tagsüber immer aufgepasst hat - eine Aufgabe, die Maybelline gerne übernimmt. Dafür darf sie bei Sienna auf der Couch schlafen.

Zur gleichen Zeit erkennt Maybelline auch, dass Pandora's Box nicht gut läuft und kurz vor dem Ruin steht. Als dann auch noch einer der Hauptakteure abspringt, entschließt sie sich, den Club etwas aufzumöbeln. Sie besinnt sich auf ihre Fähigkeiten als Chorleiterin und beginnt mit den drei Drag-Queens Cherry Poppins (Mya Taylor), Joan of Arkansas (Allister MacDonald) und Tequila Mockingbird (Oscar Moreno) Songs einzustudieren, damit die drei live und nicht nur lippensynchron singen lernen. Gleichzeitig stellt sie auch das Konzept des Clubs um, so dass Pandora's Box nicht nur ein kleiner Club für die Schwulen, Drags und Transgender der Nachbarschaft ist, sondern auch für Touristen interessant wird. Dafür machen sie und die Mitarbeiter auch gleich Werbung auf der Straße und in Hotels. Der Erfolg stellt sich auch recht bald ein.

Maybelline wird eine Art Ersatzmutter der extravaganten Darsteller des Clubs. Doch dann taucht ihr Ehemann Jeb in San Francisco auf und da jetzt ihre vergangenen und gegenwärtigen Welten kollidieren, muss sich Maybelline entscheiden, was sie mit dem Erbe ihres Sohnes und ihrem restlichen Leben machen will...


"Stage Mother" ist ganz sicher nicht der erste Film, der sich mit Drag-Queens beschäftigt. Da gibt es z.B. den französischen Film "La cage aux folles" (1978), der erste weltweit erfolgreiche Film aus dem Drag-Queen Milieu, und sein amerikanisches Remake "Birdcage" (1996), den australischen Film "The Adventures of Priscilla, Queen of the Desert" (1994) und das amerikanische Remake "To Wong Foo, thanks for Everything, Julie Newmar" (1995) oder auch den englischen Film "Kinky Boots" (2005), der inzwischen seit 2012 sehr erfolgreich als Musical (mit Musik und Liedtexten von Cyndy Lauper) im Theater läuft. Das BBC-Drama "Tucked" (2018) beschäftigt sich mit Altern einer Drag-Queen.

Regisseur des hier besprochen Films ist Thom Fitzgerald nach einem Drehbuch von Brad Hennig. Die beiden haben trotz des tragischen Hintergrunds einen fröhlichen Film erstellt, der die Kunst von Drag-Queen Aufführungen als Hintergrund für Toleranz, Empathie und dickköpfige Entschlossenheit nutzt.

Der Film wurde übrigens nicht in San Francisco, sondern in Halifax in Kanada gedreht. Dabei gelang Kameramann Tom Harting eindrucksvolle und gelungene Bilder, die vergessen lassen, dass der Film nicht vor Ort entstanden ist. Dies gilt besonders, wenn der Gegensatz der Glitzerwelt San Franciscos zu der staubigen, verfallenden Kleinstadt in Texas dargestellt wird.

Zentrum von "Stage Mother" ist natürlich die zweifach Oscar-Nominierte Jacki Weaver, die nicht nur den Film trägt, sondern die die Zuschauer auch verzaubert. Mag sein, dass es sich Regisseur Thom Fitzgerald recht einfach macht, wie Maybelline sich problemlos in die Drag-Community einfügt, aber es ist doch eine Freude ihr wachsendes Selbstbewusstsein zu sehen, statt den Vorurteilen ihres zutiefst spießigen Ehemannes kleinlaut zu folgen. Am bemerkenswertesten aber auch am nachdenkenswertesten ist dann doch für Europäer eine Szene, in der Maybelline Siennas Vergewaltiger mit einer Waffe bedroht, die sie ganz selbstverständlich aus ihrer Handtasche holt. Trotzdem ist dies ein starkes Zeichen des Selbstbewusstseins einer Frau, die den Mut hat, ihre Meinung aber auch ihre Freundin zu verteidigen. Daneben ist der romantische Subplot von Maybelline mit August (Anthony Skordi), dem Concierge eines Hotels in San Francisco, eigentlich unnötig, aber er zeigt auch, wie sie weit weg von zu Hause aufblüht.

Lucy Liu spielt eine richtungweisende Nebenrolle als alleinerziehende Mutter und beste Freundin von Ricky, die ihre Probleme hinter ihrem boshaften Witz versteckt. Auch die weiteren Nebenrollen sind solide besetzt, dies gilt vor allem für die drei Drag-Queens Mya Taylor als Cherry Poppins, Allister MacDonald als Joan of Arkansas und Oscar Moreno als Tequila Mockingbird. Dabei ragt "Tangerine"-Star Mya Taylor als Trans-Frau mitten in ihrer Umwandlung besonders heraus, aber auch Allister MacDonald als Joan of Arkansas nimmt man ab, wie ihn die Ablehnung seiner Familie trifft.

Leider erfährt man nur wenig über Nathan, da dessen Rolle zu Gunsten der interessanteren Probleme der in der Bar singenden Darsteller zurückgeschnitten wurde, so dass Adrian Grenier schauspielerisch nur wenig zeigen konnte.

Insgesamt ist "Stage Mother" ein leichter und schwungvoller Film, der nie versucht, das Rad neu zu erfinden - schon weil er das überhaupt nicht nötig hat. Sein erwartbares optimistisches Ende erreicht der Film, wenn Maybelline und ihre Drag-Queens auf der Bühne gemeinsam Bonnie Tylers "Total Eclipse Of My Heart" singen.

Vor allem durch Jacki Weavers Performance ist der Film in der Lage, mit seiner zeitgemäßen Botschaft zur Einigkeit und Hoffnung selbst den zynischsten Zuschauer überzeugt zu haben, so dass der das Kino mit einem breiten Lächeln im Gesicht verlässt.

Foto: Jacki Weaver als Maybelline Metcalf © Kinostar Filmverleih GmbH

Info:
Stage Mother (USA, Kanada 2020)
Originaltitel: Stage Mother
Genre: Drama, Komödie, Musik
Filmlänge: 93 Min.
Regie: Thom Fitzgerald
Drehbuch: Brad Hennig
Darsteller: Jacki Weaver, Lucy Liu, Adrian Grenier, Mya Taylor u.a.
Verleih: Kinostar Filmverleih GmbH
FSK: noch nicht bewertet
Kinostart: 20.08.2020