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Kategorie: Film & Fernsehen
nina wu 5 c5c6cSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. September 2020, Teil 1

Claus Wecker

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – 47 Jahre ist es her, dass François Truffaut uns mit seiner Liebeserklärung an das Kino verzauberte. »Die amerikanische Nacht«  war nicht einfach nur die Schilderung von Dreharbeiten an einem fiktiven Spielfilm, es war magisches Kino, das sogar den Blick hinter die Kulissen verklärte. Im Gegensatz dazu haben wir es heute in den Nachrichten mit der Weinstein-Affäre zu tun und mit einem Film wie »Nina Wu«, der zu den ersten Reaktionen darauf gehören dürfte  und einem sensiblen Gemüt die Lust am Kino so richtig verderben kann.

Der Vergleich, der ein wenig unfair erscheinen mag, zeigt deutlich, wie sich der kinematografische und auch gesellschaftliche Blick in den letzten fünfzig Jahren verändert hat. Heutzutage gibt es zwei Richtungen: Die eine führt in eine heile Welt mit Happy-End; hier findet man romantische Komödien, die vorwiegend von weiblichen Zuschauern goutiert werden. Die andere führt, mt zunehmender Drastik, in menschliche Abgründe. Quentin Tarantino, ein Experte auf diesem Gebiet, soll sich laut FAZ-Blog in Cannes »Nina Wu« höchst konzentriert bis zum Ende angeschaut haben, und für das amerikanische Traditionsblatt »Variety« ist Regisseur Midi Z gar »zu einem Star der Arthouse-Szene in Asien geworden«.

Das verwundert nicht, schildert er doch in »Nina Wu« die systematische Demütigung einer zunächst hoffnungsvollen Nachwuchsschauspielerin in starken Bildern.  Die Titelheldin (Ke-Xi Wu) hat einen großen Traum: Sie strebt in Taipeh eine Schauspielkarriere an, hat es bisher aber nur zu einigen Auftritten in Werbespots, Kurzfilmen und als Webcam-Girl gebracht. Deshalb  sieht sie in dem Angebot für die weibliche Hauptrolle in einem Spionage-Thriller, das sie von ihrem Manager Mark (Lee-zen Lee) erhält, ihre große Chance, zögert aber, weil das Drehbuch einige deutliche Nackt- bzw. Sexszenen enthält.

Nach einigem Zureden entscheidet sich Nina, die Rolle anzunehmen. Doch während des Drehs erweisen sich nicht nur die Sexszenen, sondern auch die Drangsalierungen des Regisseurs (Ming-shuai Shih) als Zumutung für sie. Der Film wird ein großer Erfolg, was nur behauptet wird und man bei den wenigen Szenen, die am Set zu sehen sind, kaum glauben mag.

Nina kann den Erfolg nicht genießen. Ihr Zustand wir immer kritischer, weil zu den traumatischen Dreherlebnissen auch noch ihre dramatischen Familienverhältnisse hinzukommen. Ihr Vater geht bankrott, und ihre Mutter erleidet einen Herzinfarkt. So lässt sie sich erneut zu einem Casting einladen, in dem der Produzent sie auf schockierende Weise demütigt.

»Nina Wu« kommt visuell sehr anspruchsvoll daher, Rot ist die dominierende Farbe. In kalkulierten Einstellungen wird eine bedrohliche Atmosphäre erzeugt. Leider ist das auch das einzig Positive, das man über diesen Film sagen kann. Denn nicht nur zieht sich die Handlung schleppend dahin, auch ist am Ende der Sadismus, den Regisseur Midi Z uns Zuschauern zumutet, nur schwer zu ertragen.

Foto:
© Verleih

Info:
NINA WU (Juo ren mi mi)
von Midi Z, Taiwan 2019, 102 Min.
mit Ke-xi Wu, Vivian Sung, Kimi Hsia, Ming-Shuai Shih
Drama/ Start: 03.09.2020