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Kategorie: Film & Fernsehen
tessaSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. September 2020, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eigentlich war die das Inskinokommen dieses Films für den Valentinstag gedacht. Und das ist genau die Ebene, die dieser Film dann schon perfekt darstellt: Eine jugendliche Liebesgeschichte, die für die gedacht ist, die sich mit Geld im Kino eine rosarote Brille verpassen lassen, die pausenlos Liebesszenen angucken, mit der Darstellung von Geschlechtsverkehr, wo zwar zuvor die unter heftigen und schnellen Bewegungen ausgezogenen Kleidungsstücke durch die Luft fliegen, ohne daß man je auch nur eine nackte Brust sieht. Sehr unerotisch!

Der Film ist unehrlich und arbeitet mit all den Versatzstücken, wie junge Leute mit der großen weiten Welt verführt werden und sehen sollen, auch diese Leute, die unter solchen wohlhabenden, ja reichen Bedingungen leben, doch dieselben Probleme haben, die Liebe erst lernen zu müssen, die Auseinandersetzung, wie man leben will, sich erst zu erarbeiten, das Problem, daß es auch andere Menschen gibt, die den Geliebten lieben, bzw. besitzen wollen, Eifersucht, Enttäuschung, Verrat, Betrug.

tessaGenau so endete der erste Teil dieser Literaturverfilmung von Anna Todd und diese Fortsetzung wird darum angekündigt mit: „Wie wird es weitergehen mit Tessa und Hardin?“ Tessa (Josephine Langford) fühlt sich mit Recht verraten und verkauft, denn sie hatte sich in einen Mann, Hardin (Hero Fiennes-Tiffin), verliebt, der sie durch sein Anderssein gegenüber den smarten Jungens, die sie sonst kannte, eroberte. Sie fühlte bei ihm einen Ernst, eine Tiefe, die aber sein läppisches Fremdgehen und seine gewalttätigen Ausbrüche als ihre Illusion herausstellten. Der ganze zweite Film soll also nun zeigen, daß er doch den guten Kern hat, aber das die Verhältnisse nicht so sind, daß die zum Tragen kommen, weshalb trotz der vielen Liebesszenen ein Zusammenleben wieder scheitert. Schließlich soll ja auch noch ein dritter Teil gedreht und verkauft werden.

Warum man sich über diesen Film ärgern kann, hat mehrere Ebenen. Wir fangen einmal mit den handwerklichen an. Denn dieser Film hat nicht die Vorbedingung, daß man die Bücher gelewen haben muß. Als Kinozuschauer muß man beim Betrachten des Films erwarten dürfen, daß man ihn versteht. Selten habe ich einen so schludrig erzählten Film gesehen. Denn die Liebe zwischen Tessa und Hardin wird ja durch bei der Familiengeschichten entscheidend be- und gehindert. Die Eltern beider sind geschieden. Ihre Mutter ist entschieden gegen die Verbindung, wirklich hundert Prozent. Den Vater gibt es nicht. Am Anfang taucht ein Typ auf, der als bettelnder Obdachloser erscheint, der ganz am Schluß wieder auftaucht und Tessa dazu bringt, daß sie: „Vater?“ fragt. Schluß.

Sehr viel intensiver lernen wir die Familie von Hardin kennen und so geht der Film auch los. Zufällig ist Tessa gerade in der schicken Wohnung von Hardin, um ihre noch herumliegenden Sachen einzupacken und dann endgültig zu gehen. Doch da kommt er mit seiner entfernt lebenden Mutter, die ihn besucht, von der Trennung nichts weiß, und sich schon immer auf sie gefreut hatte. Tessa ist nun eine, die sich sofort von seinen Erwartungen leiten läßt und will nur sehr ungerne Erwartungen, wie hier die von der Mutter enttäuschen. Also macht sie mit, daß der Mutter vorgetäuscht wird, sie seien noch ein Paar.

Später lernen wir und auch Tessa ebenfalls den Vater von Hardin kennen. Der lebt in einem feudalen Anwesen, wirklich mehr als ein Herrenhaus, wo das zugrundeliegende Geld förmlich aus aus allen Ritzen kriecht. Das bekommt man mit den bescheidenem Auftreten der Mutter nicht zusammen. Daß er eine wohlwollende zweite, schwarze Ehefrau hat, ist überraschend und ihr mitgebrachter Sohn fiel schon am Anfang auf, weil sich Tessa gut mit ihm versteht. Aber jetzt kommt die den Film durchziehende Szene, die wir immer als Albtraum von Hardin erleben, der aber auf wahrem Erlebnis beruht: ein Überfall auf die Mutter, die nach Vergewaltigung aussieht. und wo nach kurzen Bildern Hardin immer unter Schreien und Schweißströmen aufwacht. Dem Vater wird das Ganze zum Vorwurf gemacht. War er nicht da. Hat er zugesehen. Das alles ergibt sich nicht schlüssig aus den Szenen, ist aber für die Einschätzung wesentlich, weil Hardin seinen Vater auf dessen Empfang für die große weite Welt, für die oberen Zehntausend, angreift und niederschlägt. Welcher Skandal!

Das sind die interessanten Szenen, die undurchsichtig bleiben. Aber geradezu langweilig sind die Vorgänge unter Gleichaltrigen, die selten öde sind. Da werden die Mädchen allesamt als Zicken und Schlampen dargestellt, die nur eines im Sinn haben, Hardin zu beschlafen und damit Tessa eins auszuwischen. So war ja der erste Teil ausgegangen, weshalb sie sich getrennt hatte.

Die hier lesbare Enttäuschung hat auch mit dem ansprechenden Anfang zu tun, der Erwartungen geweckt hatte, die allesamt enttäuscht wurden. Da kommt nämlich Tessa als Praktikantin in eine Art Literaturagentur, wo sie einerseits mit Trevor (Dylan Sprouse) zusammenstößt, der sich dann als ihr Arbeitskollege herausstellt und ihr ein treuer Freund wird. Tessa soll in einer Woche fünf Manuskripte lesen und ihrem Chef sagen, was sie davon hält. Sie arbeitet gleich am ersten Tag 24 Stunden im Büro durch und kann schon zu drei Büchern etwas sagen, denn eins hält sie für außerordentlich geeignet, das dann der große Renner wird und das große Geld in die Agentur spült. Und da denkt man, daß man jetzt etwas zu den Büchern hört, daß man den Erfolg des von ihr ausgewählten inhaltlich verfolgt, daß es überhaupt um Kultur und Bücher geht, denn schließlich macht sie doch ein Praktikum.

Aber das sind alles nur äußere Hüllen, die nur benutzt werden, um der aufdringlichen Liebesgeschichte einen Rahmen zu geben. Dabei sind die in der Agentur auftretenden Personen die einzig positiven im Film. Warum allerdings die Geschäftsführerin, die sich als Partnerin des verwitweten Eigners herausstellt, Tessa überhaupt kennt, gehört auch zu den Schlampereien, mit denen die Geschichte erzählt wird.

Wenn man die Erfahrungen während des Films zusammenfaßt und wertet, bleiben drei Punkte:
- die Schilderung der Reichen, die überwiegen gegenüber den armen Schluckern (die beiden Mütter, auch Tessas Vater), wird unreflektiert als Normalzustand ausgegeben;
- Tessa hat Hardin gegenüber eine Haltung, die man in den letzten Jahrhunderten für eine Frau die angemessene fand: sie himmelt ihn an, er muß nur auftreten und ihre Gesichtszüge werden weich, lösen sich fast auf. Dabei wird ja so getan, als ob sie eine moderne junge Frau sei;
- die ganze Erzählweise, der Ton sind penetrant kitschig und lassen die Konstruktion der Handlung durchscheinen.

Das wird nicht helfen, daß breite Werbemaßnahmen für den Film die Sehnsucht junger Menschen nach aufkeimender Liebe, nach glückhaften Beziehungen mißbrauchen. Früher gab‘s dafür wöchentlich Arzt- und Schwesternheftchen oder sonstige Gartenlaubentexte. Heute gibt es solche Filme.

Fotos:
© Verleih

Info:
Darsteller
Schauspieler                Rolle 
Hero Fiennes Tiffin.     Hardin Scott
Josephine Langford.   Tessa Young
Dylan Sprouse             Trevor Matthews
Candice Accola.           Kimberly
Inanna Sarkis               Molly Samuels