drachSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. Oktober 2020,  Teil 3

Redaktion

München (Weltexpresso) - Der Look der Figuren und der fantastischen Welten in DRACHENREITER sind die Domäne von Tomer Eshed. Die Anfänge eines Animationsfilms sind sehr theoretisch. Schließlich werden die Figuren zunächst ohne Sprache, ohne Stimme, ohne Bewegung zu Papier gebracht. Erst durch die Bewegung, durch den Gang, vor allem durch ihre Stimme, durch ihr Lachen entsteht die Persönlichkeit, der Character.

„Die größte Herausforderung bei der Inszenierung eines Animationsfilms ist es, objektiv zu bleiben. Denn die Prozesse, an denen man arbeitet, ziehen sich über einen sehr langen Zeitraum hin“, erzählt der Regisseur. „Das ist allerdings sehr schwierig. Denn im Verlauf der Zeit ändert man sich selbst. Und dennoch ist das Projekt das Projekt. Und diesem gilt es zu folgen. Man muss sich wirklich am Riemen reißen“, sagt Eshed weiter. Darüber hinaus bringe jede Produktion natürlich andere Ausgangssituationen mit sich: „Im Fall von DRACHENREITER befand ich mich diesbezüglich in einer sehr glücklichen Situation.“

„Der große Unterschied zwischen Real- und Animationsfilm ist, dass der Schnitt im Grunde vor dem ‚Dreh‘ stattfindet. Bei einem Realfilm geht man nach Fertigstellung des Drehbuchs irgendwann an ein richtiges Set, mit Schauspielern und der nötigen Crew. Nach dem Dreh geht das Material zum Editor, wo die Filmaufnahmen sortiert und geschnitten werden. Dann folgt die Postproduktion. Beim Animationsfilm ist es dagegen so, dass wir extrem viel Zeit in die Überlegung stecken, welche Shots wir genau benötigen. Dann produzieren wir diese Shots. Dieser Prozess ist entscheidend für die weitere Entwicklung des Films“, beschreibt Tomer Eshed. Für den Regisseur ist es ausschlaggebend, das konzeptionelle Skelett zu bewahren, es über den langen Zeitraum hinweg zu beschützen und aufrecht zu erhalten, dafür zu sorgen, dass es in einer vorgegebenen Zeit, mit vorgegebenen Limitierungen umgesetzt wird. „Das ist ebenfalls eine enorme Herausforderung. Lag am Anfang mein Fokus auf der Geschichte, auf dem kohärenten Storytelling und dem Characterdesign – das ist die Ecke, aus der ich ursprünglich komme, in der ich mich am wohlsten fühle –, konzentrierte sich meine Funktion im Verlauf der Produktion mehr und mehr in Richtung eines Supervisors“, führt Eshed aus.

Die Zusammenarbeit mit den Studiopartnern Rise Pictures und Cyborn beschreibt der Regisseur als großartig. Um einen Überblick zu behalten, ist die Koordination bei der Herstellung eines Animationsfilms das A und O. Um die Produktion stemmen zu können, fand die Aufteilung in den kreativen und wirtschaftlichen Sektor statt. „Bei einem Animationsfilm zieht jede kreative Entscheidung sofort auch eine wirtschaftliche Entscheidung nach sich. Sind Dinge einmal festgelegt, lassen sie sich nicht mehr so einfach ändern. „Man kann hinterher sein Material nicht einfach neu schneiden. Würde man wieder etwas herausschneiden oder umschneiden, verliert man sofort sehr viel Geld, weil die Figuren oder Landschaften kurz zuvor aufwendig erstellt wurden und durch das Umschneiden eine komplett neue Animation nötig wäre“, erläutert Christoph Müller.

Für Tomer Eshed als Regisseur war es eine große Herausforderung, das Projekt über mehrere Länder hinweg zu kontrollieren. „Es ist verständlich, dass jede Partnerfirma einen eigenen Stil hat, eine andere Herangehensweise. Für mich galt es, alles unter einen Hut zu bekommen, viel zu reisen, viel zu kommunizieren, und dieses große, wunderbare Team zu managen.“ Den Entstehungsprozess, eine Jonglierarbeit in drei Ländern, nennt Müller deshalb scherzhaft „ein vogelwildes Gemengelage aus verschiedenen kreativen Prozessen, die alle gleichzeitig gesteuert werden müssen“. Mit verschiedenen Koordinationsstellen behielt man den Überblick.

Die fünf auf Computeranimation spezialisierten Firmen Rise Pictures, Cyborn, Able&Baker, BigHugFX sowie Lumatic Animation arbeiteten gemeinschaftlich an der Entstehung. Als Ausgangsbasis diente das Animatic, die gezeichnete und vertonte Version der Geschichte. Rise Pictures baute die 3D-Sets und leuchtete und renderte den Film zusammen mit BigHug FX. Cyborn war hauptsächlich für das Rigging der Characters verantwortlich, die im Anschluss von ihnen, Able&Baker, Rise Pictures und Lumatic animiert wurden. „Im Prinzip haben wir den Film aufgeteilt und den jeweiligen Firmen eine gewisse Menge an Minuten übertragen. Über ein gemeinsames Programm konnte Tomer stets die Ergebnisse sehen, kommentieren und überwachen. Es ist ein wirklich anspruchsvolles Arbeiten“, erklärt Christoph Müller.


YouTube-Stars und alte Hasen

Die Idee bei DRACHENREITER war, die Geschichte ganz aktuell und aus dem Hier und Jetzt wirken zu lassen. Dabei war die Frage nach den Synchronstimmen von besonderer Bedeutung. Da der Film im Original auf Englisch entstand und auch auf ein englischsprachiges Drehbuch zurückgriff, musste man erst geeignete Sprecher für den deutschsprachigen Markt suchen. „Die Figuren erhalten ihre ganz eigene, spezielle Färbung durch die Stimmen. Da die Geschichte in erster Linie für ein junges Publikum ist, wollten wir auch die drei Hauptfiguren 
Lung, Schwefelfell und Ben von jungen und angesagten Persönlichkeiten einsprechen lassen“, erklärt Christoph Müller. Mit Julien Bam, Dagi Bee und Mike Singer konnte Constantin drei der erfolgreichsten YouTube-Stars und Influencer Deutschlands gewinnen. „Wir wollten eine hohe Identifikation schaffen, nichts Gestelztes, Theatralisches, sondern normale identifizierbare Stimmen, mit denen man auf Anhieb mitgeht“, erklärt Müller weiter.

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Info:
Drachenreiter (Deutschland, Belgien 2020)
Regie: Tomer Eshed
Drehbuch: John R. Smith nach dem gleichnamigen Buch von Cornelia Funke
Englische Sprecher: Felicity Jones, Thomas Brodie-Sangster, Freddie Highmore, Patrick Stewart u.a.
Deutsche Sprecher: Julien Bam, Dagi Bee, Mike Singer, Rick Kavanian, Axel Stein, Kaya Yanar u.a.
Verleih: Constantin Film Verleih