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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2020 10 16 um 02.51.52Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. Oktober 2020, Teil 15

Shelagh McLeod

Montreal (Weltexpresso) - Die demographischen Statistiken zeigen, dass die Anzahl älterer Menschen in unserer Epoche so hoch ist wie nie zuvor in der Geschichte. Dennoch werden Senioren viel zu oft vergessen, herabgewürdigt, angewiesen, „still zu halten“.

Doch die Erfahrungen, die ich in den sich über Monate erstreckenden Besuchen bei meiner Mutter im Pflegeheim gemacht habe, haben meine Haltung grundlegend verändert. Nicht nur, weil mir bewusst war, dass ich meine Mutter verlieren würde. Mit anzusehen, wie sich meine Mutter, eine lebenslang unabhängige Frau, in eine zerbrechliche, ängstliche und missachtete alte Dame verwandelte, brach mir schier das Herz.

Im Garten des Pflegeheims traf ich auf einen älteren Mann. Er saß in seinem Rollstuhl und starrte stundenlang in den Himmel. Eines Tages fragte ich ihn „Was genau suchen Sie dort oben...?“ „Einen neuen Anfang...“, sagte er.

Diese Unterhaltung war der Ursprung von ASTRONAUT. Angus hat noch die gleichen Hoffnungen und Wünsche wie ein Teenager. Mit einem einzigen Unterschied: sein Körper lässt ihn im Stich. Und um das Goldene Ticket für einen Trip in den Weltraum zu gewinnen, braucht er ein bisschen Unterstützung.

Alte Menschen lassen sich nicht „still halten“, sie wollen gehört werden. Doch sie sind von der Gesellschaft zu Außenseitern gemacht worden, man hört ihnen nicht zu. Viele Charaktere in meiner Geschichte sind in der Position von Underdogs. Es sind Menschen, die sich gegen ihre ungerechte Entlassung wehren, oder ihre Stimme zur Geltung bringen in einer Gesellschaft, die nicht zuhören will – oder einfach wertgeschätzt werden wollen.

Die Kabbeleien zwischen dem alten Mann, seinem Enkel, und seinem Schwiegersohn im Prozess des Zusammenraufens erleichtern ihnen die Überwindung der Schwierigkeiten und verleihen auch der Handlung mehr Leichtigkeit. Es war mir wichtig, den Aspekt der „Ungezogenheit“ von alten und gebrechlichen Menschen hervorzuheben. Verzweiflung erzeugt Mitgefühl für die Not älteren Menschen.

Unser größter Wunsch ist es, dass diese Geschichte das Gefühl von Hoffnung vermittelt und jeder Familie eine gute Botschaft mitgibt: wenn wir uns gegenseitig helfen, können wir alle, ungeachtet unseres Alters, unsere vermeintlich unmöglichen Träume wahr werden lassen, wir können, im konkreten wie im übertragenen Sinne, unsere ureigene Reise zu den Sternen antreten.

ASTRONAUT erzählt eine sehr persönliche Geschichte. Es ist zugleich eine zeitgemäße Geschichte, von der ich hoffe, dass sie beim Publikum als universell erkannt wird. Denn wir befinden uns alle auf einem Weg ohne Wiederkehr – und wäre es nicht großartig, wenn wir, in unseren düstersten Momenten, vielleicht sogar am Ende unseres Lebens, die Reise unserer Träume machen und einen neuen Anlauf nehmen könnten?


Foto:
© Verleih

Info:
ASTRONAUT (Canada 2019)
Regie: Shelagh McLeod.
Darsteller: Richard Dreyfuss, Lyriq Bent, Krista Bridges, Colm Feore, Richie Lawrence, Graham GreeneI
Verleih: JETS: