Wie aus Gerhard Richter „Kurt Barnert“ wurde

Klaus Jürgen Schmidt

Nienburg/Weser (Weltexpresso) –

Als „meisterhaftes, lehrreiches Künstlerporträt“ präsentierte uns die ARD am Montagabend den Dreistunden-Film „Werk ohne Autor“ des renommierten Filmemachers Florian Henckel von Donnersmarck. Was ich zu sehen bekam war ein „meisterhaft“ gefälschtes Künstlerporträt.

Zu den drei Stunden Fernseherlebnis hatte ich mich verleiten lassen, weil 1.) Frau und Tochter Werke des Künstlers in einer Londoner Ausstellung bewundert hatten und weil 2.) die Tochter den 2018 entstandenen Film schon in einem Hamburger Kino gesehen hatte und ihn deshalb wärmstens empfahl.

Ich dachte also, es ginge um den Gerhard Richter, der zwölf Jahre vor mir geboren wurde und - wie ich mit meiner Familie in den späten Fünfzigern - aus der DDR „weggemacht“ hatte. Also um jenen Künstler, dessen Werk im Einzelverkauf zuletzt bei einer Auktion 41 Millionen Euro eingebracht hatte.

Deshalb wunderte es mich von Anfang an, dass im Film der porträtierte Künstler nicht Gerhard Richter hieß, sondern Kurt Barnert. Dann ließ mich auch noch die nachgestellte Szene einer Pressekonferenz ratlos zurück, in der der Künstler so tat, als stammten Vorlagen der von ihm gemalten Schwarz-Weiß-Bilder von beliebigen Fotos ihm unbekannter Personen.

Florian Henckel von Donnersmarck hatte den Zuschauern aber von Anfang an vorgeführt, dass der Künstler bewusst u.a. Passfotos seines Schwiegervaters ausgewählt hatte, weil ihm klar geworden war, dass dieser als SS-Arzt seine geliebte Tante als „lebensunwert“ hatte ermorden lassen.

Diese Ungereimtheiten ließen mich nachschauen, was ich im Werk des renommierten Filmemachers erfahren könnte: so wie von ihm dargestellt, einen vom Wissen gequälten Maler, der seine Kunst nutzt, um ganz privat darüber hinwegzukommen, und nicht, um Wahrheit aufzudecken?

Wie so oft hilft Wikipedia weiter:

2005 hat ein Richter-Biograf klargestellt, Gerhard Richter hatte bis zur Recherche dieses Autors keine Ahnung von den Zusammenhängen! Ein BILD-Zeitungsbericht über die späte Festnahme eines SS-Verantwortlichen hatte ihn weder aufgeklärt noch zu seinen Bildern von Familienfotos angeregt.

Hat sich - wie es jetzt heißt - Florian Henckel von Donnersmarck lediglich an der Lebensgeschichte Gerhard Richters „orientiert“? Als Vorlage habe ihm das 2005 erschienene Buch "Ein Maler aus Deutschland - Gerhard Richter. Das Drama einer Familie" von Jürgen Schreiber gedient.

Doch sein „Kurt Barnert“ wird uns Filmzuschauern - mit der Entstehungsgeschichte von originalen Werken Gerhard Richters (!) - als ein Mann vorgeführt, den ein Wissen quält, über das er nicht sprechen kann!

Ein „Autor ohne Werk“?

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