Gaunerin, Sexualtherapeutin, Künstlerinnen

Die mittlerweile 93-jährige Jüdin Ruth Westheimer (Foto) überlebte die Nazis durch einen Kindertransport in die Schweiz (1938). Ihre ganze Familie wurde ermordet, sie kämpfte in der israelischen Haganah in Palästina und ging später in die USA. Trotz der Unbilden in ihrem frühen Leben entwickelte sie eine ungeheure Lebensfreude und gewann mit der Zeit Weltruhm durch ihre sexualtherapeutische Arbeit in Radio- und TV-Sendungen („FRAGEN SIE DR. RUTH“).  Durch ihre unbekümmerte und offene Art schockte sie zwar das spießige Amerika der 1980er-Jahre, half aber vielen Menschen, die sie als „Grandma Freud“ schätzten und liebten. Der abwechslungsreiche Dokumentarfilm endet mit ihren Worten: „Was du auch Tragisches erlebt hast, schau wie du gelebt hast!“.

Isabelle Huppert (Foto ganz oben) stellt als starke Französin „EINE FRAU MIT BERAUSCHENDEN TALENTEN“ dar und arbeitet als arabische Dolmetscherin bei der Pariser Polizei. Aber es gelingt ihr auch, hinreißend als Araberin herausgeputzt, hinter dem Rücken des mit ihr liierten Kommissars, eine unfassbare Menge Haschisch beiseite zu schaffen und teuer zu verkaufen: „Das Elend hat ein Ende“, frohlockt sie. Schließlich müssen ja die Schulden im teuren Pflegeheim ihrer Mutter bezahlt werden. Dieser unterhaltsame und freche Streifen ist fröhliches Gaunerinnenkino: Ganz in der Tradition des französischen - eigentlich zutiefst männlich geprägten und düsteren - Film Noirs, in dem (fast) immer „die Bösen“ gewinnen.

Schauspielerin Jean Seberg wurde, nach ihren filmischen Erfolgen in den USA, die Ikone der Nouvelle Vague, des neuen französischen Films. Der Spielfilm „JEAN SEBERG AGAINST ALL ENEMIES“ ist kein Biopic, bezieht sich aber auf einige wichtige Ereignisse in ihrem Leben: Als sie 1968 aus Europa in die USA zurückkehrte, spendete sie viel Geld für die Schwarze Bürgerrechtsbewegung und sympathisierte mit den zornigen Black Panthern (Foto). Mit einem Kämpfer soll sie eine Affäre gehabt haben...

...aber eine so weiße, eine so blonde, eine so prominente Frau, die es mit einem radikalen Schwarzen trieb, das gefiel dem damaligen FBI unter dem rassistischen Boss Edgar Hoover überhaupt nicht. Seberg, hervorragend dargestellt von Kristen Steward,  wurde pausenlos überwacht und drangsaliert, bis das FBI sie schließlich mit Verleumdungen und illegalen Intrigen zur Strecke brachte. Sie emigrierte nach Frankreich, machte noch einige gute Filme und starb dort einige Zeit später unter mysteriösen Umständen mit nur vierzig Jahren.

Am Meer spielt Sigalit Landau nackt mit einem Reifen aus Stacheldraht Hula-Hoop. Marina Abramovic schneidet sich mit der Klinge einen Kommunisten-Stern in den nackten Bauch. Das sind die radikalsten, aber auch ältesten Szenen aus dem Dokumentarfilm „BODY of TRUTH“, in dem vier Künstlerinnen zeigen, wie ihre Körperkunst aus ihren Biografien entstand. Landau (Foto) wuchs umgeben von Stacheldraht als Jüdin im Grenzgebiet von Palästina und Israel auf. Abramovic wurde einst von ihren kommunistischen Partisaneneltern in Jugoslawien martialisch erzogen.

Es ging den Performerinnen in ihren frühen Arbeiten nicht um flagellantischen Lustgewinn, sondern sie nutzten ihre Leiber (auch) als künstlerisches Medium und gingen dabei bis an ihre Grenzen. Den Leibern sei ihre Geschichte eingeschrieben, meint die iranische Künstlerin Shirin Neshat und zeigt in ihren Arbeiten, „wie autoritäre Regime mit dem weiblichen Körper umgehen.“ Die deutsche Fotografin Katharina Sieverding fällt etwas aus dem Rahmen. Sie machte Performances in den 1960er-Jahren und zeigt im Film die Entstehung riesiger Fotografien im öffentlichen Raum.

Info:
„Fragen sie Dr. Ruth“, Dokumentarfilm, USA 2019, 100 Minuten
Regie Ryan White, mit Dr. Ruth Westheimer
DVD / VoD bereits im Handel
Mehr über Dr. Ruth im weltexpresso

„Eine Frau mit berauschenden Talenten“, Spielfilm, F 2020, 104 Minuten
Regie Jean-Paul Salomé mit Isabelle Huppert, Hippolyte Girardot, Fairda Ouchani u.a.
DVD / VoD 25. Februar
Mehr über den Film im Weltexpresso

„Jean Seberg Against all Enemies“, Spielfilm, USA 2020, 96 Minuten
Regie Benedict Andrews mit Kristen Stewart, Jack O’Connell, Anthony Mackie u.a.
DVD / VoD gerade im Handel
Mehr über den Film im weltexpresso

„Body of Truth“, Dokumentarfilm, D/Che 2019, 92 Minuten
Regie Evelyn Schels mit den Künstlerinnen Marina Abramović, Shirin Neshat, Sigalit Landau und Katharina Sieverding
DVD / VoD 25. Februar

Fotos:
Verleih