Traumfabrik TV1Erstmals im Free-TV im Rahmen von 75 Jahre DEFA am 17. Mai 2021 beim MDR

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Der gerade aus der NVA entlassene Emil Hellwerk (Dennis Mojen) besucht im Sommer 1961 seinem Bruder Alex (Ken Duken) an dessen Arbeitsstelle als Kulissenbauer und Stuckateur in den DEFA-Filmstudios in Babelsberg. Alex vermittelt seinem Bruder eine Anstellung als Komparse.

Das ist zwar nicht gerade das, was sich Emil vorgestellt hat, da er eigentlich mit dieser seltsamen Filmwelt nichts anfangen kann. Doch dann sieht er in einem gerade ankommenden Auto die junge Französin Milou Lambert (Emilia Schüle) und ist von ihr hingerissen. Die ist zwar nicht der Star des gerade gedrehten Piratenfilms, denn das sind Béatrice Morée (Ellenie Salvo González) und Omar (Nikolai Kinski), während Milou nur als Morées Tanzdouble arbeitet.

Auf dem Set des Piratenfilms muss Emil während einer Lichtprobe für Omar einspringen und steht plötzlich wieder Milou gegenüber. Die Szene soll in einen Kuss münden und Emil lässt sich dazu hinreißen, Milou ohne Vorwarnung zu küssen.

Damit verpatzt der etwas verträumte junge Mann durch seine Naivität nicht nur die Filmszene, sondern ist daneben auch noch der Auslöser eines kostspieligen und feurigen Chaos auf dem Set. Daraufhin erhält Emil vom Generaldirektor Beck (Heiner Lauterbach) Hausverbot für das gesamte Studiogelände.

Emil lässt sich davon nicht abhalten und versucht Milou noch einmal zu treffen und bittet sie, am nächsten Tag wieder zu kommen, da er ihr etwas Besonderes zeigen will. Milou antwortet mit "peut-être". Doch am nächsten Tag kommt die junge Frau nicht, denn sie ist in einem West-Berliner Hotel untergebracht und kann am Übergang auf der Glienicker Brücke nicht nach Potsdam in die DDR einreisen - es ist der 13. August 1961. Sie kann auch nicht in Babelsberg anrufen, da alle Telefonleitungen von West Berlin in die DDR gekappt sind. Milou fliegt am nächsten Tag traurig zusammen mit den anderen französischen Darstellern nach Paris zurück.

Durch die Schließung der Grenzen kommen auch viele der im Westen lebenden Mitarbeiter nicht an ihre Arbeitsstelle im Studio. Als sich Emil im Büro eines nicht mehr anwesenden Produktionsleiters versteckt wird er als neuer Mitarbeiter begrüßt und nimmt den Namen Karl Boborkmann an.

Als Produktionsleiter entwickelt er einen tollkühnen Plan. Um seine Milou zurückzubekommen, will der verliebte junge Mann in Babelsberg einen zuerst als kleinen Film geplanten Monumentalschinken über Cleopatra mit einer wichtigen und großartigen Tanzszene drehen, der die französischen Darsteller noch einmal nach Potsdam zurückbringen soll. Cleopatra ist schließlich eine Rolle, die Béatrice Morée unbedingt spielen will, vor allem wenn das Drehbuch viele Nahaufnahmen von ihr vorsieht.

Mit Hilfe der Visagistin Christa (Ilona Schulz), der der junge Mann die Wahrheit erzählt, beginnt Emil alias Karl Boborkmann einen Film auf die Beine zu stellen, zu dem er zusammen mit seinem Bruder erst einmal ein Drehbuch schreibt, von dem der Generaldirektor Beck und seine rechte Hand Prager (Wilfried Hochholdinger) überhaupt nicht überzeugt ist.

Obwohl es eigentlich nur ein kleiner Film werden soll, erfährt die Bild-Zeitung von dem Projekt. Dies bringt den Parteigenossen Gregor Grote (Anatole Taubmann) auf den Plan, der meint, mit so einem prestigeträchtigen Film könne sich die DDR als Filmstandort vor aller Welt beweisen. Jetzt wird das Projekt bewilligt und Emil gleich auch noch zum Regisseur befördert.

Emil und seine von ihm handverlesene Crew machen sich an die Arbeit. 1962 stehen sich Emil und Milou wieder in Babelsberg gegenüber. Doch die junge Frau ist inzwischen mit Omar verlobt, der sich auch als recht eifersüchtig erweist. Emil muss jetzt nicht nur die Studio- und Parteioberen von seinen Filmfortschritten überzeugen, sondern er muss auch überlegen, ob er weiter um seine große Liebe kämpfen will...


Traumfabrik TV2Das Studio Babelsberg in Potsdam hat als eines der ältesten Filmstudios der Welt eine lange und bewegte Geschichte. Die ehemaligen DEFA-Studios wurden im Mai 1946 gegründet und feiern gerade ihr 75jähriges Bestehen. Es war ein Studio, in dem neben großartigen Filmen auch schreckliche Produktionen und Propagandafilme entstanden sind. Nach einem tiefen Absturz sind in den letzten Jahren dort auch immer mehr ausländische Großproduktionen hergestellt worden, wie z.B. im letzten Jahr "Matrix 4" mit Keanu Reeves in der Hauptrolle.

Regisseur Martin Schreier hat versucht mit "Traumfabrik", die Geschichte des Studios zumindest als Hintergrund seiner Story zu verwenden. Dabei konnte Drehbuchautor Arend Remmers schon auf reale Begebenheiten zurückgreifen, denn in den 1950er Jahren wurden in den DEFA-Studios sehr wohl Filme mit bekannten französischen Stars gedreht.

Sehr schön ist, dass der erste Film der 2017 neu gegründeten Produktionsfirma Traumfabrik Babelsberg zumindest im Umkreis der eigenen Vergangenheit angesiedelt ist und der Film damit auch dem Filmstudio selbst und seiner Geschichte Reverenz erwiesen hat.

Regisseur Martin Schreier hat in seinem Film versucht, deutsche Geschichte und deutsche Filmgeschichte mit einer zugegebenermaßen rührenden aber auch herrlich kitschigen Liebesgeschichte zu verbinden.

Dabei fängt der Film an und endet mit einer Rahmenhandlung, die auch immer mal wieder in die Handlung eingestreut wird, in der der 2020 verstorbene Michael Gwisdek in seiner letzten Rolle zwar wunderbar einen Großvater spielt, der seinem Enkel Simon (Valentin Silas Hahn) eine Geschichte über eine große Liebe erzählt. Dieser Teil der Story ist leider nicht so gut gelungen und stört an einigen Stellen sogar den Fluss der Handlung.

Die Hauptdarsteller des Filmes sind Dennis Mojen als Emil und Emilia Schüle als Milou. Den verliebten Träumer Emil, der für das Wiedersehen mit seiner großen Liebe alles in Bewegung setzt, spielt Dennis Mojen mit einem augenzwinkernden Hang zur Parodie. Emilia Schüle, für die in das Drehbuch extra Tanzszenen hineingeschrieben wurden, ist da deutlich zurückhaltender. Allerdings haben die beiden einige rührende bis kitschige (das ist nicht negativ gemeint) Szenen miteinander, in der der Film versucht, große Gefühle auf die Leinwand zu bringen. Besonders gelungen ist dabei eine Szene, in der Emil und Milou mit einem Studiowagen bei Nacht über eine einsame Landstraße fahren und von hunderten von Glühwürmchen umschwärmt werden.

Von den weiteren Darstellern sind besonders die lässige Professionalität von Ken Duken als Emils pragmatischer Bruder Alex, der zwar immer wieder vor den Folgen von Emils Handeln warnt aber im Zweifelsfall ihn unterstützt und den Rücken freihält, und von Heiner Lauterbach als linientreuer Direktor Beck, der versucht Emil jeden nur möglichen Stein in den Weg zu legen; hervorzuheben. Anatole Taubmann zeigt in seiner kleinen Rolle als Parteigenosse Gregor Grote eine herrliche Karikatur eines Parteibonzen, der zwar keine Ahnung vom Filmen aber ganz andere Geschmacksvorstellungen als die DEFA Studio-Bosse hat.

Ellenie Salvo González als französische Diva Béatrice Morée und Nikolai Kinski als französischer Darsteller Omar, der im ersten Film einen Piraten und im zweiten Cäsar spielt, und der der späterere Verlobte von Milou ist, sind doch etwas eindimensional und auch klischeehaft gezeichnet. Nikolai Kinski hat dazu zusammen mit Dennis Mojen eine völlig überflüssige Szene, in denen die beiden sich wegen Milou prügeln. Die Eindimensionalität gilt ganz sicher auch für die russischen Statisten, die natürlich ausgesprochen trinkfreudig sind und in den Pausen nebenbei traurige Lieder auf der Geige spielen.

Sehr gut gelungen ist dagegen die Filmmusik von Philipp Noll, die genau an den passenden Stellen melodramatische Tiefe und Kino-Nostalgie heraufbeschwört, ohne allzu dick aufzutragen.

Insgesamt ist "Traumfabrik" eine augenzwinkernd erzählte Geschichte über eine gelungene Eulenspiegeliade vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse rund um den 13. August 1961, bei dem man während des Abspanns auch noch erfährt, wie das weitere Leben von Emil und Milou abläuft. Der Film ist eine überwiegend kurzweilige, witzige und manchmal auch bewusst richtig kitschige Lovestory mit einer tiefen Verbeugung vor der historischen Filmkulisse von Babelsberg. Trotz der leisen Kritik macht der charmante Film Spaß, deshalb sollten ihn sich nicht nur Romantiker unbedingt im Fernsehen ansehen. "Traumfabrik" wird am Montag, dem 17.05.2021 um 20:15 Uhr - dem Gründungstag der DEFA - im Rahmen von 75 Jahre DEFA beim MDR als Free-TV Premiere gezeigt.

Foto 1: Emil (Dennis Mojen) im Studio © MDR/TOBIS/Julia Terjung
Foto 2: Emil (Michael Gwisdek) erzählt 2019 dem Enkel Simon (Valentin Silas Hahn) seine Geschichte © MDR/TOBIS/Julia Terjung

Info:
Traumfabrik (Deutschland 2019)
Genre: Drama, Liebesfilm
Filmlänge: ca. 120 Min.
Regie: Martin Schreier
Drehbuch: Arend Remmers
Darsteller: Dennis Mojen, Emilia Schüle, Heiner Lauterbach, Ken Duken, Nikolai Kinski, Ellenie Salvo González, Michael Gwisdek, Wilfried Hochholdinger, Valentin Silas Hahn u.a.
Verleih: Tobis Film
FSK: ab 6 Jahren
TV-Premiere ist im Rahmen von 75 Jahre DEFA am Montag, 17.05. 2021 um 20:15 Uhr beim MDR. Anschließend kann man den Film noch 8 Tage in der ARD-Mediathek abrufen.