Shane1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. August 2021, Teil 3 

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Shane MacGowan war nicht nur der legendäre Frontmann der irischen Folk-Punk-Band The Pogues, die in den 1989er- und 1990er Jahren große Erfolge feierten, er war daneben auch ein hervorragender Songschreiber, aber er war auch ein Rebell und bezeichnete sich selbst als Punk.

Shane MacGowan kam am 25. Dezember 1957 in Tunbridge Wells in England als Sohn irischer Eltern zur Welt, wuchs dann aber ab Ende der 1950er Jahre im irischen Tipperary auf. Die Familie zog aber 1964 wieder zurück nach England und lebte u.a. in Brighton und London.

MacGowan behauptet von sich, dass er bereits mit drei Jahren von seinen Verwandten in Tipperary Alkohol und Zigaretten bekommen hätte und dass er auch damals schon im örtlichen Pub singen musste.

Obwohl er an einer der elitärsten und teuersten Schulen in England angenommen wurde, machte er keinen Schulabschluss, spielte aber bald in Londoner Clubs für die irische Bevölkerung, dabei vermischte recht schnell die gerade aufkeimende Punkmusik mit irischem Folk.

1981 gründete er mit zwei Freunden seine erste Band, die sich, als sie um drei weitere Mitglieder erweitert wurde, ab 1983 The Pogues nannte. Nachdem die Band in England und Irland immer bekannter wurde, hatte sie 1987 mit "Fairytale in New York" (gesungen zusammen mit Kirsty MacColl) ihren bekanntesten Welthit und eines der am meisten gespielten Weihnachtslieder in Großbritannien. Daneben verschaffte die Band ihren irischen und nordirischen Landsleuten eine Stimme während des Nordirlandkonfliktes in den 1980er und 1990er Jahren.

Bereits vor "Fairytale in New York" hatten The Pogues mit dem Album Rum, Sodomy & the Lash großen Erfolg. Besonders bekannt wurden "A Pair of Brown Eyes" mit dem Text von Shane MacGowan und einer Melodie, die lose auf "Wilde Mountain Thyme" basiert, sowie zwei Coverversionen mit "Dirty Old Town" des schottischen Musikers Ewan MacColl und dem Antikriegslied "And the Band Played Waltzing Matilda" von Eric Bogle.

Doch Shane MacGowan war auch für seinen exzessiven Lebensstil berühmt und berüchtigt. Er war nicht nur bei Interviews, sondern auch auf der Bühne häufig betrunken oder bekifft. Bekannt sind von ihm Bilder, bei denen ihm jahrelang einige der Vorderzähne fehlen.

1991 warfen die übrigen Mitglieder von  The Pogues MacGowan wegen dessen unprofessionellen Verhaltens aus der Band. Der gründete daraufhin eine neue Band, Shane MacGowan and The Popes, die allerdings nicht mehr an die frühen Erfolge der Pogues anknüpfen konnte.

Der Musiker hat es allerdings trotz seiner Alkohol- und Drogen-Eskapaden geschafft, heute noch zu leben, und hat bis vor wenigen Jahren auch mit The Pogues Musik gemacht und Konzerte gegeben, mit denen er seit 2001 wieder zusammen auftritt. Allerdings musste er immer wieder Konzerte abbrechen und sitzt seit einigen Jahren im Rollstuhl und auch seine Möglichkeit zu Sprechen wirkt doch etwas eingeschränkt.


Shane2In dem hier besprochenen Dokumentarfilm "Shane" - im Original besser "Crock of Gold: A Few Rounds with Shane MacGowan" - setzt Regisseur Julien Temple dem Musiker anhand Archivaufnahmen und bisher unveröffentlichten Bildmaterial ein würdiges Denkmal. Der Film wurde u.a. von Johnny Depp produziert, der mit MacGowan schon seit vielen Jahren befreundet ist und ihn auch in einigen Szenen selbst interviewt.

Julien Temple hat den einzelnen Interviews und Unterhaltungen mit MacGowan gefilmt - der hatte meist einem Drink in der Hand oder auf dem Tisch -, in denen neben Johnny Depp u.a. auch Gerry Adams, der ehemalige Führer vom Sinn Féin, der schottische Singer-Songwriter Bobby Gillespie mit dem Musiker sprechen.

Interviews wurden daneben z.B. mit seiner Schwester Siobhan MacGowan, seinem Vater Maurice MacGowan, seiner Frau Victoria Mary Clarke oder der Pogues Biographin Ann Scanlon geführt. Weitere Archivaufnahmen zeigte der Film z.B. von seiner verstorbenen Mutter Therese MacGowan und dem 2002 verstorbenen The Clash Sänger Joe Strummer, der selbst kurzzeitig Mitglied der Pogues war.

Dazwischen zeigt der Regisseur dem Musiker immer wieder Aufnahmen früherer Gespräche und Interviews. Dadurch erreicht er, dass MacGowan zum Erzähler seines Lebens wird. Das gibt dem Film eine spannende Authentizität.

Julien Temple geht in seiner Dokumentation noch einen Schritt weiter. Er lässt einige von MacGowans Erlebnissen (farblich meist in Sepia oder Schwarz/Weiß gehalten) nachspielen oder zeigt sie auch als kurze Animationsfilme. Dabei wird nicht nur das ärmliche Leben im Irland der 1960er Jahre nachgespielt, sondern Temple geht auch noch weiter in die irische Vergangenheit zurück, auf den Spuren der großen Hungersnot im 19. Jahrhundert und dem Unabhängigkeitskrieg von 1919, denn diese Ereignisse haben in der großen Familie des Musikers ihre Spuren hinterlassen. Dabei konnte der Regisseur neben den nachgestellten Filmen auch auf Originalfotografien der Familie zurückgreifen.

Die Muskidokumentation endet mit einem Konzert im Januar 2018 zum 60. Geburtstag des Musikers in der National Concert Hall in Dublin, bei dem er vom irischen Präsidenten Michael D. Higgins mit dem Lifetime Achievement Award ausgezeichnet wurde. In dem Konzert traten Musikgrößen wie Bono, Sinead O'Connor, Lisa O’Neill, Finbar Fury, Bobby Gillespie, Glen Hansard und andere auf. Johnny Depp spielte in der 60th Birthday Band Gitarre und Nick Cave sang mit dem im Rollstuhl sitzenden Shane MacGowan "Summer In Siam".

Der Film zeigt nicht nur die Erfolge, sondern auch die Schattenseiten des exzessiven Lebensstils. Allerdings betont Shane MacGowan im Gespräch, dass er nichts davon bedauert, sondern dass er immer noch gerne Alkohol trinkt.

Insgesamt ist "Crock of Gold: A Few Rounds with Shane MacGowan" ein kurzweiliger und faszinierender Dokumentarfilm über einen Mann voller Widersprüche. Das Biopic ist trotz seiner 124 Minuten in keiner Sekunde langweilig und deshalb auch für Menschen, die mit irischer (Punk-)Folk-Musik nichts anfangen können und deshalb die Songs der Pogues nicht mögen, unbedingt sehenswert.

Zusatz: Johnny Depp und Shane MacGowan kennen sich nicht nur seit beinahe 30 Jahren. Der Schauspieler hat 1994 beim Video zu "Shane MacGowan and the Popes: That Woman's Got Me Drinking" nicht nur die Hauptrolle übernommen, sondern auch selbst Regie geführt und ist danach auch mit der Band als Gitarrist aufgetreten.

Foto 1: Shane MacGowan mit seiner Band The Pogues im Jahr 1988 © Andrew Catlin, Neue Visionen Filmverleih
Foto 2: Johnny Depp, verbindet mit Shane MacGowan und seiner Frau Victoria Mary Clarke eine langjährige Freundschaft © Greg Willia, Neue Visionen Filmverleih

Info:
Shane (Großbritannien 2020)
Originaltitel: Crock of Gold: A Few Rounds with Shane MacGowan
Genre: Dokumentation, Biopic, Musik
Filmlänge: ca. 124 Minuten
Regie: Julien Temple
Drehbuch: Julien Temple
Darsteller: Shane MacGowan, Johnny Depp, Siobhan MacGowan, Gerry Adams, Victoria Mary Clarke u.a.
Verleih: Neue Visionen Filmverleih
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 19.08.2021